Die COPD – eine große Unbekannte


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Eine der verbreitesten Krankheiten ist die Diagnose“, so ein Aphorismus des österreichischen Schriftstellers Karl Kraus ( 1874 - 1936). Mit diesem geistreichen, knapp formulierten Gedanken wollte er zum Ausdruck bringen, dass nicht jede wohl formulierte Diagnose Krankheitsrelevanz hat, ja dass Patienten auf dem Papier oft kränker sind als sie sich fühlen. Sicherlich im Zeitalter von DRG-Strategien eine Aussage von besonderer Aktualität.

Im Umkehrschluss besagt dieses Zitat jedoch auch, dass nur die Krankheit existiert, die diagnostiziert wird. Und damit wären wir beim eigentlichen Thema, nämlich der COPD, einer der teuersten (geschätzte Gesamtkosten etwa 8 Mrd. € jährlich) Zivilisationskrankheiten. Nach neueren epidemiologischen Erhebungen dürften 3 bis 4 % aller über 18-Jährigen in den westlichen Industrieländern betroffen sein, in Deutschland sind es etwa 5 Mio. Menschen. Da der Anteil der COPD-Patienten mit dem Alter und den konsumierten Zigaretten kontinuierlich steigt, sind sogar 10 bis 12 % der über 55-Jährigen betroffen. Somit gehört diese Erkrankung zum alltäglichen Brot des praktischen bzw. Allgemeinarztes.

Trotz dieser erschreckenden Zahlen ist die COPD in der medizinischen Versorgung weithin eine große Unbekannte. Besonders groß sind die Defizite bei der Frühdiagnostik. Fast alle Allgemein- und praktischen Ärzte verfügen über ein EKG-Gerät, ein Spirometer gehört jedoch zu den exquisiten Gegenständen einer Praxis. Die Auswertung einer kleinen Lungenfunktionsprüfung ist andererseits einfacher ist als die richtige Interpretation eines EKGs. Deshalb lautet die Forderung der Gesellschaft für Pneumologie, alle Hausarztpraxen flächendeckend mit einem Spirometer auszustatten, um COPD-Patienten möglichst frühzeitig erfassen und therapieren zu können. Zur Zeit wird die Diagnose in vielen Fällen erst Jahrzehnte nach Beginn der Erkrankung gestellt; denn die Initialsymptome Husten und Auswurf werden als selbstverständliche Begleitphänomene des Rauchens bagatellisiert. Genauso wichtig wie die Früherkennung ist jedoch auch die Prävention; denn die Wurzel allen Übels ist das Rauchen. So wäre die Erkrankung bei 90 % der Fälle vermeidbar. Die besondere Bedeutung der Primärprävention ergibt sich auch daraus, dass die Therapie mit Bronchodilatatoren, Glucocorticoiden und Antibiotika zwar auf die Symptome der akuten Exazerbation wirkt, jedoch das Fortschreiten der Erkrankung nur wenig beeinflusst. Es gibt also bisher keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass durch die eingesetzten Substanzen der chronische Verlauf der Erkrankung, der unweigerlich zum Emphysem und zur kardiopulmonalen Insuffizienz führt, aufgehalten werden kann.

Nun soll mit Disease-Management-Programmen die Versorgung von COPD-Patienten optimiert werden, sicherlich ein begrüßenswerter Ansatz. Ob durch eine Implementierung solcher DMPs neben positiven medizinischen auch günstige Effekte im Sinne einer Kostenstabilisierung oder sogar Einsparungen zu erzielen sind – wie die Politik erhofft – ist jedoch mehr als fraglich. Angesichts der steigenden Prävalenz der Erkrankung dürften wohl eher Mehrkosten entstehen, zumal eine Frühdiagnostik auch einen früheren Therapiebeginn nach sich zieht. Somit ist auch die COPD ein Beweis für die These, die viele Politiker und Gesundheitsökonomen allerdings nicht wahrhaben wollen: Je besser die Medizin ist, umso teurer wird sie sein.

Für die COPD jedoch gilt, dass bei kaum einer anderen Erkrankung eine so einfache und sichere Prävention möglich ist, nämlich durch die Bekämpfung des Rauchens. Dass Deutschland zusammen mit Österreich und Dänemark das EU-weite Werbeverbot verhindert, muss gesundheitspolitisch als Skandal bewertet werden. Deshalb ist es auch kaum vorstellbar, dass sich die Politik zu drastischeren Maßnahmen wie Tabaksteuererhöhung, Kriminalisierung der Tabakwerbung, Maßnahmen gegen den Schwarzhandel oder Automatenverbot durchringen könnte.

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