Thomas Schlunk, Tübingen*
Indikationen
Die häufigsten Indikationen der parenteralen Schmerztherapie sind:
- Ablehnung oder Aversion gegen eine notwendige orale Medikation
- Anhaltende oder rezidivierende Übelkeit und Erbrechen
- Dysphagie und Schluckstörungen
- Große allgemeine Schwäche
- Somnolenz
- Inoperabler Subileus und Ileus
- Schlechte Resorption im Magen-Darm-Trakt.
Auch eine umfangreiche orale Therapie mit mehreren Analgetika, Antiemetika und Koanalgetika, die beispielsweise im 4-Stunden-Takt verabreicht werden muss, kann schwer kranke und sterbende Patienten sowie deren pflegende Angehörige überfordern und den Ausschlag für eine parenterale Therapie geben. Gleiches gilt bei häufigen Schmerzspitzen, die beispielsweise während der Grund- und Behandlungspflege oder in der Nacht auftreten. In diesen Situationen sollten die Pflegenden (auch Laien) jederzeit, vor Pflegemaßnahmen gegebenenfalls auch prophylaktisch, eine rasch wirksame Zusatzmedikation verabreichen können, ohne dass der Kranke – zum Beispiel zur oralen Einnahme von Tropfen oder zum Einführen eines Suppositoriums – aufgeweckt werden muss.
Viele schwer kranke Patienten in derartigen Situationen benötigen – insbesondere wenn sie von Angehörigen zu Hause betreut werden – eine technisch einfache und sichere Alternative zur oralen Schmerztherapie: manchmal nur für einige Stunden, meist über Zeiträume von Tagen bis wenigen Wochen, in Einzelfällen auch monatelang.
Wenn eine orale oder sublinguale Therapie nicht möglich ist, können die Gabe von Suppositorien und wiederholte subkutane Einzelinjektionen allenfalls einen kurzen Zeitraum überbrücken. Letztere überschreiten aber bei häuslicher Pflege normalerweise die Möglichkeiten und die Belastbarkeit der Angehörigen.
Die parenterale Infusion bietet die Vorteile der sicheren Wirksamkeit und der raschen Steuerbarkeit, das heißt ein Plateau der Wirkspiegel und eine optimale Symptomkontrolle werden innerhalb weniger Stunden erreicht. Die Zeit bis zum Wirkungseintritt ist bei der subkutanen Applikation deutlich kürzer als bei einer enteralen Therapie, wenn auch etwas länger als bei einer intravenösen Infusion.
Die transdermale Schmerztherapie stellt bei den oben genannten Indikationen keine gleichwertige Alternative für einen schwer kranken oder sterbenden Patienten dar. Sie ermöglicht lediglich eine nicht invasive kontinuierliche Applikation des Opioidagonisten Fentanyl (Durogesic® Membranpflaster) unter Umgehung des Gastrointestinaltrakts. Die Dosisfindung ist träge und dauert mehrere Tage. Schmerzspitzen müssen und können mit zusätzlichen Morphin-Einzelinjektionen behandelt werden. Wenn die Symptomkontrolle neben dem Opioid ein Nichtopioid, ein Antiemetikum und/oder ein Benzodiazepin erfordert und wenn Schmerzspitzen häufig auftreten, ist Fentanyl transdermal allein nicht ausreichend.
Gültigkeit des WHO-Stufenschemas
Der synergistische, additive Effekt (die Koanalgesie) bei einer Kombination von Nichtopioid und Opioid konnte erwartungsgemäß auch für die parenterale Anwendung überzeugend gezeigt werden [1, 8, 9]. Dennoch werden bei der parenteralen Therapie Opioide oft ohne Nichtopioid eingesetzt. Dies hat folgende Gründe:
- Viele Nichtopioide stehen nicht für eine parenterale Gabe zur Verfügung (z. B. Paracetamol) oder ihre längerfristige parenterale Gabe ist wegen Nebenwirkungen umstritten (z. B. Diclofenac, Ketorolac [Amp. in Deutschland nicht mehr zugelassen], ASS-Lysin).
- Nicht jedes Nichtopioid ist mit jedem Opioid kompatibel, das heißt in einer einzigen Infusion oder Spritze mischbar und stabil. Für die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) Diclofenac und Ketorolac empfiehlt Twycross [16] deshalb die separate Gabe über eine zweite Spritzenpumpe.
- Metamizol, das in Deutschland wegen seiner guten gastrointestinalen Verträglichkeit bevorzugt als stark wirksames Nichtopioid für die Tumor-schmerztherapie eingesetzt wird, ist in vielen Ländern (u. a. England und USA) nicht verfügbar und wird daher in der angloamerikanischen Fachliteratur meistens ignoriert.
Eine parenterale Monotherapie mit Opioiden ist in vielen Situationen, insbesondere bei komatösen Patienten, ausreichend. Bei nozizeptiven Tumorschmerzen, insbesondere bei Knochenschmerzen, sollte aber nach dem WHO-Stufenschema die Möglichkeit der Kombination mit einem parenteralen Nichtopioid genutzt werden, weil eine Opioid-Monotherapie nozizeptive Schmerzen meist weniger gut kontrolliert und stärkere Nebenwirkungen hat. Das Nichtopioid ermöglicht eine bessere Schmerzkontrolle und zugleich eine deutliche Einsparung des Opioids (und dessen Nebenwirkungen), was insbesondere bei älteren Patienten wichtig sein kann.
Die Kombination Metamizol/Morphin wird im Abschnitt „Subkutan anwendbare Medikamente“ weiter besprochen.
Optimierung durch weitere Pharmaka
Besteht die Indikation zu einer parenteralen Schmerztherapie, so können zugleich weitere Symptome wie Übelkeit/Erbrechen, Unruhe, Krampfneigung behandelt werden, ohne dass die Therapiemaßnahme für den Kranken dadurch technisch aufwendiger wird. Insbesondere können Antiemetika, Sedativa, Antikonvulsiva und Glucocorticoide mit der Analgetika-Infusion kombiniert werden – Kompatibilität und Stabilität der Injektionslösungen vorausgesetzt.
Dies wird im Folgenden am Beispiel der kontinuierlichen subkutanen Schmerztherapie gezeigt, gilt aber auch für die intravenöse Schmerztherapie.
Kontinuierliche subkutane Analgetika-Infusion
Vorteile
Die kontinuierliche subkutane Schmerztherapie füllt die Lücke zwischen der oralen und der an ein Krankenhaus gebundenen invasiven Schmerztherapie. Im Gegensatz zu invasiven Verfahren kann die praktische Durchführung der subkutanen Analgetika-Infusion komplett an das Pflegepersonal (z. B. einer Sozialstation) delegiert werden.
Die kontinuierliche subkutane Infusion bietet bei Schwerkranken zahlreiche Vorteile:
- Konstante Medikamentenzufuhr und damit gleichmäßige Analgesie
- Kein intravenöser Zugang erforderlich (die subkutane Therapie kann daher zu Hause über mehrere Wochen vom Krankenpflegepersonal durchgeführt werden)
- Keine wiederholten Injektionen
- Bequem und verlässlich (ungestörte Nachtruhe, auch für die pflegenden Angehörigen!)
- Erhaltene Mobilität (bei kleiner, batteriebetriebener Pumpe)
- Füllung der Injektionsspritze meist nur einmal täglich oder seltener
- Weniger Übelkeit und Erbrechen [16]: Gründe dafür sind die konstanten Wirkspiegel der verabreichten Substanzen und die Möglichkeit, geeignete Antiemetika parenteral zu applizieren, die bei manifester Übelkeit nicht oral verabreicht werden können.
- Eine individuelle Medikamentenkombination ermöglicht die gleichzeitige Kontrolle der Symptome Schmerz, Atemnot, Husten, Schluckauf, Übelkeit/Erbrechen und Unruhe.
- Pumpen, bei denen der Patient oder die Angehörigen vom Arzt definierte Zusatzdosen auslösen können, bedeuten bei akuten Schmerzspitzen Selbstständigkeit oder zumindest geringere Abhängigkeit von Arzt und Pflegepersonal.
Subkutan anwendbare Medikamente
Tabelle 1 zeigt die sieben wichtigsten Substanzen für die kontinuierliche subkutane Infusion; in Kombination ermöglichen sie fast immer eine sehr gute Symptomkontrolle.
Metamizol. Metamizol ist indiziert und überzeugend wirksam bei Nozizeptor-Schmerzen. Diese können ohne Nichtopioid oft nicht befriedigend fkontrolliert werden (Beispiele: schmerzhafte Knochenmetastasen, abdominelle Schmerzen). Um eine entzündliche Infiltration der Subkutis möglichst zu vermeiden, verwenden wir bei subkutaner Gabe meistens Metamizol-Dosierungen von etwa 3 g/24 h (6 ml/24 h). Bei intravenöser Infusion (siehe Abschnitt „Intravenöse Schmerztherapie“) sind Dosierungen bis 6 g/24 h (12 ml/24 h) möglich.
Morphin. Morphin ist als reiner Agonist zu Recht das Standard-Opioid. Eine orale (oder rektale) Vorbehandlung mit Morphin wird wie folgt umgerechnet: Orale (oder rektale) Tagesdosis : 2 = subkutane Tagesdosis. Bei Vortherapie mit einem anderen Opioid errechnet man zuerst die äquianalgetische orale Morphin-Tagesdosis und dividiert diese dann durch 2.
Haloperidol. Haloperidol ist das Standard-Antiemetikum bei zentral bedingter Übelkeit. Man beginnt üblicherweise mit einer Tagesdosis zwischen 2 und 5 mg. Nur selten benötigt ein Patient mehr als 10 mg (2 ml) Haloperidol/24 h. In Extremfällen kann man bis zu 20 mg (4 ml)/24 h geben. Große Unruhe, Albträume und auch eine Akathisie können als unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, auch schon bei niedriger Dosierung.
Metoclopramid. Metoclopramid eignet sich als prokinetisches Antiemetikum bei Magenentleerungsstörung. Bei inoperablem Ileus ist Metoclopramid kontraindiziert.
Midazolam. Midazolam dient als wasserlösliches Benzodiazepin zur Sedierung: Bezogen auf mg wirkt Midazolam doppelt so stark sedierend wie Diazepam. Midazolam ist wegen seiner kurzen Halbwertszeit (1,5 bis 2,5 Stunden) gut steuerbar. Wenn eine Sedierung zusätzlich zu einer laufenden Schmerztherapie, zum Beispiel wegen starker Unruhe, erforderlich wird oder wenn eine Anxiolyse erwünscht ist, beginnt man oft mit 10 mg (2 ml) Midazolam/24 h. Erst wenn der Effekt dieser Dosierung bei dem Patienten individuell beurteilt werden kann, darf die Tagesdosis weiter gesteigert werden. Manchmal werden 20 mg (4 ml)/24 h und mehr benötigt. Midazolam s. c. kann auch eine oral nicht mehr durchführbare antikonvulsive Therapie ersetzen, sodass auf die intravenöse Infusion eines Antikonvulsivums verzichtet werden kann.
Hydrocodon. Hydrocodon eignet sich als starkes Antitussivum zur Linderung von quälendem Hustenreiz, und zwar als Agonist auch in Kombination mit anderen Opioidagonisten. Seine antitussive Wirkung ist stärker als die von Morphin (in äquianalgetischer Dosierung). Einzelne Patienten benötigen Hydrocodon-Tagesdosen bis 60 mg (4 ml)/24 h und höher.
Butylscopolamin. Butylscopolaminiumbromid kann als Spasmolytikum zur Linderung schmerzhafter Krämpfe im Bereich von Magen, Darm, Gallenwegen, ableitenden Harnwegen sowie des weiblichen Genitale eingesetzt werden, zum Beispiel in palliativer Indikation bei inoperablem Ileus. Eine Kombination mit Metoclopramid ist pharmakologisch unsinnig.
In Einzelfällen ist die Gabe eines Glucocorticoids in Verbindung mit einer parenteralen Schmerztherapie indiziert und sinnvoll. Weil Dexamethason bei der Mischung mit anderen Medikamenten leicht ausfällt, wird stattdessen Prednisolon verwendet. Der Inhalt der Solu-Decortin®-H-Trockenampullen kann direkt in Metamizol-Injektionslösung gelöst werden. 25 mg Prednisolon entsprechen 4 mg Dexamethason.
Auswahl einer geeigneten Pumpe
Wichtige Kriterien für die Wahl einer Pumpe (die in Deutschland dem Medizinproduktegesetz MPG, Gruppe 2 B, unterliegt) sind:
- Einfache Bedienung: Die Einweisung kooperierender Krankenpflegepersonen und Ärzte, die die häusliche Betreuung des Patienten übernehmen, sollte nicht länger als 15 Minuten dauern
- Möglichkeit zur Gabe definierter Zusatzgaben (andernfalls müssen Schmerzspitzen durch subkutane Einzelinjektionen kupiert werden)
- Kosten der Pumpe und der benötigten Einmalmaterialien
- Pumpsysteme mit vorgegebener (oder nur in großen Schritten verstellbarer) Flussrate sind für eine Schmerztherapie wenig geeignet, weil sie eine engmaschige und individuelle Anpassung der Dosierung an das aktuelle Schmerzniveau erschweren.
- Wenn das Füllen von Medikamentenkassetten an eine Apotheke delegiert werden muss, leidet darunter die Flexibilität der individuellen Therapie. Das Gleiche gilt für große Medikamentenkassetten, deren Inhalt für viele Tage reicht.
An der Klinik des Autors und im Tübinger Projekt „Häusliche Betreuung Schwerkranker“ wird seit zehn Jahren die in England verbreitete Graseby-MS-26-Spritzenpumpe (Abb. 1) verwendet; sie kann wegen des günstigen Preis-Leistungs-Verhältnisses und der geringen Kosten für Einmalmaterialien empfohlen werden. Das für zu Hause betreute Patienten wichtigste Argument zugunsten dieser einfachen Spritzenpumpe ist die anschauliche Funktionsweise: Auch Pflegepersonen, die die kontinuierliche subkutane Schmerztherapie noch nicht kennen, und sogar interessierte Laien können die praktische Handhabung dieser Pumpe und die individuelle Zubereitung der Infusionslösung in der Wohnung des Patienten in kurzer Zeit erlernen.
Berechnung und individuelle Anpassung der kombinierten subkutanen Schmerztherapie
Die Einzelheiten der Verordnung richten sich nach der verwendeten Pumpe (Größe der Spritze oder Medikamentenkassette, Einstellung der Laufgeschwindigkeit, Definition der Zusatzgabe). Bei labiler Symptomatik ist es notwendig, die Therapie engmaschig zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren. Folgende Punkte sind zu beachten:
- Welche Tagesdosis jeder einzelnen Komponente soll verabreicht werden (Orientierung an der Vortherapie!)? Die Summe ergibt das Volumen der Tagestherapie (ml/24 h).
- Wenn möglich, wird ein größeres Volumen für die Pumpenfüllung gewählt, damit eine Füllung auch dann für mehr als 24 Stunden ausreicht, wenn mehrere Zusatzgaben benötigt werden. Das Volumen zur Entlüftung des Schlauchs (je nach Durchmesser und Länge bis zu 3 ml) geht verloren.
- Bei der Pumpenfüllung hält man sich möglichst an die verfügbaren Ampullengrößen. Dadurch ergeben sich bei den Tagesdosen häufig Stellen hinter dem Komma.
- Morphin-Injektionslösungen: Es werden möglichst Ampullen mit 20 mg/ml verwendet, um Volumen zu sparen.
- Zur Kupierung von Schmerzspitzen und als Sicherheit bei Schmerzzunahme werden Zusatzgaben definiert. Die Wirkung von Extradosen in der Größenordnung von 10 % der Tagesdosis beginnt nach zehn Minuten und hält für zwei bis vier Stunden an. Die wiederholte Auslösung von Zusatzgaben ist notwendig und sinnvoll, wenn eine Zusatzgabe nicht ausreichend geholfen hat.
- Wenn die Dosierung nicht (mehr) ausreicht oder zu hoch ist, kann man einfach die Laufgeschwindigkeit der Pumpe erhöhen oder vermindern, sofern die Dosisänderung für alle Medikamente sinnvoll oder zumindest vertretbar ist. Will man gezielt eine Komponente steigern oder reduzieren, zum Beispiel Morphin, so muss die Zusammensetzung der Mischspritze geändert werden. Bei instabiler Symptomatik sollte daher die Pumpenfüllung nicht für zu viele Tage berechnet werden, damit die individuelle Medikamentenmischung engmaschig verändert und optimiert werden kann.
- Benötigt ein mit Fentanyl-Membranpflaster behandelter Patient in der Finalphase eine parenterale Schmerztherapie und Symptomkontrolle, dann ist es oft sinnvoll, die transdermale Fentanyltherapie in der alten Dosierung weiterzuführen und den ansteigenden Opioidbedarf in Form von Morphin (parenteral in einer Mischinfusion) zu ergänzen. Beispiel: Bisherige Opioidtherapie: Durogesic® 150 μg/h. Äquianalgetische Morphindosis: 360 mg oral/24 h oder 180 mg subkutan/24 h. Um die Opioiddosierung um 1/3 zu steigern, erhält dieser Patient zusätzlich zu seinem Fentanylpflaster Morphin 60 mg/24 h in einer subkutanen Mischinfusion. Später erforderlichenfalls weitere Dosissteigerungen von Morphin in der Infusion.
Praktische Tipps zur subkutanen Infusion
Die Beachtung der nachfolgend aufgeführten Punkte erleichtert die praktische Durchführung der subkutanen Infusion:
- Dünne, lange Butterfly-Kanülen (25 G, 19 mm) eignen sich am besten. Sie werden in flachem Winkel (etwa 10 °) in die Haut eingestochen (Nadel vorher abbiegen, damit die Butterfly-Flügel eben auf der Haut liegen und gut fixiert werden können). Günstige Infusionsorte sind die Bauchhaut, bei bettlägerigen Patienten auch die Oberschenkel. Die Infusionsstelle soll nicht durch die Kleidung (z. B. Gürtel) eingeengt oder gerieben werden. Man befestigt die Flügel und etwa 10 cm vom Schlauch der Butterfly-Kanüle mit Fixomull oder Ähnlichem auf der Haut und schützt die Einstichstelle zum Beispiel mit einer Mullkompresse.
- Die Infusionsstelle ist mehrmals täglich genau zu inspizieren. Wenn sich beispielsweise eine deutliche Rötung oder Infiltration zeigt, wird eine neue Butterfly-Kanüle an einer anderen Stelle gelegt. Nur wenn der Infusionsort reizlos ist, darf eine weitere volle Spritze über die gleiche Butterfly-Kanüle appliziert werden.
- Bei Verwendung von Metamizol muss etwa alle 48 Stunden eine neue Butterfly-Kanüle an einer neuen Stelle gelegt werden, weil sich in der Subkutis als Reaktion auf die hoch konzentrierte Lösung Infiltrate bilden, wenn der Infusionsort über längere Zeit nicht gewechselt wird. Je Infusionsstelle sollen nicht mehr als 7,5 g Metamizol (15 ml der 50%igen Injektionslösung) appliziert werden. Eine Mischung mit anderen Injektionslösungen oder eine zusätzliche Verdünnung mit NaCl-Lösung 0,9 % (sinnvoll bei starker Infiltratbildung) verbessern die Verträglichkeit der subkutanen Metamizol-Infusion, die bei verschiedenen Patienten unterschiedlich ist. Bei Metamizol-freier Infusion kann die Nadel oft eine Woche lang an einer Stelle verbleiben.
- Bei manchen Patienten bilden sich deutliche Infiltrate am Infusionsort. Dann ist es sinnvoll, täglich eine neue Butterfly-Kanüle an einer anderen Stelle zu legen. Zusätzlich bewährt es sich, Hyaluronidase (Hylase® „Dessau“ 150 I. E. in 1 ml NaCl-Lösung 0,9 %) in jede neu gelegte Butterfly-Kanüle vorzuspritzen. Eventuell kann zusätzlich der Inhalt einer Trockenampulle Solu-Decortin® H 10 oder -25 in Metamizol aufgelöst werden, so dass die volle Spritze bei gleichem Volumen zusätzlich 10 oder 25 mg Prednisolon enthält. Hyaluronidase verbessert und beschleunigt die subkutane Verteilung und Resorption der Infusionslösung durch enzymatische Auflockerung der Interzellulärbrücken, Prednisolon unterdrückt die Infiltratbildung aufgrund seiner antiphlogistischen Wirkung.
Intravenöse Schmerztherapie
Hat ein Patient einen sicheren (zentral-)venösen Zugang, zum Beispiel einen i. v. Port, so kann eine parenterale Schmerztherapie in ähnlicher Weise, wie für die subkutane Gabe beschrieben, kontinuierlich mit Pumpe über diesen venösen Zugang erfolgen. Die Laufgeschwindigkeit zum Offenhalten eines i. v. Ports sollte 15 ml/24 h nicht unterschreiten.
Periphere Venenkanülen haben für eine Betreuung zu Hause den entscheidenden Nachteil, dass ein zuverlässiger Venenzugang kaum über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten ist. Sie eignen sich daher bei ambulanter Behandlung nur kurzfristig in Sonderfällen, bei denen Probleme mit der subkutanen Infusion auftreten.
Patienten-kontrollierte Analgesie (PCA)
Bei der Patienten-kontrollierten Analgesie (PCA) kann der Patient innerhalb bestimmter Grenzen die Intervalle für die Einnahme oder Injektion einer vom Arzt festgelegten Dosis eines Medikaments (oder mehrerer Medikamente) selbst bestimmen. Die PCA wird üblicherweise intravenös mit programmierbaren Spritzenpumpen durchgeführt. Sie bietet große Vorteile für die perioperative Schmerztherapie, wird aber auch bei Tumorpatienten mit Erfolg eingesetzt. Die perioperative PCA arbeitet wegen der schwer voraussagbaren individuellen Schmerzstärke oft ausschließlich mit Bolusgaben, während bei chronischen Tumorschmerzen in der Regel eine kontinuierliche Infusion (Basalrate) mit Bolusgaben kombiniert wird. Voraussetzung für eine PCA sind Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft des Patienten.
Die beschriebene kontinuierliche subkutane Analgetika-Infusion bei Patienten in der Präfinal- und Finalphase entspricht prinzipiell auch einer PCA, jedoch mit zwei Besonderheiten:
- Die Basalrate entspricht dem aus der Vortherapie bekannten individuellen Analgetikabedarf, der zur Kontrolle des „Dauerschmerzes in Ruhe” notwendig ist.
- Die Kontrolle über die zusätzlichen Bolusgaben geht vom Patienten auf die pflegenden Angehörigen oderauf die Krankenpflegepersonen über. Diese lösen die Boli für den Patienten aus, entweder bei erkennbaren Anzeichen von Schmerzspitzen oder auch prophylaktisch vor Maßnahmen wie Lagern und zum Beispiel Verbandswechsel, die erfahrungsgemäß zu einer Schmerzzunahme führen.
Schlussfolgerungen
Die parenterale Schmerztherapie stellt einen wichtigen Sonderfall der systemischen Pharmakotherapie dar:
- Sie ist indiziert bei schwer kranken Patienten, die nicht (mehr) oral behandelt werden können.
- Sie ermöglicht die kombinierte Gabe von Nichtopioid, Opioid, Antiemetikum und gegebenenfalls Sedativum.
- Sie ist optimal steuerbar und individuell variierbar, so dass auch komplexe Symptomkonstellationen verlässlich innerhalb weniger Stunden beherrschbar sind.
- Sie eignet sich – insbesondere als kontinuierliche subkutane Infusion – zur häuslichen Betreuung schwer kranker und sterbender Menschen.
- Ihre praktische Durchführung kann vollständig an Pflegepersonen delegiert werden.
- Der Zeitraum einer parenteralen Schmerztherapie liegt meist im Bereich von wenigen Tagen bis zu mehreren Wochen.
Literatur
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4. Lichter I, Hunt E. Drug combinations in syringe drivers. N Z Med J 1995;108:224.
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6. Meuret G, Jocham H. Patient-controlled analgesia (PCA) in the domiciliary care of tumour patients. Cancer Treat Rev 1996;22(Suppl A):137.
7. Middleton RK, Lyle JA, Berger DL. Ketorolac continuous infusion: a case report and review of the literature. J Pain Symptom Manage 1996;12:190.
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9. O’Hara DA, Fanciullo G, Hubbard L, Maneatis T, et al. Evaluation of the safety and efficacy of ketorolac versus morphine by patient-controlled analgesia for postoperative pain. Pharmacotherapy 1997;17:891.
10. Ripamonti C, Bruera E. Current status of patient-controlled analgesia in cancer patients. Oncology (Huntingt.) 1997;11:373.
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12. Schlunk T. Schmerztherapie bei Tumorpatienten. In: Bokemeyer C, Lipp HP (Hrsg.). Praktische Aspekte der supportiven Therapie in Hämatologie und Onkologie. Berlin/Heidelberg/New York: Springer, 1998:131–56.
13. Schlunk T, Friess D, Winterhalder D. Kontinuierliche subkutane Schmerztherapie mit peripher und zentral wirkenden Analgetika. Med Welt 1994;45:553.
14. Shaw HL. Treatment of intractable cancer pain by electronically controlled parenteral infusion of analgesic drugs. Cancer 1993;72(Suppl 11):3416.
15. Storey P, Hill HH Jr, St. Louis RH, Tarver EE. Subcutaneous infusions for control of cancer symptoms. J Pain Symptom Manage 1990;5:33.
16. Twycross RG. Pain relief in advanced cancer. Edinburgh: Churchill Livingstone, 1994.
17. Walsh TD, Smyth EMS, Currie K, Glare PA, et al. A pilot study, review of the literature, and dosing guidelines for patient-controlled analgesia using subcutaneous morphin sulphate for chronic cancer pain. Palliat Med 1992;6:217.
18. Zachrisson U, Furst CJ. Drug infusors in palliative medicine: a Swedish inquiry. J Pain Symptom Manage 1998;15:299.

* Nachdruck aus Zenz M, Donner B. Schmerz bei Tumorerkrankungen. Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2002.
Dr. Thomas Schlunk, Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus, Paul-Lechler-Str. 24, 72076 Tübingen.
Tab. 1. Substanzen zur kontinuierlichen subkutanen Infusion
Substanz* |
Konzentration [mg/ml] |
Übliche Tagesdosis [mg/24 h] |
Volumen pro 24 h [ml/24 h] |
Metamizol** |
500 |
3 000–4 000 |
6–8 |
Morphin |
20 |
≥ 10 |
≥ 0,5 |
Haloperidol |
5 |
2–10 |
0,4–2 |
Metoclopramid |
5 |
20–50 |
4–10 |
Midazolam |
5 |
≥ 10 |
≥ 2 |
Hydrocodon |
15 |
15–45 |
1–3 |
Butylscopolaminiumbromid |
20 |
20–80 |
1–4 |
*Die genannten Präparate sind untereinander in beliebigem Verhältnis mischbar und stabil. **Metamizol-haltige Medikamentenlösungen verfärben sich innerhalb von 24 Stunden gelblich, was die Wirksamkeit aber nicht beeinträchtigt. |

Abb. 1. Injektionsspritzenpumpe Graseby-MS-26. Für die kontinuierliche parenterale Schmerztherapie ist der Spritzenantrieb Graseby-MS-26 in Verbindung mit 30-ml-Omnifix-Spritzen (Luer-Lock) (B. Braun Melsungen) empfehlenswert.
Tab. 2. Verordnungsbeispiel für eine kontinuierliche subkutane Schmerztherapie bei einem 58-jährigen Patienten mit ossär metastasiertem Prostatakarzinom (siehe Fallbeispiel)
Anordnungsdatum, Unterschrift |
Gültig ab |
Substanzen (Ampullen) |
Volumen für neue 30-ml-Spritze* |
Injiziertes Volumen pro 24 h |
Injizierte Dosis pro 24 h |
mm pro 24 h |
10.7.98 |
10.7.98 |
Metamizol + Morphin (2 %) + Haloperidol + Metoclopramid Summe = |
10 ml 10 ml 1 ml 4 ml 25 ml |
7,0 ml 7,0 ml 0,7 ml 2,8 ml 17,5 ml |
3 500 mg 140 mg 3 mg 14 mg |
45* |
Zusatzdosis = 17 Töne = 1/10 Tagesdosis |
||||||
18.7.98 |
18.7.98 |
Metamizol + Morphin (2 %) + Haloperidol + Midazolam Summe = |
5 ml 15 ml 1 ml 4 ml 25 ml |
6,0 ml 18,0 ml 1,2 ml 4,8 ml 30,0 ml |
3 000 mg 360 mg 6 mg 24 mg |
78* |
Zusatzdosis = 30 Töne = 1/10 Tagesdosis |
||||||
*Bei der 30-ml-Omnifix-Spritze entspricht 1 ml Volumen 2,6 mm Kolbenhub. Bei der Zusatzdosis entspricht 1 Ton einem Kolbenhub von 0,23 mm und einem |
Fallbeispiel
Ein 58-jähriger Mann mit ossär metastasierendem Prostatakarzinom, der zu Hause von seiner Ehefrau und weiteren Angehörigen gepflegt wird, leidet unter starken Knochenschmerzen und tumorbedingten Kopfschmerzen. Seine bisherige orale Therapie lautet: Diclofenac 3-mal 50 mg; Retard-Morphin 3-mal 90 mg; Metoclopramid 3-mal 10 mg; Ranitidin 1-mal 300 mg. Aufstoßen, Brechreiz und Erbrechen erschweren und gefährden eine verlässliche orale Schmerztherapie, kurzfristige Schmerzspitzen sind nicht beherrschbar. Es wird daher eine kontinuierliche subkutane Schmerztherapie zunächst mit vergleichbarer Morphin-Dosierung (140 mg s. c./Tag entsprechen 280 mg oral/Tag) begonnen. Zur Behandlung der Schmerzspitzen werden Zusatzgaben (etwa 10 % der Tagesdosis) definiert. Tabelle 2 zeigt die erste Verordnung für die Graseby-MS-26-Spritzenpumpe.
Mit dieser subkutanen Therapie kann der Patient in den Nächten endlich wieder schlafen, ist im Liegen schmerzfrei und hat nur noch beim Aufstehen Schmerzen. Die Übelkeit sistiert: Der Kranke kann nach einem Tag wieder essen und Astronautenkost zu sich nehmen. Weil täglich bis zu 6 Zusatzgaben benötigt werden, wird Morphin am 4. Tag und dann erneut am 5. Tag höher dosiert. Ab dem 6. Tag wird wegen starker Unruhe mit Midazolam kombiniert. Der Zustand des Kranken verschlechtert sich, dementsprechend werden Morphin und Midazolam höher dosiert. Die für den Patienten individuell angepasste fünfte Verordnung (am 9. Tag) ist wiederum in Tabelle 2 aufgeführt.
Der Kranke verstirbt am 15. Tag zu Hause.
Arzneimitteltherapie 2003; 21(04)