Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Periphere Arthropathien sind die häufigste extraintestinale Manifestation bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. So klagen 22 % der betroffenen Patienten über Arthralgien und bei etwa 10 % entwickelt sich eine Arthritis. Die enteropathischen peripheren Arthropathien werden in zwei Typen unterteilt:
- Typ 1: Korrelation der Gelenkentzündungen mit dem entzündlichen Verlauf der chronisch entzündlichen Darmerkrankung
- Typ 2: Keine Korrelation zwischen Verlauf der Darmerkrankung und Gelenkbeschwerden
Bei Arthropathien vom Typ 1 steht die Behandlung der entzündlichen Darmerkrankung im Vordergrund, weil durch eine wirksame Therapie der Darmerkrankung auch die Gelenkmanifestation günstig beeinflusst wird.
Fallberichte und kleinere retrospektive Studien haben gezeigt, dass durch eine antirheumatische Therapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika ein Rückfall der chronisch entzündlichen Darmerkrankung verursacht werden kann und bei gesundem Dickdarm sogar eine Kolitis neu entstehen kann. Darüber hinaus können nichtsteroidale Antirheumatika wegen ihres gastrointestinalen Nebenwirkungsrisikos gerade bei Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung gefährliche Komplikationen induzieren wie Blutungen, Ulzerationen, Perforation und Strikturbildung.
In den letzten Jahren wurde die duale Wirkung der nichtsteroidalen Antirheumatika auf die COX-1- und COX-2-Rezeptoren entschlüsselt. COX-1-Rezeptoren finden sich im gesamten Gastrointestinaltrakt, insbesondere im Duodenum mit abfallender Häufigkeit bis zum Ileum. Dagegen exprimiert der normale menschliche Gastrointestinaltrakt keine COX-2-Rezeptoren. Bei Patienten mit einer aktiven chronisch entzündlichen Darmerkrankung werden auch vermehrt COX-2-Rezeptoren an den oberflächlichen Epithelzellen exprimiert. Daraus folgt, dass nichtsteroidale Antirheumatika bei Patienten mit enteropathischen Arthropathien über die Hemmung der COX-2-Rezeptoren nicht nur eine antirheumatische Wirkung an den Gelenken, sondern auch antiinflammatorische Effekte im Darm entfalten. Demgegenüber stehen jedoch die ungünstigen gastrointestinalen Nebenwirkungen über die Hemmung der COX-1-Rezeptoren.
Das Wirkungsprofil der spezifischen COX-2-Inhibitoren dürfte daher gerade für Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung vorteilhaft sein, da COX-2-Inhibitoren keine gastrointestinale Schädigung verursachen und antiinflammatorische Effekte auch im Magen-Darmtrakt vermitteln. Doch diese Vermutung konnte durch Fallberichte zunächst nicht bestätigt werden, auch mit COX-2-Inhibitoren wurden Exazerbationen der chronisch entzündlichen Darmerkrankung beschrieben.
Im Rahmen einer prospektiven Studie wurden jetzt die Nebenwirkungen und die Wirksamkeit von COX-2-Inhibitoren bei 31 Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und peripherer Arthropathie untersucht. Die Patienten erhielten zunächst über 20 Tage 12,5 mg und später 25 mg Rofecoxib (Vioxx®) täglich. Bei 47 % der Patienten war in der Vorgeschichte unter einer konventionellen NSAR-Therapie eine Exazerbation ihrer Erkrankung aufgetreten. Bei 3 Patienten musste die Studie innerhalb von 3 Tagen abgebrochen werden, wobei 2 Patienten Durchfall oder eine intestinale Blutung entwickelten und 1 Patient Übelkeit. Alle diese Nebenwirkungen waren jedoch kurzfristig reversibel. Bei den übrigen Patienten konnte unter der Therapie ein signifikanter Abfall des Krankheitsaktivitätsindex dokumentiert werden. Auch zeigte sich ein günstiger Effekt auf die Gelenkschmerz-Scores. Zusammenfassend traten gastrointestinale Nebenwirkungen nur bei 10% der Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung in einer Remission auf. Das Nebenwirkungsrisiko war somit deutlich geringer als dies in der Literatur für konventionelle NSAR berichtet wird.
Quelle
Prof. Dr. H. Vogelsang, Wien, Vortrag „Auf keinen Fall NSAR – vielleicht doch selektive COX-2-Antagonisten?“ im Rahmen eines Satellitensymposiums der Falk Foundation e. V. anlässlich der 110. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 16. April 2004.
Arzneimitteltherapie 2004; 22(10)