Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener, Essen
Bei der Alzheimer-Erkrankung werden neben den typischen degenerativen Veränderungen auch entzündliche Reaktionen in und um neuritische Plaques herum gefunden. So zeigen neuropathologische Studien aktivierte Mikroglia und die Expression von Cyclooxygenase 2 (COX-2) in neuritischen Plaques. Eine Reihe von epidemiologischen und Fall-Kontroll-Studien legte auch nahe, dass möglicherweise Patienten, die regelmäßig aus anderen Gründen nichtsteroidale Antirheumatika einnehmen, seltener unter einer Alzheimer-Demenz leiden. Zwei kleinere prospektive Studien mit nichtsteriodalen Antirheumatika legten nahe, dass diese möglicherweise bei der Behandlung der Alzheimer-Erkrankung wirksam sind. Beide Studien hatten aber das Problem, dass viele Patienten wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen die Behandlung mit dem nichtsteroidalen Antirheumatikum abbrachen. Daher wurde jetzt eine große Studie mit Rofecoxib initiiert, eine Substanz mit deutlich geringeren gastrointestinalen Nebenwirkungen als nichtsteroidale Antirheumatika.
Die 692 Patienten wurden in den USA rekrutiert. Sie mussten mindestens 50 Jahre alt sein und eine wahrscheinliche Alzheimer-Erkrankung haben. Die Schwere der Erkrankung musste leicht oder mittelschwer sein mit Mini-Mental-Werten zwischen 14 und 26. Es handelte sich um eine 12-monatige randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie. Die Patienten erhielten entweder 25 mg Rofecoxib einmal täglich oder Plazebo. Das primäre Zielkriterium war die kognitive Unterskala der Alzheimer Disease Assessment Scale (ADAS-cog) und der Clinician’s Interview-Based Impression of Change with caregiver input
(CIBIC+).
481 Patienten (70 %) führten die Behandlung über den Zeitraum von 12 Monaten durch. Für keinen der primären oder sekundären Endpunkte ergab sich ein Unterschied zwischen Rofecoxib und Plazebo. Dies galt auch, wenn für die Schwere der Demenz zu Beginn der Studie korrigiert wurde, für das Vorhandensein des APOE-ε4-Allels und danach, ob Patienten mit Donepezil behandelt wurden oder nicht. Rofecoxib, ein COX-2-Hemmer, ist in der Behandlung der Alzheimer-Erkrankung nicht wirksam.
Es handelt sich hier um eine große, sauber durchgeführte Langzeitstudie, die eindeutig belegt, dass ein COX-2-Hemmer bei der Behandlung der Alzheimer-Erkrankung unwirksam ist. Dieses Ergebnis ist bedauerlich, da COX-2-Hemmer eine relativ gute Verträglichkeit haben. So brachen hier nur 4 % der Patienten in der Rofecoxib-Gruppe wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen die Behandlung ab. Die Diskrepanz zu den epidemiologischen Studien mag sich daraus erklären, dass die Krankheit bereits zu fortgeschritten war, als dass entzündunghemmende Substanzen noch einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hätten. Die andere Möglichkeit ist schlicht, dass die entzündlichen Prozesse, die bei der Alzheimer-Erkrankung eine Rolle spielen, durch COX-2-Hemmer nicht beeinflusst werden können. Was weiter aussteht, ist eine Langzeitstudie, in der Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen prospektiv mit COX-2-Hemmern behandelt werden, zu der Frage, ob die Manifestation einer Alzheimer-Erkrankung verzögert werden kann.
Quelle
Reines SA, et al. on behalf of the Rofecoxib Protocol 091 Study Group. No effect on Alzheimer’s disease in a 1-year, randomized, blinded, controlled study. Neurology 2004;62:66-71.
Arzneimitteltherapie 2004; 22(10)