Neue ESC-Leitlinie für die Therapie von Vorhofflimmern

Dronedaron ist eine Therapieoption der 1. Wahl


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

In der aktualisierten Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) werden sowohl die Therapieziele als auch die Algorithmen für das therapeutische Management von Patienten mit Vorhofflimmern neu definiert. Auf der Basis der Ergebnisse der ATHENA-Studie wird in der Leitlinie das Antiarrhythmikum Dronedaron als eine Therapieoption der ersten Wahl für Patienten mit nichtpermanentem Vorhofflimmern empfohlen, wenn keine schwere chronische oder instabile Herzinsuffizienz vorliegt. Die aktuellen Empfehlungen wurden auf einem von der Firma Sanofi-Aventis im Rahmen der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) in Nürnberg veranstalteten Satellitensymposium zusammengefasst.

Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung im klinischen Alltag. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine harmlose Rhythmusstörung, vielmehr ist Vorhofflimmern eine der häufigsten Ursachen für einen ischämischen Schlaganfall. Weiterhin kann diese Rhythmusstörung – insbesondere bei unzureichender Frequenzkorrektur – auch zu einer Herzinsuffizienz führen. Darüber hinaus haben Patienten mit Vorhofflimmern ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.

Neue ESC-Leitlinien

In den neuen ESC-Leitlinien werden die Vermeidung von Tod, Schlaganfall und Hospitalisierung, der Erhalt bzw. die Steigerung der Lebensqualität bzw. Leistungsfähigkeit und die Verbesserung der linksventrikulären Pumpfunktion als Therapieziele definiert. Darüber hinaus sollte, soweit möglich, der Übergang vom paroxysmalen zum permanenten Vorhofflimmern aufgehalten bzw. verhindert werden.

Für die Rhythmuskontrolle bei Patienten mit Vorhofflimmern steht heute neben Antiarrhythmika auch die Katheterablation zur Verfügung. Zwar geht dieses interventionelle Verfahren mit einer Reihe möglicher Komplikationen (Pulmonalvenenstenose, Perikarderguss, ösophago-atriale Fistel) einher, allerdings treten diese bei den heute zur Verfügung stehenden modernen Technologien nur sehr selten auf. Trotzdem ist die Katheterablation auch nach der neuen ESC-Leitlinie für die Mehrzahl der betroffenen Patienten erst dann indiziert, wenn mit Antiarrhythmika keine ausreichende Stabilisierung des Sinusrhythmus gelingt. Nur in Einzelfällen bei Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern ohne wesentliche Herzerkrankung kann die Katheterablation auch als Verfahren der ersten Wahl eingesetzt werden.

Das Behandlungsregime zur Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern orientiert sich primär daran, ob eine relevante Herzerkrankung vorliegt oder nicht. Bei Patienten ohne oder mit einer nur minimalen Herzerkrankung sollte paroxysmales bzw. persistierendes Vorhofflimmern primär mit einem Klasse-I-Antiarrhythmikum wie Flecainid (z. B. Tambocor®) oder Propafenon (z. B. Rytmonorm®), mit Sotalol (z. B. Sotalex®) oder mit Dronedaron (Multaq®) behandelt werden. Kann damit keine ausreichende Stabilisierung des Sinusrhythmus erreicht werden, empfiehlt sich entweder eine Umstellung auf Amiodaron (z. B. Cordarex®) oder die Katheterablation.

Bei Patienten mit einer kongestiven Herzinsuffizienz (NYHA III–IV oder instabile NYHA II) ist und bleibt Amiodaron das Mittel der ersten Wahl. Andere Antiarrhythmika sind bei dieser Indikation kontraindiziert. Zeigt Amiodaron keine ausreichende Wirkung, sollte eine Katheterablation diskutiert werden.

Bei Patienten mit bekannter koronarer Herzkrankheit (KHK), Hypertonie mit Linksherzhypertrophie oder stabiler Herzinsuffizienz NYHA I–II empfiehlt sich die primäre Gabe von Dronedaron. Versagt diese Therapie, so kommen auch bei diesen Patienten Amiodaron oder die Katheterablation infrage.

ATHENA-Studie

Der Stellenwert von Dronedaron bei der Rhythmuskontrolle von Vorhofflimmern in der neuen ESC-Leitlinie leitet sich aus den Ergebnissen der ATHENA-Studie (A trial with dronedarone to prevent hospitalization or death in patients with atrial fibrillation) ab. Dabei handelt es sich um die größte doppelblinde randomisierte Studie, die jemals bei Patienten mit Vorhofflimmern durchgeführt wurde. Eingeschlossen wurden insgesamt 4628 Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern oder -flattern, die entweder ≥75 Jahre alt waren oder bei einem Alter von ≥70 Jahren zusätzlich einen weiteren kardiovaskulären Risikofaktor (Hypertonie, Diabetes mellitus, zurückliegendes zerebrovaskuläres Ereignis, Größe des linken Vorhofs ≥50 mm oder linksventrikuläre Auswurffraktion ≤40%) aufwiesen. Zu den Ausschlusskriterien gehörten permanentes Vorhofflimmern, dekompensierte Herzinsuffizienz, bradykarde Herzrhythmusstörung oder hochgradige Einschränkung der Nierenfunktion. Die Patienten erhielten randomisiert entweder 2-mal täglich 400 mg Dronedaron oder Plazebo. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 21±5 Monate. Als primärer kombinierter Endpunkt wurde Tod aufgrund jeglicher Ursache und kardiovaskulär bedingte Hospitalisierung festgelegt. Sekundäre Endpunkte der Studie waren Tod aufgrund jeglicher Ursache, kardiovaskulär bedingter Tod und Hospitalisierung aus kardiovaskulären Gründen.

Durch Dronedaron wurde das Risiko für den primären Endpunkt statistisch signifikant um relativ 24% gegenüber Plazebo gesenkt (31,9% vs. 39,4%, p<0,001), wobei insbesondere Krankenhausaufnahmen wegen erneut aufgetretenem Vorhofflimmern und akutem Koronarsyndrom reduziert wurden. Das Risiko für kardiovaskulär bedingten Tod ging um relativ 29% (p=0,034) zurück und das Risiko für einen arrhythmogen bedingten Tod sogar um relativ 45% (p=0,01). Die Gesamttodesrate wurde um relativ 16% (p=0,18) reduziert. Die Rate an Klinikeinweisungen aus kardiovaskulären Gründen war in der Dronedaron-Gruppe statistisch signifikant um relativ 26% (p<0,001) niedriger.

Eine Post-hoc-Analyse der ATHENA-Studie ergab unter Dronedaron eine relative Risikoreduktion für Schlaganfall um 34% im Vergleich zu Plazebo (von 1,8 auf 1,2%; p=0,027), das heißt, jeder dritte Schlaganfall wurde verhindert.

Pleiotrope Effekte?

Angesichts der Tatsache, dass durch Dronedaron in der ATHENA-Studie kardiovaskuläre Ereignisse und auch Schlaganfälle bei Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern verhindert werden konnten, wird diskutiert, ob Dronedaron über seine antiarrhythmische Wirksamkeit hinaus auch pleiotrope Effekte, eventuell im Sinne einer Plaquestabilisierung, entfalten könnte. Dieser Frage wird jetzt im Rahmen einer großen Studie (PALLAS: Permanent atrial fibrillation outcome study using dronedarone on top of standard therapy) nachgegangen. Einbezogen in die Studie werden nur Patienten mit permanentem Vorhofflimmern, wobei der kombinierte Endpunkt dem in der ATHENA-Studie entspricht, nämlich Tod und kardiovaskulär bedingte Hospitalisierung. Darüber hinaus wird auch der Effekt von Dronedaron auf schwere kardiovaskuläre Ereignisse untersucht.

Indikationen für Dronedaron

Nach den aktualisierten ESC-Leitlinien wird Dronedaron insbesondere bei Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern mit begleitender KHK oder hypertensiver Herzerkrankung empfohlen. Darüber hinaus ist Dronedaron eine sinnvolle Alternative beispielsweise zu Flecainid oder Propafenon bei Patienten mit gering ausgeprägter struktureller Herzerkrankung. Auch bei Patienten mit Nebenwirkungen unter Amiodaron sollte eine Umstellung auf Dronedaron in Erwägung gezogen werden. Nicht sinnvoll dagegen ist die Gabe von Dronedaron bei Patienten, die nicht ausreichend auf Amiodaron ansprechen oder bei denen mit Amiodaron eine zufriedenstellende dauerhafte Stabilisierung des Sinusrhythmus ohne nennenswerte Nebenwirkungen gelungen ist. Zum jetzigen Zeitpunkt ist auch eine Empfehlung als prognostisch relevantes Therapieprinzip bei asymptomatischen Patienten mit Vorhofflimmern nicht gerechtfertigt. Gleiches gilt für den Einsatz der Substanz ausschließlich zur Frequenzkorrektur.

Fazit

Nach den aktualisierten ESC-Leitlinien für das Management von Vorhofflimmern empfiehlt sich der Mehrkanalblocker Dronedaron insbesondere für Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern mit begleitender KHK oder hypertensiver Herzerkrankung oder als Alternative für Flecainid bzw. Propafenon bei Patienten mit geringer struktureller Herzerkrankung. Auch bei Patienten mit Amiodaron-Unverträglichkeit ist eine Umstellung auf Dronedaron sinnvoll. Eine Indikation für eine Katheterablation sollte für die meisten betroffenen Patienten erst dann gestellt werden, wenn ein Antiarrhythmikum keine ausreichende Wirkung zeigt.

Quellen

Prof. Günter Breithardt, Münster; Prof. Andreas Götte, Paderborn; Prof. Thorsten Lewalter, Bonn; Prof. Rainer Scholz, Essen; Pressegespräch „Vorhofflimmern aktuell – Prognose und Praxiserfahrung“ und Symposium „Ist Prognoseverbesserung ein Therapieziel bei Vorhofflimmern?“ veranstaltet von Sanofi-Aventis im Rahmen der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK), Nürnberg, 7. Oktober 2010.

Hohnloser SH, et al. Effect of dronedarone on cardiovascular events in atrial fibrillation. N Engl J Med 2009;360:668–78.

Camm AJ, et al. ESC AF Guidelines 2010. Eur Heart J 2010;31:2369–429.


Nachdem unter Dronedaron Fälle von Leberschädigung berichtet wurden (in 2 Fällen war aufgrund eines akuten Leberversagens eine -transplantation erforderlich), informiert der Hersteller in einem Rote-Hand-Brief über neue Erkenntnisse zu Nebenwirkungen von Multaq® und notwendige Kontrolluntersuchungen. Quelle: AkdÄ Drug Safety Mail Nr. 138 vom 24.01.2011.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(02)