Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg
Neben vielen positiven Erfahrungsberichten gibt es drei kontrollierte Studien bei MS-Kranken mit schubförmig remittierendem Verlauf, die eine statistisch signifikante Reduktion der Exazerbationen durch die Behandlung mit intravenös verabreichten Immunglobulinen (IVIG) belegen. Eine weitere Untersuchung lässt anhand kernspintomographischer Befunde erkennen, dass auch die subklinische Krankheitsaktivität vermindert wird.
Allerdings erfüllt keine der Studien alle wissenschaftlichen Kriterien, die von den Arzneimittelbehörden für eine Zulassung gefordert werden. Der Einsatz von Immunglobulinen ist daher bisher nur als „Off-Label-Use“ möglich. Dies wird auch in den Leitlinien der MSTKG (Multiple-Sklerose-Therapie-Konsensusgruppe) oder der DGN (Deutschen Gesellschaft für Neurologie) explizit empfohlen, und zwar als „Second-Line-Therapie“, wenn Betainterferone kontraindiziert sind (z. B. bei Schwangerschaft/Stillzeit, drohenden Interaktionen mit Komorbidität/-medikation, schwerer Depression oder Spritzenphobie), nicht vertragen werden oder nicht die gewünschte krankheitsmodifizierende Wirkung haben.
In diesen Fällen können MS-Patienten von einer einmal monatlichen Infusion von Immunglobulinen profitieren, wie die Dokumentation der klinischen Erfahrung in 20 neurologischen Praxen in Deutschland und Österreich zeigt. Diese retrospektive Datenanalyse wurde von einem unabhängigen Monitor vorgenommen. Primäres Ziel war der Vergleich der Schubraten zwei Jahre vor IVIG-Behandlung mit dem klinischen Verlauf während der ersten beiden Jahre unter IVIG-Behandlung.
Aus einem Pool von mehr als 1 100 MS-Kranken erfüllten 308 alle festgelegten Kriterien. Sie waren im Mittel seit 6,7 Jahren erkrankt. Der EDSS-Wert (Expanded disability status scale) lag bei durchschnittlich 2,4 und die Zahl der Schübe in den letzten beiden Jahren vor Beginn der IVIG-Therapie bei 1,74. In 39 % der Fälle war der Grund für den Einsatz der Immunglobuline eine Unverträglichkeit oder mangelnde Wirksamkeit der zugelassenen Optionen.
Durch die IVIG-Infusionen nahm das Schubrisiko in den ersten beiden Jahren um 69 % auf 0,53 pro Jahr ab (p < 0,001). Dies entspricht den Beobachtungen in den Plazebo-kontrollierten Studien (Abb. 1). In 40 % der Fälle war kein Schub mehr aufgetreten. Die Wirksamkeit blieb über den gesamten Beobachtungszeitraum von im Mittel 3,4 Jahren – in einigen Fällen bis zu 5 Jahren – konstant.
Die Verträglichkeit war gut. Nebenwirkungen wurden bei 8 % der Patienten dokumentiert und waren in der Regel leicht. 93 % der MS-Kranken und 87 % der betreuenden Ärzte waren mit dem Erfolg der Therapie zufrieden bis sehr zufrieden.
Quelle
Prof. Dr. med. Judith Haas, Berlin, Pressekonferenz „Neue Erkenntnisse zur Behandlung der MS mit i. v. Immunglobulinen“, veranstaltet von Bayer Vital GmbH im Rahmen des 76. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Hamburg, 3. September 2003.

Abb. 1. Einfluss monatlicher Infusionen von Immunglobulinen (IVIG) auf die jährliche Rate von MS-Schüben (* 1-Jahres-Daten) [nach Haas]
Arzneimitteltherapie 2004; 22(04)