Akutes Koronarsyndrom

Kein Nutzen durch längere präinterventionelle antithrombotische Therapie


Dr. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Bei Hochrisiko-Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Hebungsinfarkt ist eine möglichst rasche invasive Therapie anzustreben. Diese sollte immer unter dem Schutz einer intensiven kombinierten antithrombotischen Therapie erfolgen. Durch eine Verlängerung der präinterventionellen antithrombotischen Therapie („cooling off“) kann das Behandlungsergebnis nicht verbessert werden, so das Ergebnis der ISAR-COOL-Studie.

Bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom ohne ST-Hebungsinfarkt ist eine möglichst rasche invasive Therapie dann anzustreben, wenn Risikoindikatoren wie ein positiver Troponin-Test oder ST-Streckensenkungen vorliegen. Eine Koronarintervention sollte immer zusammen mit einer antithrombotischen Therapie erfolgen, zum Beispiel mit Acetylsalicylsäure (ASS, z. B. Aspirin®), Clopidogrel (Plavix®, Iscover®), Heparin oder Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten wie Tirofiban (Aggrastat®).

In der ISAR-COOL-Studie (The intracoronary stenting with antithrombotic regimen cooling-off) wurde prospektiv und randomisiert untersucht, ob durch eine Verlängerung der antithrombotischen Therapie vor der Koronarintervention der Behandlungserfolg verbessert werden kann. 410 Patienten mit typischen pektanginösen Beschwerden, ST-Strecken-Senkung und/oder Troponin-Erhöhung wurden in zwei Zentren in Detuschland in die Studie aufgenommen. Randomisiert wurden sie entweder innerhalb von 6 Stunden nach Einleitung der antithrombotischen Therapie der Ballonangioplastie zugeführt (n = 203) oder die präinterventionelle antithrombotische Therapie wurde über 72 bis 120 Stunden vor der geplanten Maßnahme durchgeführt (n = 207). Die antithrombotische Behandlung bestand in beiden Gruppen aus Acetylsalicylsäure (500 mg initial i. v., dann 100 mg zweimal täglich), Clopidogrel (600 mg initial, dann 75 mg zweimal täglich), Tirofiban (10 µg/kg als Bolus, dann 0,1 µg/kg/min) und Heparin. Nach der Koronarintervention wurden die Patienten 24 h mit Tirofiban, 4 Wochen mit Cloppidogrel und als Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure weiter behandelt.

Primärer Endpunkt der Studie war die Kombination aus Tod und nicht-tödlichem Herzinfarkt innerhalb von 30 Tagen.

In der Gruppe, die innerhalb von 6 Stunden invasiv behandelt wurde, trat der primäre Endpunkt bei 5,9 % der Patienten auf (kein Todesfall, 12 Herzinfarkte), dagegen wurde er in der länger präinterventionell antithrombotisch behandelten Gruppe bei 11,6 % der Patienten registriert (3 Todesfälle, 21 Myokardinfarkte) (95 %-Konfidenzintervall: 1,01–3,94; p = 0,04). In der länger antithrombotisch behandelten Gruppe kam es in 13 Fällen vor dem interventionellen Eingriff zu einem Ereignis. Bei den sofort interventionell Behandelten trat nur ein Ereignis vor der Ballondilatation auf. Nach der interventionellen Therapie wurden in beiden Gruppen gleich viel, nämlich 10 Ereignisse beobachtet (p = 0,96). Andere als kardiale Komplikationen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf, Blutungskomplikationen jedoch häufiger in der länger antithrombotisch behandelten Gruppe (3,4 % vs. 1,0 %).

Die Ergebnisse der ISAR-COOL-Studie zeigen, dass es keinesfalls sinnvoll ist, bei Hochrisiko-Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom ohne ST-Hebungsinfarkt die präinterventionelle antithrombotische Therapie zu verlängern, da dadurch wertvolle Zeit bis zur Koronarintervention verloren geht, was wiederum die Komplikationsrate vor dem Eingriff erhöht.

Quelle

Neumann FJ. ISAR-COOL: The intracoronary stenting with antithrombotic regimen cooling-off trial. 75. Jahrestagung der American Heart Association, Chicago, 20. November 2002.

Arzneimitteltherapie 2003; 21(03)