Hüft- oder Kniegelenksersatz

Verlängerte Thromboseprophylaxe vorteilhaft?


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Susanne Wasielewski, Münster

Bei Hüft- oder Kniegelenksersatz ist die optimale Dauer einer Thromboseprophylaxe unbekannt. Eine Metaanalyse ergab, dass eine vier-bis sechswöchige Prophylaxe die Häufigkeit symptomatischer venöser Thromboembolien senkt.

In internationalen Richtlinien wird nach Hüft- oder Kniegelenksersatz eine sieben- bis zehntägige Thromboseprophylaxe mit Warfarin oder einem niedermolekularen Heparin empfohlen. Eine längere Prophylaxe, die über den Krankenhausaufenthalt hinausgeht, verringert zumindest das Risiko neuer asymptomatischer Thromben. In einer Metaanalyse wurde kürzlich untersucht, wie sich eine längere Prophylaxe auf die Häufigkeit symptomatischer venöser Thromboembolien nach Hüft- oder Kniegelenksersatz auswirkt.

Mit Hilfe von Medline und Embase wurden im Zeitraum von Januar 1980 bis Juli 2000 randomisierte Studien gesucht, in denen Patienten mit elektiver Hüft- oder Kniegelenksersatz-Operation entweder eine lang dauernde Prophylaxe mit Heparin oder Warfarin erhalten oder ein Plazebo bekommen hatten beziehungsweise unbehandelt geblieben waren. In den Studien mussten objektive Methoden zur Diagnose symptomatischer venöser Thromboembolien angewandt worden sein. Zusätzlich zu den Datenbanken wurden Literaturhinweise sowie Abstracts von Fachkongressen durchgesehen und sowohl pharmazeutische Unternehmen als auch Autoren kontaktiert.

Neun Studien mit 3 999 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien. Sieben Studien hatten nur Patienten berücksichtigt, deren Hüftgelenk ersetzt wurde, zwei auch Patienten, deren Kniegelenk ersetzt wurde. In acht Studien wurden niedermolekulare Heparine eingesetzt. In einer Studie bekamen die Patienten eine feste Dosis eines unfraktionierten Heparins. Die stationäre Thromboseprophylaxe dauerte in den beiden jüngsten Studien vier bis zehn Tage, in den übrigen Studien zehn bis 15 Tage. In allen Studien dauerte die gesamte Thromboseprophylaxe etwa vier bis sechs Wochen (30 bis 42 Tage). Patienten, die bereits im Krankenhaus eine symptomatische venöse Thromboembolie erlitten, wurden von der weiteren Prophylaxe ausgeschlossen.

Die verlängerte Prophylaxe senkte die Häufigkeit symptomatischer venöser Thromboembolien nach der Krankenhausentlassung signifikant: auf 1,3 % gegenüber 3,3 % mit Plazebo beziehungsweise ohne Prophylaxe. Tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien nahmen im gleichen Ausmaß ab. Da aber nur 14 Lungenembolien auftraten (3 mit Heparin, 11 ohne), war das relative Lungenembolierisiko nicht signifkant reduziert.

Patienten mit Hüftgelenksersatz profitierten stärker von der Prophylaxe als Patienten mit Knielgelenksersatz: Bei den Hüftoperierten sank die Häufigkeit symptomatischer venöser Thromboembolien auf 1,4 % gegenüber 4,3 % (signifikant), bei den Knieoperierten auf 1,0 % gegenüber 1,4 % (nicht signifikant). Die verlängerte Prophylaxe reduzierte auch die Häufigkeit asymptomatischer, venographisch festgestellter tiefer Venenthrombosen signifikant: auf 9,6 % gegenüber 19,6 %.

Größere Blutungen kamen mit der verlängerten Prophylaxe nicht häufiger vor als mit Plazebo oder ohne Prophylaxe. Kleinere Blutungen traten allerdings vermehrt auf (3,7 % gegenüber 2,5 %). Die Sterblichkeit war nicht verändert; mit der Prophylaxe traten drei Todesfälle auf (0,1 %) und ohne Prophylaxe fünf (0,3 %).

Demnach senkt eine über den Krankenhausaufenthalt hinausgehende Heparingabe nach einem Hüft- oder Kniegelenksersatz das Risiko symptomatischer venöser Thromboembolien signifikant. Dieser Nutzen wird mit einem erhöhten Risiko kleiner Blutungen erkauft. Um eine symptomatische venöse Thromboembolie zu verhindern, müssen etwa 50 Patienten die verlängerte Prophylaxe erhalten. Andererseits tritt eine kleine Blutung auf, wenn etwa 80 Patienten die Prophylaxe bekommen.


Quelle

Eikelboom JW, et al. Extended-duration prophylaxis against venous thromboembolism after total hip or knee replacement: a meta-analysis of the randomised trials. Lancet 2001;358:9-15.

Arzneimitteltherapie 2003; 21(01)