Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg
In Europa sind etwa ein Drittel aller HIV-Patienten auch HCV-infiziert. Dabei ist ein deutliches regionales Gefälle erkennbar mit einer Prävalenz von etwa 50 % in Italien und Spanien gegenüber 15 % in Deutschland. Da HCV über Blut und Blutprodukte übertragen wird, handelt es sich bei den Betroffenen vor allem um HIV-positive Hämophile oder intravenös Drogenabhängige (jeweils bis zu 90 %). Eine sexuelle Transmission kommt deutlich seltener vor (3 bis 10 %).
Inzwischen wird durch eine Reihe von Untersuchungen übereinstimmend belegt, dass bei HIV-positivem Status die HCV-Progression wesentlich rascher verläuft als bei Immunkompetenz. Beispielsweise hat eine französische Arbeitsgruppe bei Drogenabhängigen dokumentiert, dass in einem Zeitraum von 15 Jahren 25 % der HIV/HCV-Doppelinfizierten, jedoch nur 7 % der HCV-Monoinfizierten eine Leberzirrhose entwickelten. In Großbritannien ergab die Auswertung von Totenscheinen eines Kollektivs hämophiler Männer, dass die HCV-bedingte Letalität bei HIV-posiven um ein Vielfaches höher war als bei HIV-negativen Patienten (Abb. 1).
In letzter Zeit mehren sich die Hinweise, dass auch umgekehrt die Progression der HIV-Infektion durch HCV beschleunigt werden könnte. Dem Zwischenergebnis einer Schweizer Kohortenstudie ist zu entnehmen, dass eine HIV/HCV-Doppelinfektion bereits innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines AIDS-definierenden Ereignisses oder AIDS-assoziiertes Versterben um den Faktor 1,7 erhöht (Abb. 2). Eine ähnliche Korrelation wurde in einer US-amerikanischen Langzeitstudie beobachtet. In beiden Fällen wurde als einer der möglichen Gründe ein schlechteres Ansprechen auf die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) identifiziert.
Um die durch die Fortschritte bei der HIV-Therapie in den letzten Jahren erreichte Verbesserung von Lebensqualität und Lebenserwartung der Betroffenen nicht durch hepatologische Komplikationen wieder zunichte zu machen, erscheint der frühzeitige Beginn einer HCV-Behandlung dringend erforderlich. Vorbedingung ist ein guter Immunstatus (CD4-Zellzahl über 350/µl) bei niedriger HIV-Replikation (weniger als 50 000 Kopien/ml). Als Standard gilt heute die Kombination von pegyliertem Interferon alfa (Pegasys® oder Pegintron®) plus Ribavirin (Copegus® oder Rebetol®). Die Erfolgschancen sind bisher mit im Mittel 23 % allerdings deutlich geringer als bei HCV-Monoinfizierten (bis zu 75 %). Allerdings handelt es sich dabei ausschließlich um Ergebnisse offener Studien mit kleinen Kollektiven. Mit Spannung wird daher der Ausgang der internationalen APRICOT-Studie mit mehr als 860 HIV/HCV-Patienten erwartet.
Einer der limitierenden Faktoren scheint nach gegenwärtigem Erkenntnisstand die Art der HAART zu sein. Als ungünstig gelten Regime, die einen NRTI (nucleosidischen Reverse-Transcriptase-Inhibitor) enthalten, weil Interaktionen mit Ribavirin zu erwarten sind.
Zur möglichen klinischen Relevanz ist an der Universitätsklinik Bonn eine Untersuchung angelaufen, in der die Effizienz von Pegasys® plus Copegus® randomisiert verglichen wird bei Patienten mit: HCV-Monoinfektion (Kontrollgruppe), HIV/HCV-Infektion ohne Notwendigkeit einer HAART, HIV/HCV-Infektion mit NRTI-haltiger HAART, HIV/HCV-Infektion mit NRTI-freier HAART.
Quelle
Priv.-Doz. Dr. Jürgen Rockstroh, Bonn, Pressekonferenz „HCV bei HIV-Koinfizierten: Effektive Therapie mit Pegasys®“ der Hoffmann-La Roche AG beim 9. Deutschen AIDS-Kongress, Hamburg, 15. Mai 2003.

Abb 1. Inzidenz von Todesfällen mit hepatologischer Ursache bei Hämophilie-Patienten [nach Darby et al., Lancet 1997]

Abb. 2. Inzidenz AIDS-assoziierter Morbidität/Letalität bei HIV-Patienten innerhalb von zwei Jahren (IDU: intravenous drug use) [nach Greub et al., Lancet 2000]
Arzneimitteltherapie 2003; 21(10)