Dr. Susanne Heinzl, Stuttgart
Infektionen der tiefen Atemwege wie akute Bronchitis, Pneumonie oder Exazerbationen schon bestehender Atemwegserkrankungen, die als Folge einer Influenza auftreten, erfordern häufig eine Antibiotika-Therapie und/oder eine Hospitalisierung. Besonders gefährdert für eine solche Komplikation sind ältere Menschen (über 65 Jahre) und Patienten, die bereits an Atemwegerkrankungen leiden. Als erfolgreiche Prophylaxe gilt die Impfung.
Da bisher unklar war, ob tiefe Atemwegsinfektionen und ihre Folgen auch durch eine frühe antivirale Behandlung der Influenza vermieden werden können, wurden die Daten von zehn doppelblind und randomisiert durchgeführten Phase-III-Studien mit Oseltamivir mit 3 591 Patienten analysiert. Primärer Endpunkt dieser Datenanalyse war das Auftreten tiefer Atemwegsinfektionen, die mit Antibiotika behandelt werden mussten und die innerhalb von 2 bis 28 Tagen nach Beginn der Grippe-Behandlung auftraten. Ferner wurden die Zahl der Krankenhausaufnahmen und oberen Atemwegsinfektionen und der gesamte Antibiotika-Verbrauch erfasst, wobei bei einem Patienten mehr als eine Infektion aufgetreten sein konnte.
In den zehn Studien wurden 1 541 Patienten mit Plazebo und 2 023 mit Oseltamvir (zweimal täglich 75 mg) behandelt. Bei 68 % der Patienten konnte eine Grippe bestätigt werden (12 % Influenza B, 88 % Influenza B), 32 % litten unter einem grippalen Infekt und Infektion mit einem Influenza-Virus.
Tiefe Atemwegsinfektionen traten bei den Plazebo-Patienten mit Grippe in 10,3 % der Fälle auf, bei den Plazebo-Patienten mit grippalem Infekt in 6,7 % der Fälle (p < 0,03).
Wie Tabelle 1 zeigt, traten bei Oseltamivir-Behandelten mit Grippe signifikant weniger tiefe Atemwegwsinfekte auf, und zwar sowohl bei den ansonsten gesunden als auch bei den Risikopatienten. Das Risiko für eine tiefe Antibiotika-behandelte Atemwegsinfektion wurde durch den Neuraminidase-Hemmer im Vergleich zur Plazebo um 54 % (35–84 %) verringert, wenn die Patienten Oseltamivir in den ersten 24 Stunden nach Einsetzen der Grippe-Symptome erhielten. Es sank um 44 % (30–65 %), wenn die Oseltamivir-Behandlung frühestens nach 24 h begann.
Bei den Patienten mit grippalem Infekt hatte Oseltamivir keinen Einfluss auf die Zahl der tiefen Atemwegsinfektionen.
Die Zahl der Hospitalisierungen wurde bei den Grippepatienten durch Oseltamivir um relativ 59 % gesenkt (von 1,7 auf 0,7 %, p = 0,02). Vor allem Risikopatienten mussten hospitalisiert werden, in dieser Gruppe senkte Oseltamivir das relative Risiko um 50 % (p = 0,17).
Quelle
Kaiser L, et al. Impact of oseltamivir treatment on influenza-related lower respiratory tract complications and hospitalizations. Arch Intern Med 2003;163:1667-72.
Tab. 1. Tiefe Atemwegsinfektionen (AWI), die antibiotisch behandelt wurden, bei Patienten mit bestätigter Grippe, die mit Oseltamivir (zweimal 75 mg/Tag) oder Plazebo behandelt wurden (Daten aus zehn doppelblind und randomisiert durchgeführten Phase-III-Studien)
Gesamt |
Sonst gesund |
Risikopatienten |
||||
Plazebo |
Oseltamivir |
Plazebo |
Oseltamivir |
Plazebo |
Oseltamivir |
|
Tiefe AWI gesamt |
109 (10,3 %) |
62 (4,6 %)* |
35 (5,3 %) |
17 (1,7 %)* |
74 (18,5 %)** |
45 (12,2 %)*** |
Bronchitis |
87 (8,2 %) |
53 (3,9 %) |
25 (3,8 %) |
15 (1,5 %) |
62 (15,5 %) |
38 (10,3 %) |
Pneumonie |
19 (1,8 %) |
9 (0,7 %) |
9 (1,4 %) |
2 (0,2 %) |
10 (2,5 %) |
7 (1,9 %) |
Nicht spezifiziert |
4 (0,4 %) |
1 (0,2 %) |
1 (0,2 %) |
0 |
3 (0,7 %) |
1 (0,3 %) |
* = p < 0,001 Oseltamivir vs. Plazebo, ** = p < 0,001 Plazebo-Patienten mit Risiko vs. ansonsten gesunde Patienten, *** = p < 0,02 Oseltamivir vs. Plazebo
Klinische Studien
Arzneimitteltherapie 2004; 22(03)