Rekonstruktion osteoporotischen Knochengewebes mit Teriparatid


Johann D. Ringe und T. N. Nickelsen, Leverkusen

Alle derzeit verfügbaren modernen Osteoporose-Therapeutika mit ausreichend belegter Frakturwirksamkeit sind Antiresorptiva. Diese können zwar ein weiteres Fortschreiten des Knochenstrukturverlusts verhindern, vermögen aber nicht, den im Rahmen der Erkrankung bereits eingetretenen Konnektivitätsverlust wieder rückgängig zu machen. Mit dem vor kurzem in den USA zugelassenen kurzkettigen Parathormonfragment Teriparatid (hPTH 1–34) steht der medizinischen Praxis erstmals eine Substanz mit gesicherter fraktursenkender Wirkung zur Verfügung, die die Knochen-Neubildung direkt stimuliert. Obwohl dabei, bedingt durch die physiologische Koppelung beider Prozesse, zugleich auch die Knochenresorption angeregt wird, resultieren daraus eine rasche Nettozunahme der Knochendichte und eine hochsignifikante Reduktion sowohl des vertebralen als auch des extravertebralen Frakturrisikos. In einer großen, prospektiven, Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudie an 1 637 postmenopausalen Frauen mit manifester Osteoporose nahm die Knochendichte im LWS-Bereich bei täglicher Gabe von 20 μg Teriparatid über durchschnittlich 20 Monate um 9,7 % zu. Gleichzeitig wurden gegenüber der mit Calciumsalzen und Vitamin D behandelten Vergleichsgruppe Senkungen der Osteoporose-bedingten Frakturraten beobachtet, die mit 68 % für Wirbelfrakturen und 53 % für extravertebrale Frakturen den Effekten der existierenden Antiresorptiva in vergleichbaren Studien quantitativ überlegen sein dürften. Untersuchungen von Beckenkamm-Biopsien aus derselben Studie zeigten eine morphologisch und statistisch hochsignifikante Rekonstruktion der krankheitsbedingt vorgeschädigten knöchernen Mikroarchitektur. So stieg im Vergleich zur Kontrollgruppe die trabekuläre Dichte um 60 % und die trabekuläre Neuvernetzung um 40 %; gleichzeitig nahm die Kortikalisdicke des Beckenkamms um 29 % zu. Mit Teriparatid (Forsteo®) scheint damit die Möglichkeit, die Osteoporose-bedingte Knochendestruktion in schweren, fortgeschrittenen Fällen umzukehren, erstmals in greifbare Nähe gerückt.
Arzneimitteltherapie 2003;21:194-9.

Die Osteoporose ist die häufigste metabolische Knochenerkrankung und eine der häufigsten Krankheiten überhaupt. Mit der zunehmenden Verschiebung der Alterspyramide in den Industrienationen nimmt ihre epidemiologische – und mit ihr die sozioökonomische – Bedeutung ständig zu. Wiederholte osteoporotisch bedingte Frakturen führen bei älteren Menschen häufig zu Hospitalisierungen, zu Langzeitmorbidität mit Pflegebedürftigkeit [1, 2] und zu gesteigerter Mortalität [3–5]. Die lange Latenz zwischen dem asymptomatischen Beginn der Erkrankung und ihrem Manifestwerden mit der ersten atraumatischen Fraktur wirft in der gegenwärtigen Ära knapper Gesundheitsbudgets zunehmend Probleme im praktischen Management von Diagnostik und Therapie auf. Zwar ist jede Osteoporose – auch im asymptomatischen Frühstadium – zuverlässig diagnostizierbar, die hierfür notwendigen diagnostischen Maßnahmen werden jedoch aus Kostengründen von den öffentlichen Krankenkassen nicht mehr getragen. Die hieraus resultierende Folge wird unzweifelhaft eine Zunahme derjenigen Fälle sein, die erst im Spätstadium, d. h. nach einer oder sogar erst nach mehreren Frakturen, einer adäquaten ärztlichen Betreuung mit der erforderlichen Diagnostik und Therapie des Grundleidens zugeführt werden. Damit steigt auch die Notwendigkeit für Therapieformen, die selbst in diesen Stadien noch eine möglichst weitgehende Minderung des stark gesteigerten Frakturrisikos und – wenn möglich – eine gewisse Wiederherstellung von mechanisch normal belastbarem Knochengewebe erreichen können.

Obwohl im Lauf der letzten zehn Jahre mehrere potente Medikamente mit gut belegter antiosteoporotischer Wirksamkeit entwickelt wurden, deren fraktursenkende Effekte in großen, höchsten EBM-Kriterien genügenden Studien zweifelsfrei nachgewiesen sind [6–12], ist doch keines von ihnen in der Lage, eine bereits eingetretene Zerstörung von Knochengewebe wieder rückgängig zu machen. Denn die in den oben genannten Studien geprüften Pharmaka sind ausnahmslos Antiresorptiva, die zwar die Osteoklasten-Aktivität hemmen, aber keine direkte Stimulation der osteoblastären Knochenmatrix-Synthese bewirken. Die wenigen zurzeit in Deutschland auf dem Markt verfügbaren Substanzen mit osteoanabolen Wirkungen hingegen gelten heute nicht mehr als Mittel der ersten Wahl, sei es wegen unklarer und teilweise widersprüchlicher Frakturdaten aus den publizierten Studien, wie bei den Fluoriden [13–15], oder wegen ausgeprägter Nebenwirkungen, wie im Falle der anabolen Steroide.

Mit dem vor kurzem in den USA und am 16. Juni 2003 von der EMEA zugelassenen kurzkettigen humanen Parathormonfragment Teriparatid (hPTH 1–34) dürfte sich diese Situation grundlegend ändern, da hiermit erstmals eine Substanz zur Verfügung steht, deren osteoanabole Wirkung und klinische Relevanz nicht nur durch tier- und humanexperimentelle Daten, sondern auch durch eine umfangreiche klinische Studie des höchsten Evidenzgrades mit Frakturendpunkt eindeutig belegt ist und die sich zudem noch durch ein gutes Verträglichkeitsprofil auszeichnet. Die wichtigsten Eigenschaften und klinischen Daten von Teriparatid sollen in der folgenden Übersicht dargestellt werden.

Pharmakologie

Teriparatid ist das aminoterminale Ende des humanen Parathormon-Moleküls. Die Tatsache, dass Parathormon (PTH) und seine Derivate in der Osteoporose-Therapie einsetzbar sind, mag gerade dem endokrinologisch Versierten auf den ersten Blick überraschend erscheinen, da die physiologische Aufgabe dieses Hormons primär darin besteht, die Serum-Calciumkonzentration konstant zu halten, notfalls auch auf Kosten einer gesteigerten Calcium-Resorption aus dem Skelett. Der osteoanabole Effekt wurde aber schon 1932 erstmals beschrieben, und zwar von dem berühmten Physiologen Hans Selye, der unter der täglichen Injektion eines standardisierten Nebenschilddrüsenextrakts eine gesteigerte Neubildung von Knochengewebe bei der Ratte beobachtete [16]. Entscheidende Bedeutung für diese Wirkung kommt dabei der pulsatilen Gabe zu. Während eine konstante Erhöhung der PTH-Serumkonzentration, etwa beim primären Hyperparathyreoidismus des Menschen, zu einer Hyperkalziämie, einer gesteigerten renalen Calcium-Rückresorption, vor allem aber einer Aktivierung der Osteoklasten mit daraus resultierender gesteigerter subperiostaler und auch diffuser Knochenresorption führt, gelingt durch die einmal tägliche Injektion supraphysiologischer PTH-Dosen eine gesteigerte Aktivierung von Osteoblasten aus inaktiven „lining cells“ [17] sowie, nach anfänglicher und vorübergehender Steigerung, die Inhibierung der Apoptose von Osteoblasten [Übersicht bei 18]. Die molekularen intrazellulären Wirkungen von PTH sind dabei komplex und erst teilweise bekannt. Der Nettoeffekt einer Osteoblastenzunahme, die sowohl durch deren gesteigerte Neubildung als auch durch ihre verlängerte Lebensspanne bedingt ist, gilt aber als wissenschaftlich gesichert.

Seitdem Mitte der siebziger Jahre der Arbeitsgruppe um John Potts an der Harvard Medical School die Entschlüsselung der PTH-Aminosäurensequenz und die vollsynthetische Herstellung des Hormons gelang [19–21], wurde zunehmend mit Fragmenten des Hormons experimentiert. Bald stellte sich heraus, dass der N-terminale Anteil des aus 84 Aminosäuren bestehenden Peptids für die Calcium-regulierenden Wirkungen entscheidend ist. PTH-Rezeptoren auf der Oberfläche von Osteoblasten und deren Vorläufer binden die verschiedensten Fragmente, doch vermögen nur Liganden, die mehr als die Sequenz der ersten 31 Aminosäuren enthalten, die drei für die primäre Signaltransduktion wichtigsten Enzymsysteme (die Adenylatcyclase, die Phospholipasen C, A und D sowie die Proteinkinasen der Gruppe C) zu aktivieren [18]. Wurden die ersten klinischen Studien der späten siebziger und der achtziger Jahre noch mit PTH 1–84 durchgeführt, konzentrierte sich die klinische Forschung seit etwa 1990 auf PTH 1–34. Wie PTH 1–84 muss die Substanz parenteral (üblicherweise durch subkutane Selbstinjektion des Patienten einmal täglich) zugeführt werden, wofür inzwischen – analog der Praxis bei Insulin und Wachstumshormon – benutzerfreundliche Injektionshilfen, so genannte „Pens“, zur Verfügung stehen. Nach der Injektion der inzwischen als optimale Dosis etablierten Menge von 20 µg kommt es zu einem supraphysiologischen Peak, der zwar die obere Grenze des physiologischen PTH-Normbereichs um das 5- bis 6fache übersteigt, sich bei der kurzen biologischen Halbwertszeit von Teriparatid aber innerhalb von etwa drei Stunden wieder normalisiert (Abb. 1). Der dadurch ausgelöste Anstieg der Serum-Calciumkonzentration fällt dabei gering aus, sodass Hyperkalzämien selten sind (siehe unten). Kumulative Effekte wurden auch bei Langzeitanwendung über bis zu zwei Jahren nicht beobachtet.

Toxikologie

Bei Nagern war in der ersten toxikologischen Langzeitstudie die Neubildung von Knochensubstanz in den langen Röhrenknochen derart überschießend, dass es unter der Gabe der beiden höchsten Dosen (30 bzw. 75 µg/kg Körpergewicht täglich) innerhalb von 12 bis 24 Monaten zu einer massiven knöchernen Durchbauung mit fast vollständiger Obliteration des Markraums kam (Abb. 2). Diejenigen Ratten, welche die höchste Dosierung erhielten, entwickelten aufgrund der exzessiven Stimulation im zweiten Behandlungsjahr in bis zu 50 % benigne und maligne Knochentumoren [22]. Dieser Effekt konnte mit niedrigeren Dosen (5 μg/kg KG/Tag) jedoch vermieden werden, wenn die Therapie nicht – wie im ersten Versuch – im Alter von sechs Wochen am wachsenden Skelett, sondern erst im Alter von sechs Monaten begonnen wurde [23].

Da die Dosen in der ersten Langzeitstudie an Ratten um das 60fache höher lagen als die Dosen klinischer Studien, und da eine zweijährige Behandlungsdauer bei der Ratte praktisch deren gesamter Lebensspanne von der Phase des Skelettwachstums bis ins hohe Alter entspricht, werden diese toxikologischen Befunde als gegenstandslos für den Menschen angesehen [22], zumal weitere Langzeit-toxikologische Untersuchungen bei Primaten keinerlei Neubildungen zeigten [24].

Klinische Wirksamkeit bei der postmenopausalen Osteoporose

Die klinische Wirksamkeit von Teriparatid bei postmenopausaler Osteoporose wurde in einer groß angelegten, prospektiven, kontrollierten Doppelblindstudie mit Frakturendpunkt („Fracture Prevention Trial“) nachgewiesen [25]. 1 637 postmenopausale Frauen mit manifester Osteoporose (mindestens eine vorbestehende Wirbelkompression ohne adäquates Trauma) erhielten als Basistherapie 1 000 mg Calciumsalz und 400 bis 1 200 E Vitamin D täglich und wurden randomisiert einer von drei Gruppen zugeteilt, die entweder 20 μg Teriparatid, 40 μg Teriparatid oder Plazebo einmal täglich injizierten. Primäres Wirksamkeitskriterium war die Reduktion neuer osteoporotischer Wirbelfrakturen im Behandlungszeitraum; extravertebrale Frakturen, Knochendichte, biochemische Marker des Knochenturnovers und Knochenhistologie waren sekundäre Zielparameter.

Die Studie war ursprünglich auf drei Jahre angelegt, die Medikation wurde aber im Dezember 1998 – nach einer mittleren Behandlungsdauer von 20 Monaten – vorzeitig beendet und die Untersuchung wurde vorübergehend unterbrochen, als die oben beschriebenen Daten aus dem ersten Langzeitversuch an der Ratte vorlagen. Nach Klärung der Unbedenklichkeit wurde die Studie im Rahmen eines Anschlussprotokolls nach mehrmonatiger Unterbrechung fortgesetzt, wobei es gelang, 77 % aller ursprünglichen Teilnehmerinnen erneut aufzunehmen. Die Anschluss-Studie bestand aus einer 18-monatigen Nachbeobachtungsphase ohne erneute Studienmedikation, wobei es den Teilnehmerinnen allerdings erlaubt war, ihre zwischenzeitlich eventuell begonnene Medikation mit Antiresorptiva im Rahmen der klinischen Routinebehandlung, die im früheren Studienabschnitt ein Ausschlusskriterium dargestellt hatte, nun beizubehalten.

Die Studienteilnehmerinnen der aktiven Initialphase waren im Mittel 69 Jahre alt und hatten durchschnittlich 2,3 vorausbestehende Frakturen. Unter der Therapie mit 20 μg Teriparatid nahm das Risiko für neue Wirbelfrakturen während der aktiven, doppelblinden Therapiephase um 65 % gegenüber der Calcium-Vitamin-D-Kontrollgruppe ab; die Häufigkeit mittelschwerer und schwerer Wirbelfrakturen sank sogar um 90 %, und die Anzahl der Frauen, die während des Behandlungszeitraums multiple (> 1) Wirbelfrakturen erlitten, reduzierte sich um 77 % (Tab. 1). Auch osteoporotische Frakturen im extravertebralen Skelett gingen mit einer Abnahme um 53 % gegenüber der Kontrollgruppe statistisch signifikant zurück. Diese Effekte sind im Vergleich zu Ergebnissen mit modernen Antiresorptiva, die in der Regel über drei Jahre Fraktursenkungen zwischen 30 und 50 % im vertebralen und zwischen 12 und 47 % im extravertebralen Bereich [6, 7, 10–12, 26] erreichen, nochmals deutlich stärker ausgeprägt.

Erst kürzlich wurden die Ergebnisse aus Untersuchungen der 51 Studienteilnehmerinnen publiziert, bei denen vor Beginn und nach Ende der Therapie Beckenkamm-Biopsate gewonnen worden waren [27]. Neben der konventionellen Aufarbeitung mittels Histomorphometrie erfolgte auch die dreidimensionale Ausmessung trabekulärer und kortikaler histologischer Parameter mithilfe eines Mikro-CT-Verfahrens (Abb. 3).

Dabei fand sich unter der Teriparatid-Behandlung eine Zunahme der tabekulären Knochendichte um 60 % und der trabekulären Konnektivität um 40 %. Die Dicke der Beckenkamm-Kortikalis stieg unter der im Durchschnitt 20-monatigen Therapie um 29 % an. Alle Veränderungen waren statistisch signifikant; die Patientinnen, die lediglich Calciumsalz und Vitamin D erhalten hatten, zeigten hingegen keine nennenswerten Veränderungen (Tab. 2).

Da auch Parathormon und seine Derivate nicht neue Knochenstrukturen gleichsam „aus dem Nichts“ rekonstruieren können, stellt sich die Frage, auf welche Weise es zur Zunahme der Konnektivität kommt. Obwohl noch nicht alle Einzelheiten geklärt sind, wird als zumindest einer der entscheidenden Mechanismen das so genannte „trabecular tunnelling“ angesehen, das im Tierversuch wiederholt beobachtet worden ist [24]. Vereinfachend beschrieben bewirken Parathormon und auch Teriparatid zunächst eine appositionelle Neusynthese von Knochenmatrix an bestehenden Trabekeln. Überschreitet die Trabekeldicke einen kritischen Wert, tritt im Inneren des Trabekels eine Resorptionszone auf, die diesen gleichsam der Länge nach spaltet. Aus dem überdurchschnittlich dick gewordenen Primärtrabekel entstehen somit zwei neue, dünnere Sekundärtrabekel, die zunächst einander eng benachbart sind. Durch weitere Knochenapposition an deren Außenseiten bei gleichzeitiger fortgesetzter Resorption von Matrix an der Innenseite verlagert sich aber die relative Position; die beiden Trabekel wachsen sozusagen allmählich voneinander weg (Abb. 4). Da sich dieser Vorgang millionenfach in den trabekulären Anteilen des Skeletts abspielt, resultiert daraus während einer über ein bis zwei Jahre anhaltenden Therapie eine statistisch signifikante, im Biopsat nachweisbare Neuvernetzung.

Die Dickenzunahme im Kortikalisbereich erfolgt ebenfalls durch appositionelles Knochenwachstum an der periostalen (d. h. äußeren) Oberfläche der Kompakta. Gleichzeitig wird dabei an der endostalen (inneren) Oberfläche in geringerem Maße Knochensubstanz resorbiert. Aus beiden Vorgängen resultiert nicht nur ein Nettogewinn an kompaktem Knochen, sondern auch eine geringfügige Veränderung der Knochengeometrie, die zwar nur Bruchteile von Millimetern beträgt, aber dennoch positive Auswirkungen auf die mechanische Stabilität langer Röhrenknochen hat, da das Trägheitsmoment und damit die Bruchfestigkeit einer Röhre mit dem Quadrat ihres äußeren Durchmessers korreliert. Dieser Effekt führte zum Beispiel am distalen Radius bei einer Subgruppe von Frauen aus dem Fracture-Prevention-Trial, bei denen pQCT-Messungen durchgeführt wurden, am Therapie-Ende unter Teriparatid-Gabe von 20 µg zu einem gegenüber Plazebo im Mittel um 11 % gesteigerten „torsional bone strength index“ und zu einer Erhöhung des „flexural bone strength index“ um 5 % [28].

Sicherheit und Verträglichkeit

Die in der oben beschriebenen Studie von Neer et al. [25] am häufigsten beobachtete unerwünschte Wirkung von Teriparatid waren leichte Hyperkalziämien in den ersten vier bis sechs Stunden nach Injektion. Diese wurden zwar bei 11 % aller Patientinnen beobachtet, die 20 μg/Tag Teriparatid erhielten (Plazebo: 2 %), blieben aber fast immer unter 2,8 mmol/l (bei einer oberen Normgrenze des Assays von 2,6 mmol/l) und führten in keinem einzigen Fall zu klinischen Symptomen. Nur bei einem Drittel der Frauen mit Hyperkalziämie bei der ersten Testung war die Kontrolltestung wiederum positiv, während die übrigen zwei Drittel bei Kontrolle normale Calciumwerte aufwiesen. In jeweils einem Fall unter der Gabe von Teriparatid 20 μg und Plazebo führten wiederholte Hyperkalziämien zum vorzeitigen Abbruch der Studie. Andere Laborveränderungen mit statistisch signifikanten Unterschieden zwischen beiden Gruppen waren Anstiege des 1,25-Dihydroxy-Vitamin D und der Harnsäure, beide blieben ebenfalls asymptomatisch. Hyperkalziurien waren unter der Therapie mit Teriparatid 20 μg nicht häufiger als unter Plazebo-Gabe. Zirkulierende Antikörper gegen PTH 1–34 entwickelten sich bei 3 % der Frauen auf Teriparatid 20 μg, verglichen mit < 1 % der Frauen auf Plazebo, jedoch wiederum ohne sich in klinischen Symptomen zu manifestieren.

Die einzigen klinischen Nebenwirkungen, bei denen statistisch signifikante Unterschiede in der Häufigkeit auftraten, waren gelegentlicher Schwindel (9 % unter Teriparatid-Gabe vs. 6 % unter Plazebo-Gabe, p = 0,05) und Wadenkrämpfe (3 % vs. 1 %, p = 0,02). Der Anteil der Therapieabbrüche wegen aller Nebenwirkungen zusammen war mit jeweils 6 % in beiden Gruppen gleich. Osteosarkome traten weder während (bis 1998) der Behandlung noch in der Zeit danach auf. Die Zahl der malignen Tumoren insgesamt war unter Teriparatid der Gabe von 20 μg sogar um die Hälfte niedriger als unter Plazebo-Applikation (2 % vs. 4 %); der Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,02). Insgesamt kann somit von einem sehr guten klinischen Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil der Substanz gesprochen werden.

Dosierung und Anwendung

Die europäische Zulassungsbehörde hat Teriparatid (Forsteo®) am 16. Juni 2003 zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zugelassen. Die empfohlene Dosis ist 20 µg pro Tag, verabreicht durch eine einmal tägliche Injektion in die Subkutis von Oberschenkel oder Abdomen. Den Patienten muss die subkutane Injektionstechnik zu Beginn der Therapie erklärt werden. Dem Fertig-Pen ist eine Bedienungsanleitung beigelegt, die den Patienten den korrekten Gebrauch erläutert.

Die maximale Therapie-Dauer sollte 18 Monate nicht überschreiten. Patienten sollten eine medikamentöse Supplementierung mit Calciumsalzen und Vitamin D erhalten, falls die Aufnahme über die Ernährung nicht ausreicht. Nach Beendigung der Therapie mit Teriparatid kann die Osteoporose-Behandlung mit anderen Osteoporose-Therapeutika fortgeführt werden.

Kontraindikationen sind:

  • Überempfindlichkeit gegenüber Teriparatid oder einen der Hilfsstoffe
  • Vorbestehende Hyperkalzämie
  • Schwere Niereninsuffizienz
  • Metabolische Knochenkrankheiten wie Hyperparathyreoidismus und Paget-Krankheit
  • Ungeklärte Erhöhung der alkalischen Phosphatase
  • Vorausgegangene Strahlentherapie des Skeletts

Eine altersabhängige Dosisanpassung bei älteren Patienten ist nicht notwendig. Teriparatid darf bei Kindern oder Adoleszenten mit offenen Epiphysen nicht angewendet werden [29].

Typischer Patient

Wie im vorigen Abschnitt bereits erwähnt, schränkt die Europäische Zulassungsbehörde den Einsatz von Teriparatid auf die Behandlung der manifesten Osteoporose ein, also auf Patientinnen, bei denen bereits eine oder mehrere osteoporotische Frakturen ohne adäquates Trauma vorliegen und bei denen das Risiko für weitere Frakturen dementsprechend hoch ist. Diese Einschränkung erklärt sich formal aus dem Umstand, dass lediglich Frauen mit manifester Osteoporose in die oben beschriebene Studie von Neer et al. eingeschlossen wurden. Sie reflektiert aber auch die medizinische Tatsache, dass diese hochpotente und rasch wirkende Therapie, die das osteoporotische Geschehen erstmals umzukehren vermag, wegen der subkutanen Anwendung und der relativ hohen Kosten in ersten Linie für Patientinnen gedacht ist, bei denen konventionelle Therapieformen mit Antiresorptiva zu spät kommen, nicht vertragen werden oder keine Besserung erbracht haben.

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29. Forsteo® Fachinformation.

Für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Johann D. Ringe, Medizin. Klink 4, Allg. Innere Medizin (Schwerpunkt: Rheumatologie/Osteologie), Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität zu Köln, Klinikum Leverkusen, Dhünnberg 60, 51307 Leverkusen, E-Mail: ringe@klinikum-lev.de

Abb. 1. Mittlere Veränderungen (hellblau: ± SD) der Konzentrationen von rhPTH (1–34) und Calcium im Serum nach s. c. Injektion von 20 μg Teriparatid

Abb. 2. Dosisabhängigkeit der überschießenden Knochengewebsneubildung am Rattenfemur unter sehr hohen Dosen von Teriparatid (thPTH) in der ersten Langzeit-Toxizitätsstudie (QCT = quantitative Computertomographie)

Tab. 1. Röntgenologische Ergebnisse im Fracture Prevention Trial [25] (KI = Konfidenzintervall). Angegeben sind die Mittelwerte ± Standardabweichung, * = p < 0,001 versus Plazebo

Plazebo

(n = 448)

Teriparatid 20 µg (n = 444)

Teriparatid 40 µg (n = 434)

≥ 1 Fraktur

Frauen [n (%)]

64 (14)

22 (5)*

19 (4)*

Relatives Risiko (95 % KI) vs. Plazebo

0,35 (0,22–0,55)

0,31 (0,19–0,50)

Absolute Risikoreduktion [%]

9

10

> 1 Fraktur

Frauen [n (%)]

22 (5)

5 (1)*

3 (< 1)*

Relatives Risiko (95 % KI) vs. Plazebo

0,23 (0,09–0,60)

0,14 (0,04–0,47)

Absolute Risikoreduktion [%]

4

4

≥ 1 mittelschwere oder schwere Fraktur

Frauen [n (%)]

42 (9)

4 (< 1)*

9 (2)*

Relatives Risiko (95 % KI) vs. Plazebo

0,10 (0,04–0,27)

0,22 (0,11–0,45)

Absolute Risikoreduktion [%]

9

7

Abb. 3. Dreidimensionale Mikro-CT zweier Beckenkamm-Biopsate derselben Studienteilnehmerin vor und nach Therapie mit 20 μg Teriparatid täglich über 21 Monate (Auszug von B3D-MC-GHAC, UCSF, Jiang)

Tab. 2. Veränderungen der wichtigsten strukturellen Parameter des Knochengewebes bei 51 postmenopausalen Frauen mit manifester Osteoporose aus dem Fracture-Prevention-Trial

Parameter

Teriparatid (n = 32)*

Plazebo (n = 19)

Trabekuläre Knochendichte

60 ± 26 %

0,075

–2 ± 10 %

n. s.

Trabekuläre Konnektivität

40 ± 13 %

0,021

–5 ± 9 %

n. s.

Kortikalisdicke

29 ± 9 %

0,029

–2 ± 7 %

n. s.

*Die beiden aktiven Gruppen wurden gepoolt (n = 18 für Teriparatid 20 μg/Tag, n = 14 für Teriparatid 40 μg/Tag).

§Die p-Werte beziehen sich ebenso wie die Prozentangaben auf den Vergleich der Veränderungen innerhalb jeder Gruppe vor und nach Therapie.

n. s. = nicht signifikant.

Abb. 4. Trabecular tunneling (Einzelheiten s. Text). (Nachdruck von [24] mit freundlicher Genehmigung durch Elsevier Science.)

Arzneimitteltherapie 2003; 21(07)