Susanne Wasielewski, Münster
Glioblastome – bösartige, von der Neuroglia ausgehende Großhirngeschwulste – sind die häufigsten primären Hirntumoren bei Erwachsenen. Üblicherweise werden Glioblastome durch Resektion und anschließende Bestrahlung mit oder ohne adjuvante Chemotherapie behandelt. Die Prognose ist schlecht; die mittlere Überlebenszeit beträgt neun bis zwölf Monate. Nach zwei Jahren leben im Durchschnitt nur noch 8 bis 12 % der Patienten.
Als Zytostatika wurden bislang in erster Linie N-Nitrosoharnstoffe eingesetzt, insbesondere Carmustin (Carmubris®), Lomustin (Cecenu®) sowie die Kombination aus Procarbazin (Natulan®), Lomustin und Vincristin (z. B. Farmistin®). Der Nutzen dieser Chemotherapien konnte nicht schlüssig bewiesen werden.
Temozolomid (Temodal®) ist ein neues alkylierendes Zytostatikum (Abb. 1). Es hat eine hohe orale Bioverfügbarkeit und überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Bei rezidiviertem oder progredientem Glioblastom hat sich Temozolomid als wirksam erwiesen. Ergebnisse präklinischer Untersuchungen deuten auf eine additive oder synergistische Wirkung bei gleichzeitiger Radiotherapie hin.
In einer offenen Phase-II-Studie wurden Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit einer simultanen Temozolomid- und Radiotherapie gefolgt von einer adjuvanten Temozolomid-Chemotherapie bei neu diagnostizierten Glioblastomen untersucht.
An zwei Schweizer Kliniken nahmen 64 Patienten mit histologisch bestätigtem Glioblastom teil. Die Patienten bekamen sechs Wochen lang eine fraktionierte Radiotherapie. Die Gesamtdosis betrug 60 Gy. Sie wurde in 2-Gy-Fraktionen an fünf Tagen pro Woche verabreicht. Parallel dazu nahmen die Patienten kontinuierlich sechs bis sieben Wochen lang täglich 75 mg Temozolomid/m2 Körperoberfläche oral ein. Die Einnahme erfolgte morgens nüchtern, eine Stunde vor der Radiotherapie. Vier Wochen nach Ende der Radiotherapie begannen die Patienten eine adjuvante Chemotherapie aus sechs Zyklen Temozolomid.
In dieser Zeit nahmen sie intermittierend – alle 28 Tage an fünf Tagen – täglich 200 mg Temozolomid/m2 Körperoberfläche ein. Nachdem die ersten 15 Patienten die Radiochemotherapie erhalten hatten, wurden Pentamidin-Inhalationen (Pentacarinat) in der ersten und fünften Bestrahlungswoche zur Prophylaxe einer Pneumocystis-carinii-Pneumonie eingeführt.
Primäre Endpunkte waren Sicherheit und Verträglichkeit, sekundärer Endpunkt das Gesamtüberleben.
Die Patienten waren zu Beginn im Mittel 52 Jahre alt. Bei 49 Patienten (77 %) war der Tumor reseziert worden, bei den übrigen 15 (23 %) war nur eine stereotaktische Biopsie möglich gewesen.
62 Patienten wurden mit der Radiochemotherapie behandelt (zwei nur mit Radiotherapie), 49 auch mit adjuvantem Temozolomid. Pro Patient wurden im Mittel 5,5 adjuvante Chemotherapie-Zyklen verabreicht.
Vier Patienten brachen die Temozolomid-Einnahme während der Radiotherapie wegen toxischer Nebenwirkungen ab. Die adjuvante Temozolomid-Therapie wurde bei 24 Patienten (39 %) aufgrund fortschreitender Erkrankung abgebrochen. 24 Patienten (39 %) erhielten die simultane und die adjuvante Temozolomid-Therapie wie geplant.
Als nichthämatologische Toxizitäten kamen in einigen Fällen Übelkeit/Erbrechen, Müdigkeit und Hautausschlag vor. Sie waren im Allgemeinen leicht bis mäßig ausgeprägt.
Die dosisbegrenzende Toxizität war die Myelosuppression: Während der Radiochemotherapie litten jeweils 6 % der Patienten an einer Neutropenie oder Thrombopenie vom Grad 3 oder 4. Lymphopenien vom Grad 3 oder 4 betrafen 49 Patienten. Drei Patienten hatten Infektionen, die stationär behandelt werden mussten, davon zwei (ohne Pentamidin-Prophylaxe) eine Pneumocystis-carinii-Pneumonie. In 2 % der adjuvanten Chemotherapie-Zyklen trat eine Neutropenie und in 6 % eine Thrombopenie vom Grad 3 oder 4 auf. Die Thrombopenie erforderte bei zwölf Patienten eine Reduktion oder Verschiebung der Temozolomid-Dosis.
Für eine abschließende Beurteilung der Langzeittoxizität ist die Studie zu kurz. Zwei Patienten hatten schwere neurologische Beeinträchtigungen: Der eine litt an erhöhtem Hirndruck, therapierefraktären Anfällen und Sehkraftverlust, der andere an fortschreitendem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und halbseitiger Lähmung.
Die Patienten wurden im Mittel 23 Monate nachbeobachtet. Zum Zeitpunkt der Auswertung waren 38 Patienten gestorben. Die Intention-to-treat-Analyse ergab eine mittlere Überlebenszeit von 16 Monaten. Nach einem Jahr lebten noch 58 % und nach zwei Jahren 31 % der Patienten. Eine günstige Prognose hatten junge Patienten und Patienten nach Tumorresektion.
In dieser Studie hat sich Temozolomid sowohl in der Radiochemotherapie als auch in der adjuvanten Chemotherapie als sicher und verträglich erwiesen. Mit einer mittleren Überlebenszeit von 16 Monaten schneidet die Behandlung im Vergleich zu anderen Regimen sehr gut ab. In einer Studie der EORTC (European Organization for Research and Treatment of Cancer) und des National Cancer Institute of Canada wird die Temozolomid-Radiochemotherapie gefolgt von der adjuvanten Temozolomid-Chemotherapie jetzt mit einer alleinigen Standard-Radiotherapie verglichen.
Quelle
Stupp R, et al. Promising survival for patients with newly diagnosed glioblastoma multiforme treated with concomitant radiation plus temozolomide followed by adjuvant temozolomide.
J Clin Oncol 2002;20:1375-82.

Abb. 1. Temozolomid
Arzneimitteltherapie 2003; 21(01)