Interaktionen

Acetylsalicylsäure plus Ibuprofen nach Herzinfarkt erlaubt?


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Susanne Wasielewski, Münster

In einer retrospektiven Kohortenstudie wurde untersucht, ob Ibuprofen die kardioprotektive Wirkung von Acetylsalicylsäure bei Herzinfarktpatienten verringert. Als Marker für die Arzneimittel-Einnahme galt die Verordnung bei der Entlassung aus dem Krankenhaus. Innerhalb von einem Jahr starben ähnlich viele Patienten, die Acetylsalicylsäure und Ibuprofen einnahmen, wie Patienten, die nur Acetylsalicylsäure einnahmen.

Ibuprofen hemmt kompetitiv die Bindung von Acetylsalicylsäure an Thrombozyten. In-vivo-Experimente und Beobachtungsstudien ergaben Hinweise darauf, dass Ibuprofen die kardioprotektiven Wirkungen von Acetylsalicylsäure verringert oder zunichte macht. In einer retrospektiven Kohortenstudie in den USA wurde die klinische Relevanz der Interaktion untersucht. Die Studie erfasste im Rahmen eines kardiovaskulären Projekts Medicare-Patienten, die wegen eines Herzinfarkts zwischen 1994 und 1996 stationär behandelt worden waren. Von den mindestens 65 Jahre alten Herzinfarktpatienten wurden diejenigen, die bei der Entlassung ein Rezept über Acetylsalicylsäure (ASS) und Ibuprofen erhalten hatten, mit denjenigen verglichen, die nur Acetylsalicylsäure oder Acetylsalicylsäure plus andere nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verordnet bekommen hatten. Zielkriterium waren die Todesfälle im ersten Jahr nach der Krankenhausentlassung.

Von 70 316 Patienten mit einem Entlassungsrezept über ASS hatten 66 739 nur ASS, 844 ASS plus Ibuprofen und 2 733 ASS plus andere NSAR verordnet bekommen. Patienten der Nur-ASS-Gruppe hatten mehr Begleiterkrankungen und mehr Komplikationen im Krankenhaus als die übrigen Patienten.

Ein Jahr nach der Entlassung waren 11 546 Patienten (17,5 %) der Nur-ASS-Gruppe, 118 (14,0 %) der ASS-plus-Ibuprofen-Gruppe und 432 (15,8 %) der ASS-plus-NSAR-Gruppe verstorben. Nach Berücksichtigung demographischer und medizinischer Unterschiede, wie der Schwere der kardiovaskulären Erkrankung, wurde für Patienten, die mit einer Verordnung über ASS und Ibuprofen entlassen wurden, ein vergleichbares Risiko ermittelt wie für Patienten, deren Entlassungsrezept nur ASS (Hazard-Ratio 0,84) oder ASS plus andere NSAR enthielt (Hazard-Ratio 0,96).

Eine im letzten Jahr veröffentlichte kleinere Studie hatte 187 Patienten mit kardiovaskulärer Erkrankung erfasst, die eine Verordnung über ASS plus Ibuprofen erhalten hatten. In dieser Studie waren Gesamtsterblichkeit und kardiovaskuläre Sterblichkeit unter der Kombination im Vergleich zu ASS allein erhöht gewesen.

Die jetzt publizierte Studie ist zwar größer und berücksichtigt zahlreiche Variablen, verlässt sich aber auf ein einziges Rezept bei der Krankenhausentlassung als Marker für den langfristigen Arzneimittel-Gebrauch. Auch wurde anstelle der wichtigeren Herzinfarkte die Zahl der Todesfälle als Zielkriterium benutzt. Eine Entwarnung hinsichtlich der gleichzeitigen Anwendung von ASS und Ibuprofen nach einem Herzinfarkt kann allein aufgrund dieser Studie noch nicht gegeben werden.

Quelle

Curtis JP, et al. Aspirin, ibuprofen, and mortality after myocardial infarction: retrospective cohort study. BMJ 2003;327:1322-3.

Kimmel SE, Strom BL. Giving aspirin and ibuprofen after myocardial infarction. BMJ 2003;327:1298-9.

Arzneimitteltherapie 2004; 22(05)