Gerinnungshemmstoffe

Antithrombin bei schwerer Sepsis nicht wirksam


Susanne Wasielewski, Münster

In einer großen Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudie profitierten Patienten mit schwerer Sepsis nicht von einer hoch dosierten Antithrombin-Behandlung.

Bei Patienten mit schwerer Sepsis und/oder septischem Schock ist häufig das Gerinnungssystem aktiviert, und endogene Gerinnungshemmstoffe werden in hohem Maße verbraucht. Die Plasmakonzentration des Gerinnungshemmstoffs Antithrombin fällt in der Frühphase einer schweren Sepsis jäh ab. Die Ergebnisse von Phase-2-Studien legen nahe, dass eine Antithrombin-Gabe (z. B. Atenativ®, Kybernin®) Patienten mit schwerer Sepsis signifikant vor einem Multiorganversagen schützen und ihre Sterblichkeit senken könnte. Deshalb wurde in einer großen Phase-3-Studie geprüft, ob die Patienten einen Überlebensvorteil haben, wenn sie frühzeitig hoch dosiertes Antithrombin erhalten. Die randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte KyberSept-Studie fand an 211 Kliniken in 19 Ländern statt. Teilnehmen konnten Patienten, deren schwere Sepsis zu Therapiebeginn seit höchstens sechs Stunden bestand. Die Patienten bekamen randomisiert vier Tage lang Antithrombin oder Plazebo (1 % Humanalbumin) intravenös infundiert. Insgesamt wurden 30 000 I. E. Antithrombin verabreicht: ein Bolus mit 6 000 I. E., gefolgt von einer Dauerinfusion mit 6 000 I. E. pro Tag. Während der viertägigen Behandlung durfte Heparin nur niedrig dosiert zur Thromboseprophylaxe oder als Gefäßkatheter-Spülung eingesetzt werden. Primärer Endpunkt war die 28-Tage-Sterblichkeit nach Beginn der Behandlung. Die Analyse erfasste alle Patienten, die randomisiert waren und mindestens einen Teil der Studienmedikation erhalten hatten. Außerdem fanden Subgruppenanalysen statt, unter anderem ein Vergleich zwischen Patienten mit und ohne Heparin während der Behandlung.

2 314 erwachsene Patienten nahmen teil, die eine Hälfte bekam Antithrombin, die andere Plazebo. Die Behandlungsgruppen waren nach Infektionsquelle, Bakteriämie-Häufigkeit und Sepsiserreger vergleichbar. In beiden Gruppen hatten mehr als die Hälfte der Patienten zu Beginn einen Antithrombin-Plasmaspiegel unter 60 % des Normalwerts. Der Plasmaspiegel stieg in der Antithrombin-Gruppe nach 24 Stunden im Mittel um 115 % auf durchschnittlich 180 % des Normalwerts. In der Plazebo-Gruppe blieb er unverändert.

Die 28-Tage-Sterblichkeit betrug in der Antithrombin-Gruppe 38,9 % und in der Plazebo-Gruppe 38,7 %. Der Unterschied war nicht signifikant. Auch sekundäre Endpunkte, wie die 56- und die 90-Tage-Sterblichkeit und die Liegedauer auf Intensivstationen, unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen.

Knapp ein Drittel der Patienten hatte während der Behandlung kein Heparin erhalten. In dieser Untergruppe war die 28-Tage-Sterblichkeit mit Antithrombin tendenziell niedriger (37,8 % gegenüber 43,6 %) und die 90-Tage-Sterblichkeit signifikant niedriger als mit Plazebo (44,9 % gegenüber 52,5 %).

Nebenwirkungen unterschieden sich in Art und Häufigkeit nicht zwischen den Gruppen. Mit einer Ausnahme: In der Antithrombin-Gruppe traten 255 Blutungskomplikationen (22,0 %) auf, in der Plazebo-Gruppe 148 (12,8 %). Der Unterschied war signifikant. In der Untergruppe der Patienten, die gleichzeitig Heparin bekamen, war der Unterschied besonders ausgeprägt (23,8 % gegenüber 13,5 %). In beiden Behandlungsgruppen war die 28-Tage-Sterblichkeit bei Patienten mit Blutungskomplikationen weit höher als bei Patienten ohne Blutungskomplikationen (über 50 % gegenüber rund 36 %).

Mit dieser Studie reiht Antithrombin sich in die Gruppe der zunächst vielversprechenden, in großen klinischen Studien jedoch enttäuschenden Kandidaten für die Sepsis-Therapie. Eine weitere Studie könnte klären, ob Patienten, die zeitgleich kein Heparin erhalten, von der Antithrombin-Therapie profitieren. Eventuell zeigt sich ein Überlebensvorteil auch erst über einen längeren Zeitraum (z. B. 90 Tage statt 28 Tage nach Behandlungsbeginn).

Quelle

Warren BL, et al. High-dose antithrombin III in severe sepsis. JAMA 2001;286:1869-78.

Arzneimitteltherapie 2003; 21(03)