Der multimorbide Patient


Ekkehard Haen und Helmfried E. Klein, Regensburg

Zum 3. Mal versammelten sich im Mai dieses Jahres Ärzte und Apotheker aus Versorgungseinrichtungen und Universitäten in Regensburg zu einem interdisziplinären Meinungsaustausch im Rahmen der klinischen Pharmakologie. Die Veranstaltungsreihe wird vom Klinikverbund AGATE (Arbeitsgemeinschaft Arzneimitteltherapie bei psychiatrischen Erkrankungen) organisiert, der sich ursprünglich primär der Dokumentation und Erfassung schwerer unerwünschter Arzneimittelwirkungen widmete, sich aber zunehmend zu einem auf allen Bereichen der Psychopharmakotherapie tätigen Qualitätssicherungsinstrument entwickelt hat. Die Tagung stand in diesem Jahr unter dem Thema „Der multimorbide Patient“.

„Der multimorbide Patient“ hat natürlich für die Psychiatrie eine besondere Bedeutung. Psychiatrische Patienten spiegeln in ihren Begleiterkrankungen die gesamte nicht psychiatrische Bevölkerung wieder. Es zeigte sich jedoch schon bei der Vorbereitung der Tagung, dass „der multimorbide Patient“ für die gesamte Heilkunde von großer Bedeutung ist. Ob jung, ob alt, die wenigsten Patienten präsentieren sich dem Arzt oder Apotheker als eine einzige Krankheitsentität. Vor allem der ältere Mensch entwickelt mehr und mehr unterschiedliche Krankheiten, die sich gegenseitig beeinflussen und vor allem die Pharmakotherapie der einzelnen Erkrankungen zu einem unüberschaubaren Wirrwarr werden lassen. Dieses Problem ist zwar jedem bewusst, harte wissenschaftliche Daten hierzu fehlen aber weitgehend.

Während der Tagung trat dann ganz offensichtlich zu Tage, dass „der multimorbide Patient“ einen interdisziplinären Therapieansatz benötigt. Dies zeigen auch die Beiträge des Symposions, die in dieser Ausgabe der Arzneimitteltherapie abgedruckt sind. Immer wieder waren die in ihrem Fachgebiet unbestrittenen Experten in der Runde aus Internisten und Anästhesisten, Psychiatern, klinischen Pharmakologen und Apothekern überrascht, wie tief ihr Gebiet mit der Nachbardisziplin verbunden war. So offenbarten sich Beziehungen zwischen internistischen und psychiatrischen Erkrankungen sowohl in dieser Richtung als auch umgekehrt – bestimmte in der Psychiatrie bekannte unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind eben nicht auf Psychopharmaka beschränkt, sondern treten auch bei Anwendung anderer Pharmaka auf. Mehr noch: Die Symptomatik kann auch ohne die Anwendung von Arzneimitteln als eigenständige internistische Erkrankung in Erscheinung treten, was ihre Abgrenzung von Arzneimittel-bedingten Schäden sehr schwierig macht.

In der Psychiatrie beschäftigt sich eine eigene Subdisziplin mit der Behandlung psychischer Störungen im Alter (Gerontopsychiatrie). Doch der ältere Patient multimorbide ist eine weit über die Psychiatrie und über den Krankenhausbereich hinaus reichende Aufgabe. Heute sind Patienten mit 7, ja bis zu 14 und mehr Medikamenten keine Seltenheit mehr. Und der Einfluss von Alkohol, Nicotin, Coffein und anderen Drogen ist ein Alltagsproblem, das eben nicht nur den Psychiater beschäftigt. So ist es fast ein erschreckendes Ergebnis des 3. Regensburger AGATE-Symposions zur Klinischen Pharmakologie, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themas gerade erst begonnen hat. Wir werden fortfahren, diese Problematik zu thematisieren und zu bearbeiten. Bereits Anfang Oktober fand im Rahmen der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP) ein weiteres Symposion zum Thema Pharmakotherapie im Alter statt.

Das AGATE-Symposion wurde begleitet durch eine Ausstellung mit Kunstwerken aus der Kunsttherapie des Bezirksklinikums Regensburg zum Thema „Menschenbild“. Die Ausstellung ist im November 2003 im Foyer des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Frauen und Familie in München zu sehen.

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ekkehard Haen, Klinische Pharmakologie/Psychopharmakologie, Psychiatrische Universitätsklinik Regensburg, Universitätsstr. 84, 93053 Regensburg

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