Consensus-Bericht*, im Auftrag des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie herausgegeben von Pierre Federspil, Homburg
1999 wurden die folgenden Leitlinien durch eine Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie erarbeitet und durch ein Delphi-Verfahren ergänzt. 2002 erfolgte die Aktualisierung durch die Mitglieder der Konsensuskonferenz, des Präsidiums der Arbeitsgemeinschaft HNO-Infektiologie der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie und des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Die Leitlinien betreffen die Antibiotika-Therapie der bakteriellen Infektionen an Hals, Nase und Ohren unter Berücksichtigung des zu erwartenden Erregerspektrums, der mikrobiologischen und klinischen Antibiotika-Wirksamkeit und der Wirtschaftlichkeit. Nach Hinweisen auf grundsätzliche Prinzipien werden die verschiedenen Infektionen mit den verursachenden Erregern und den zur Therapie in Frage kommenden Antibiotika in tabellarischer Form dargestellt (Tab. 1 bis 3). Dabei wird zwischen dem Antibiotikum oder den Antibiotika erster Wahl und den Alternativen unterschieden. In Tabelle 4 sind die Dosierungen der oralen und parenteralen Antibiotika bei Erwachsenen und Kindern angegeben. Im Anhang werden die verschiedenen Antibiotika-Gruppen nach ihrem antibakteriellen Spektrum und ihrer Pharmakokinetik charakterisiert, wobei die Unterschiede zwischen den älteren und neueren Vertretern einer Gruppe aufgezeigt werden.
Die Infektionen an Hals, Nase und Ohren erfordern in der täglichen Praxis am häufigsten den Einsatz von Antibiotika.
Zu einer optimalen Antibiotika-Therapie gehören die richtige Diagnosestellung, die kritische Indikation zum Einsatz von Antibiotika, die Wahl des am besten geeigneten Antibiotikums und die Verlaufskontrolle mit Festlegung der Behandlungsdauer. Die kritische Indikationsstellung dient nicht nur dem Patienten, sondern auch der Allgemeinheit durch Verringerung von Kosten und Antibiotika-Resistenzen, da diese besonders in Ländern mit großem Antibiotika-Verbrauch hoch sind. Neben den klinischen Symptomen können ein Abstrich mit Direktpräparat und Kultur und eine Bestimmung der Leukozyten, BSG-, und CRP-Werte zur Diagnostik und Verlaufsbeobachtung wesentlich beitragen.
Eine virale Infektion wird nicht antibiotisch behandelt. Auch ist eine leichte akute bakterielle Rhinitis, Laryngitis oder Bronchitis bei einem immunkompetenten Patienten in der Regel keine Indikation für eine Antibiotika-Therapie.
Nach dem Erregerspektrum einer Infektion können im Allgemeinen mehrere Antibiotika wirksam sein. Bei der Wahl des jeweils geeigneten Antibiotikums sind Schweregrad der Krankheit, Abwehrlage, Alter, bekannte Allergien, Leber- und Nierenfunktionsstörungen des Patienten, Wirkungsspektrum, Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen von Substanzen sowie der Preis in Betracht zu ziehen, ebenso das Bestreben, wenn möglich mit einem Schmalspektrum-Antibiotikum zu behandeln.
Die Leitlinien für die Therapie der Infektionen an Kopf und Hals werden aufgrund der diese Infektionen am häufigsten verursachenden Erreger und des Wirkungsspektrums der verschiedenen Antibiotika formuliert (kalkulierte Therapie).
Das Optimum einer Erregerisolierung mit Grampräparat und Kultur vor der Therapie einer Infektion mit unbekanntem verursachendem Erreger ist zumindest bei Patienten mit schweren Infektionen mit mehreren, unterschiedlich empfindlichen Erregern oder mit Abwehrschwäche anzustreben und ist auch aus Gründen der Überwachung der Resistenzsituation von Vorteil. Bei mittelschweren Infektionen leistet die Entnahme eines Ausstrichs zur Erzielung eines Direktpräparates mit Gramfärbung wertvolle Dienste, da bei akuten Mittelohr-, Nasennebenhöhlen- oder Bronchialinfektionen durch das Ergebnis einer Gramfärbung zwischen den häufigsten pathogenen Erregern, zum Beispiel grampositiven Diplokokken (Pneumokokken), und gramnegativen Stäbchen (Haemophilus influenzae) unterschieden werden kann oder zum Beispiel zwischen grampositiven Haufenkokken (Staphylococcus) und gramnegativen Stäbchen (Pseudomonas) in Fällen von Otitis externa oder chronischer Otitis media, wodurch die Antibiotika-Therapie gezielter und preiswerter zu gestalten ist. Dieses Vorgehen, das auf der kalkulierten Therapie basiert und den Befund des Grampräparates berücksichtigt, wurde superkalkulierte Therapie genannt. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine sichere Beurteilungsfähigkeit von Grampräparaten.
Ob oral oder parenteral antibiotisch behandelt werden soll, hängt vom Schweregrad der Infektion und von den individuellen Applikationsvoraussetzungen ab. Bei schwerkranken Patienten sollte bei der „Entscheidung des ersten Tages“ die Wahrscheinlichkeit, den noch unbekannten verursachenden Erreger zu treffen, möglichst groß sein. In Kenntnis des vorliegenden Behandlungsergebnisses sowie des Ausstrich-, Kultur- und Antibiogrammbefundes wird die eingeleitete Antibiotika-Therapie 48 bis 72 Stunden später nochmals überdacht und in einer zweiten Entscheidung, also in der „Entscheidung des dritten Tages“, eventuell gezielter gestaltet.
Durch Neuentwicklungen antibiotischer Substanzen hat sich der Indikationsbereich der oralen Therapie erweitert, sodass heute gewisse Antibiotika gegebenenfalls auch bei schweren Krankheiten oral verabreicht werden können, zum Beispiel Fluorchinolone. Aus toxikologischen und finanziellen Gründen sollte die orale Therapie immer bevorzugt werden, wenn eine ausreichende Wirksamkeit zu erwarten ist.
Grundsätzlich ist eine Antibiotika-Therapie nach drei bis vier Tagen zu überprüfen. Spricht die Antibiotika-Therapie nicht an, kommen folgende Ursachen in Frage:
1. den Erreger betreffend:
- der isolierte Erreger ist nicht der (alleinige) ursächliche Erreger (Kontamination, Mischinfektion);
- bei fehlender Erregerisolierung an Infektionen durch Mykoplasmen, Chlamydien, Legionellen, Anaerobier usw. denken;
- eine Resistenzentwicklung unter der Therapie (selten);
- es liegt keine bakterielle Infektion vor (Virus- oder Pilzinfektion);
- es liegt überhaupt keine Infektion vor (Kollagenose, Tumor, Medikamentenfieber, Hyperthyreose) (selten).
2. die Antibiotika betreffend:
- falsches Antibiotikum (vor allem bei fehlender Erregerisolierung);
- fehlerhafte Resistenzbestimmung (häufiger als angenommen);
- Nichtbeachten der pharmakokinetischen Eigenschaften (Gewebegängigkeit, Einnahme vor oder mit den Mahlzeiten, usw.).
3. den Patienten betreffend:
- Alter
- Immundefizienz (angeboren, Tumor, immunsuppressive Therapie usw.);
- Fremdkörper (Katheter, Shunt, Implantat);
- schlechte Compliance (bei ambulanter Therapie).
4. die Indikation betreffend:
- chirurgische Indikation.
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