Antiestrogene

Fulvestrant als Second-Line-Therapie bei fortgeschrittenem Mammakarzinom


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Susanne Wasielewski, Münster

Das Antiestrogen Fulvestrant wurde parallel in einer offenen und einer Doppelblindstudie bei postmenopausalen Frauen eingesetzt, deren Mammakarzinom trotz Hormontherapie (meist Tamoxifen) fortgeschritten war. 250 mg Fulvestrant, einmal monatlich i. m. injiziert, waren mindestens so wirksam wie 1 mg Anastrozol, einmal täglich oral eingenommen. Das Antiestrogen wurde ähnlich gut vertragen wie der Aromatasehemmer.

Mammakarzinom-Patientinnen, deren Erkrankung unter Tamoxifen (z. B. Nolvadex®) fortschreitet, können eine weitere Hormontherapie erhalten. Als Second-Line-Therapien wurden bisher die Aromatasehemmer Anastrozol (Arimidex®), Letrozol (Femara®) und Exemestan (Aromasin®) eingesetzt.

Mit Fulvestrant (Faslodex®; Abb. 1) wurde 2002 in den USA ein reines Antiestrogen zugelassen. Wie Tamoxifen bindet Fulvestrant kompetitiv an Estrogen-Rezeptoren, wirkt aber anders als Tamoxifen hier nicht partialagonistisch. Die Bindung von Fulvestrant an den Rezeptor führt dazu, dass das Rezeptorprotein rasch abgebaut wird. Daher wird Fulvestrant auch als Estrogenrezeptor-Downregulator bezeichnet. Auch die Progesteron-Rezeptoren im Tumor werden dosisabhängig herunterreguliert.

Präklinische und erste klinische Untersuchungen wiesen auf eine Anti-Tumor-Aktivität beim Mammakarzinom, auch bei Tamoxifen-Resistenz, hin. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Fulvestrant im Vergleich zu Anastrozol bei postmenopausalen Frauen, deren hormonempfindliches Mammakarzinom trotz Hormontherapie lokal fortgeschritten oder metastasiert war, wurde in zwei parallel geplanten Studien untersucht, einer offenen Studie, die in Europa, Australien und Südafrika durchgeführt wurde (Studie 0020), und einer Doppelblindstudie in den USA (Studie 0021).

Die Frauen bekamen randomisiert entweder einmal monatlich (alle 28 ± 3 Tage) 250 mg Fulvestrant intramuskulär oder nahmen einmal täglich eine 1-mg-Anastrozol-Filmtablette ein, in der Doppelblindstudie ergänzt durch entsprechende Einnahme oder Injektion von Plazebo. Fulvestrant wurde als 5%ige Lösung auf Rizinusöl-Basis langsam injiziert, in der offenen Studie 5 ml in eine Gesäßhälfte, in der Doppelblindstudie 2,5 ml in jede Gesäßhälfte. Ursprünglich war eine dritte Behandlungsgruppe mit 125 mg Fulvestrant vorgesehen. Sie wurde abgebrochen, als bei einer gemeinsamen Interimsanalyse beider Studien von den ersten 30 Patientinnen keine auf die Behandlung angesprochen hatte.

Die Behandlung dauerte, bis das Fortschreiten der Tumorerkrankung oder andere Ereignisse zum Therapieabbruch zwangen. Die Patientinnen wurden anschließend mit einer Standardtherapie behandelt und weiter beobachtet. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Krankheitsprogression. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Zeit bis zum Therapieversagen, die objektive Ansprechrate, die Dauer des Ansprechens und die Verträglichkeit.

An der offenen Studie nahmen 451 Patientinnen teil, die zu 97 % (Fulvestrant-Gruppe) bzw. 98 % (Anastrozol-Gruppe) mit Tamoxifen vorbehandelt waren. Die Frauen wurden im Median 14,4 Monate lang beobachtet. An der Doppelblindstudie nahmen 400 Patientinnen teil, die in beiden Gruppen zu     95 % mit Tamoxifen vorbehandelt waren. Die mediane Beobachtungsdauer betrug hier 16,8 Monate.

Bis zur Auswertung kam es in allen Gruppen bei über 80 % der Patientinnen zur Progression (Tab. 1). In der Zeit bis zur Progression gab es ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Das Risiko für eine Progression unter Fulvestrant im Vergleich zu Anastrozol (Hazard-Ratio) betrug in der offenen Studie 0,98, in der Doppelblindstudie 0,92. Damit wurde die Nicht-Unterlegenheit von Fulvestrant beim primären Endpunkt gezeigt.

Bei der Zeit bis zum Therapieversagen (Krankheitsprogression, Tod oder Therapieabbruch) gab es ebenfalls keine signifikanten Unterschiede (Tab. 1). Dasselbe gilt für die objektive Ansprechrate, also den Anteil der Frauen, die vollständig oder teilweise auf die Behandlung ansprachen (Tab. 1).

Um vollständigere Information über die Dauer des Ansprechens zu gewinnen, wurden die Patientinnen noch weiter beobachtet, in der offenen Studie im Median 22,6 Monate, in der Doppelblindstudie 21,3 Monate. Das objektive Ansprechen auf Fulvestrant bzw. Anastrozol hielt in der offenen Studie im Median 15,0 bzw. 14,5 Monate an, in der Doppelblindstudie 19,0 bzw. 10,8 Monate. Bezogen auf alle Patientinnen – auch die Nonresponderinnen mit einer Ansprechdauer = 0 – war das objektive Ansprechen in beiden Studien in der Fulvestrant-Gruppe signifikant länger als in der Anastrozol-Gruppe: in der offenen Studie 1,27fach (95%-Konfidenzintervall 1,05–1,55, p = 0,01), in der Doppelblindstudie 1,35fach (1,10–1,67,
p < 0,01).

In der Doppelblindstudie wurde zusätzlich der klinische Nutzen berechnet, definiert als vollständiges oder teilweises Ansprechen oder eine über mindestens 24 Wochen stabile Erkrankung. Einen klinischen Nutzen hatten 87 Patientinnen mit Fulvestrant (42,2 %) und 70 mit Anastrozol (36,1 %).

Bis zur Auswertung war in allen Gruppen etwa ein Drittel der Patientinnen gestorben (Tab. 1).

Die Nebenwirkungen unter beiden Medikationen ähnelten sich in Häufigkeit und Schweregrad. Die meisten Nebenwirkungen waren leicht, Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen relativ selten (Tab. 1). Zu den häufigsten Arzneimittel-bedingten Nebenwirkungen gehörten Vasodilatation, Übelkeit und Asthenie. Typische Nebenwirkungen unter Hormontherapien wie Gewichtszunahme, thromboembolische Ereignisse und Vaginitis waren in beiden Behandlungsgruppen selten. Die Lebensqualität unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen.

Das eigentliche Studienziel, eine überlegene Wirksamkeit von Fulvestrant zu zeigen, wurde in beiden Studien nicht erreicht. In einer retrospektiven Analyse konnte jedoch die Nicht-Unterlegenheit von Fulvestrant gegenüber Anastrozol in Bezug auf die Zeit bis zur Krankheitsprogression, die Zeit bis zum Therapieversagen und die objektive Ansprechrate demonstriert werden. Fulvestrant ist demnach als Second-Line-Therapie bei postmenopausalen Frauen mit fortgeschrittenem hormonabhängigem Mammakarzinom mindestens ebenso wirksam wie Anastrozol.

Quellen

Howell A, et al. Fulvestrant, formerly ICI 182780, is as effective as anastrozole in postmenopausal women with advanced breast cancer progressing after prior endocrine treatment. J Clin Oncol 2002;20:3396-403.

Osborne CK, et al. Double-blind, randomized trial comparing the efficacy and tolerability of fulvestrant versus anastrozole in postmenopausal women with advanced breast cancer progressing on prior endocrine therapy: results of a North American trial. J Clin Oncol 2002;20:3386-95.

Tab. 1. Ergebnisse der Studien 0020 und 0021 zu Fulvestrant in der Second-Line-Therapie bei fortgeschrittenem Mammakarzinom [Howell et al., Osborne et al.]

Studie 0020 (offen)

Studie 0021 (doppelblind)

Fulvestrant

(n = 222)

Anastrozol

(n = 229)

Fulvestrant

(n = 206)

Anastrozol

(n =194)

Progression bei Studienende

183 (82,4 %)

191 (83,4 %)

83,5 %

86,1 %

Zeit bis zur Progression
(Median)

5,5 Monate

5,1 Monate

5,4 Monate

3,4 Monate

Zeit bis zum Therapieversagen (Median)

4,6 Monate

4,1 Monate

4,6 Monate

3,3 Monate

Objektive Ansprechrate

20,7 %

15,7 %

17,5 %

17,5 %

– Komplettes Ansprechen [n]

10

4

10

7

– Partielles Ansprechen [n]

36

32

26

27

Tod

82 (36,9 %)

83 (36,2 %)

73 (35,4 %)

65 (33,5 %)

Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen

7 (3,2 %)

3 (1,3 %)

5 (2,5 %)

5 (2,6 %)

Abb. 1. Fulvestrant 

Arzneimitteltherapie 2003; 21(11)