Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Männer stoßen Frauenherzen häufig ab! Diese Schlagzeile gilt keinesfalls der emotionalen Verrohung des männlichen Geschlechts. Vielmehr ist sie das Ergebnis einer internationalen Transplantationsstudie, die in Heidelberg durchgeführt wurde. Sie ergab, dass männliche Empfänger transplantierte weibliche Herzen häufiger abstießen als männliche. Die Ursachen für diese mangelnde Akzeptanz von Frauenherzen bei Männern, sind letztendlich unbekannt. Diskutiert wird, dass weibliche Organe mehr Angriffsstellen für Antikörper besitzen.
Unabhängig davon, ob der Wissenschaft die kausale Erklärung gelingt oder nicht, diese Studie bestätigt eine sicherlich nicht neue Erkenntnis, die jedoch im medizinischen Alltag kaum berücksichtigt wird: Frauen sind anders! Dies gilt insbesondere für die Arzneimitteltherapie, die weitaus häufiger als gedacht geschlechtsspezifische, klinisch relevante Unterschiede zeigt. Doch weder in Lehrbüchern der Pharmakologie, noch in Beipackzetteln findet man hierzu etwas. Auch in großen klinischen Studien sind Frauen meist unterrepräsentiert, was jedoch bei der Auswertung kaum berücksichtigt wird. Evidenz-basierte Aussagen über die Wirksamkeit eines Therapieprinzips gelten deshalb in sehr vielen Fällen bei genauer Betrachtung eigentlich nur für Männer.
Die unterschiedliche Wirkung von Arzneimitteln bei Männern und Frauen resultiert nicht nur aus den physiologischen, konstitutionellen Unterschieden bei Körpergewicht, Fett-, Muskelmasse und Wassergehalt. Vielmehr spielen auch hormonelle Einflüsse ein Rolle, welche Resorption, Verteilung, Metabolismus und Elimination von Medikamenten verändern können.
So werden die Plasmaspiegel des Betablockers Metoprolol bei gleichzeitiger Einnahme eines Kontrazeptivums erhöht. Dies könnte erklären, warum Frauen bei einer Standarddosierung dieses Medikaments häufiger unangenehme Nebenwirkungen wie kalte Hände und Füße oder Bradykardien zeigen. Interessanterweise ist die Halbwertszeit von Acetylsalicylsäure bei Frauen ohne orale Kontrazeption um etwa 30 % länger als bei Männern. Dieser Unterschied ist bei Einnahme der Pille nicht mehr nachweisbar. Andererseits scheint die hemmende Wirkung der Acetylsalicylsäure auf die Thrombozytenfunktion bei Frauen etwas geringer zu sein, sodass die empfohlene Standarddosierung von 100 mg nach Möglichkeit nicht unterschritten werden sollte.
Auch metabolisch finden sich durchaus relevante Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern. So sind Frauen insulinsensitiver, bei gleichem Insulinspiegel nehmen Frauen mehr Glucose in die Muskulatur auf als Männer. Daraus resultiert ein geringeres Risiko für die Entwicklung einer Insulinresistenz. Dies könnte erklären, warum Frauen bis zur Menopause einen gewissen Schutzfaktor vor arteriosklerotischen Erkrankungen besitzen. Zudem scheint die Endothel-schädigende Wirkung eines erhöhten Cholesterolspiegels bei Frauen weniger ausgeprägt zu sein. Eine Hypercholesterolämie hat also bei Männern eine sehr viel größere Bedeutung als arteriosklerotischer Risikofaktor als bei Frauen. Ob sich daraus unterschiedliche medikamentöse Präventionsstrategien ergeben könnten, ist noch offen.
Daten zeigen, dass jüngere Frauen weißer Hautfarbe bis 55 Jahre mit einer leichten bis mittelschweren arteriellen Hypertonie von einer antihypertensiven Therapie bezüglich Morbidität und Mortalität kaum profitieren. Deshalb könnte man den Standpunkt vertreten, dass für sie eine konsequente Blutdrucksenkung nur dann nötig ist, wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen.
Die Andersartigkeit des weiblichen Herzens zeigt sich z. B. in der Rhythmologie. Das kardiale Reizleitungssystem ist bei Frauen sehr viel empfindlicher als bei Männern. Deshalb führen Antiarrhythmika häufiger zu einer Verlängerung der QT- Zeit und somit zu lebensbedrohlichen ventrikulären Tachykardien im Sinne von Torsade de pointes. Deshalb die dringende Empfehlung, bei der Verordnung von Medikamenten, die die QT- Zeit verlängern, bei Frauen besondere Vorsicht walten zu lassen.
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