Bexaroten bei kutanen T-Zell-Lymphomen


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Sylke Gellrich, J. Marcus Muche und Wolfram Sterry, Berlin

Bexaroten (Targretin®) kann als eine Erweiterung der Therapieoptionen bei fortgeschrittenem kutanem T-Zell-Lymphom betrachtet werden. Besonders engmaschig sollten der Lipidstoffwechsel, das Blutbild und die Schilddrüsenfunktion kontrolliert und gegebenenfalls behandelt werden.
Arzneimitteltherapie 2003;21:34-5.


Bexaroten (Targretin®) ist ein synthetisches Produkt einer neuen Subklasse von Retinoiden. Es aktiviert selektiv Retinoid-X-Rezeptoren (RXRs), welche eine Bedeutung im Zellstoffwechsel (Vitamin D3, Thyreoid-Hormon-Rezeptor, proliferationsaktivierender Rezeptor in Peroxysomen) haben [1]. In In-vitro-Untersuchungen konnte die Induktion von Apoptose in Tumorzell-Linien epithelialer und hämatopoetischer Abstammung nachgewiesen werden [2].

Bexaroten wird oral appliziert . Die Dosierung richtet sich nach der Körperoberfläche. Es wird eine Anfangsdosis in Höhe von 300 mg/m2 Körperoberfläche pro Tag empfohlen. Vor Beginn der Behandlung muss eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden und eine Aufklärung des Patienten erfolgen. Es ist notwendig, ein Lipidprofil und einen Hormonstatus der Schilddrüse zu erstellen.

Nebenwirkungen

Bei Anwendung von Bexaroten können vielfältige Nebenwirkungen auftreten, welche engmaschig kontrolliert und gegebenenfalls symptomatisch behandelt werden sollten. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen zählen Leukopenie, Hypothyreose, Hyperlipidämie, Hypercholesterolämie, Pruritus und exfoliative Dermatitis. Subjektiv berichten die Patienten über Kopfschmerzen, Asthenie und Schmerzen. Entsprechend den Nebenwirkungen wird bei Hyperlipidämie und Hypercholesterolämie eine antihyperlipämische Therapie mit CSE-Hemmern (z. B. Atorvastatin) oder einem Fibrat (z. B. Fenofibrat) eingeleitet. Schilddrüsenhormone können ebenfalls oral substituiert werden (z. B. Levothyroxin).

Klinische Studien

Derzeit ist das Medikament für die Therapie von kutanen T-Zell-Lymphomen im fortgeschrittenen Stadium zugelassen, wenn mindestens eine vorausgegangene systemische Behandlung nicht erfolgreich war. Gestützt wird die Zulassung durch drei US-amerikanische Studien der Phasen I bis II und zwei internationale klinische Studien der Phasen II bis III. Insgesamt wurden in den Phase-II- und -III-Studien 58 Patienten in frühen Stadien und 94 Patienten in fortgeschrittenem Stadium mit kutanem T-Zell-Lymphom untersucht. Da es sich um eine Dosisfindungsstudie handelte, wurden die Patienten entweder mit täglcih 300 mg/m2 oder mit > 300 mg/m2 behandelt. Die Ansprechrate betrug 48 % in der niedrig dosierten Gruppe (54 % im frühen und 45 % im fortgeschrittenen Stadium) und 58 % in der höherdosierten Gruppe (67 % im frühen und 55 % im fortgeschrittenen Stadium). Es dauerte im Median 16 Wochen bis zum Ansprechen. Eine komplette Remission wurde bei 3,6 % der niedrig dosierten Patienten und 17 % der höher dosierten Patienten erreicht. Die beste Ansprechrate wurde im Stadium IIA erreicht (67 %). Die Dauer des Remissionsstatus betrug im Mittel 43 Wochen [3].

Im Rahmen der EORTC-Lymphoma-Study-Group ist eine neue Studie (Protokoll-Nr. 21011) aufgelegt worden, in welcher die Sicherheit und Effektivität der Anwendung von Targretin® in Kombination mit PUVA versus PUVA allein bei Patienten mit kutanem T-Zell-Lymphom untersucht werden soll. Die Patienten können ab sofort in diese Studie eingeschlossen werden.

Eigene Erfahrungen

Aus Deutschland liegen keine Daten mit Bexaroten aus Studien vor, wir verfügen jedoch über Erfahrungen im Umgang mit Bexaroten. Aus unserer Sicht stellt das Medikament eine alternative Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit fortgeschrittenem primär kutanem T-Zell-Lymphom dar. Besonders im Stadium IIB bis IVB stehen uns derzeit keine ausreichend wirksamen Arzneimittel zur Behandlung von kutanen T-Zell-Lymphomen zur Verfügung. Wenn etablierte Therapieformen wie zum Beispiel die Applikation von Interferon alfa-2a oder PUVA, Methotrexat oder Bestrahlung nicht mehr effektiv sind, kann ein antiproliferativer Effekt durch Bexaroten noch bei einigen Patienten erreicht werden. Diese Substanz kann somit als eine Erweiterung der Therapieoptionen bei fortgeschrittenem kutanem T-Zell-Lymphom betrachtet werden. Besonders engmaschig sollten der Lipidstoffwechsel, das Blutbild und die Schilddrüsenfunktion kontrolliert und gegebenenfalls behandelt werden. Ob die Indikation zur Anwendung von Bexaroten in frühen Stadien des primär kutanen T-Zell-Lymphoms, möglicherweise in Kombination mit anderen etablierten Therapien, vorteilhaft ist, bleibt durch weitere Studien zu klären.

Literatur

1. Kliewer SA, Noonan DJ, Heymann RA, Evans RM. Convergence of 9-cis-retinoic acid and peroxisome proliferator signalling pathway through heterodimer formation of their receptors. Nature 1992;358:771-4.

2. Gottardis MM, Bischoff ED, Shirley MA, Wagoner MA, et al. Chemoprevention of mammary carcinoma by LGD1069 (Targretin®): A RXR-selective ligand. Cancer Res 1996;56: 5566-70.

3. Duvic M, Hymes K, Heald P, et al. Bexarotene is effective and safe for treatment of refractory advanced-stage cutaneous T-cell lymphoma: Multinational phase II-III trial results. J Clin Oncol 2002;19:2456-71.

Für die Verfasser:
Dr. Sylke Gellrich, Dermatologische Universitätsklinik, Charité, Schumannstr. 20–21, 10098 Berlin, E-Mail: sylke.gellrich@charite.de

Arzneimitteltherapie 2003; 21(02)