Bettina Polk, Stuttgart
Etoricoxib (Abb. 1) unterscheidet sich von den derzeit zugelassenen COX-2-Hemmern Celecoxib (Celebrex®), Valdecoxib (Bextra®) und Parecoxib (Dynastat®) durch die noch selektivere Hemmung der Cyclooxygenase 2 (Tab. 1). Außerdem flutet die neue Substanz schnell an, die maximalen Plasmaspiegel werden bereits nach einer Stunde erreicht (Tab. 1). Die Elimination erfolgt vorwiegend durch Metabolisierung in der Leber über CYP-Enzyme, beteiligt ist unter anderem CYP3A4. Die Halbwertszeit ist mit etwa 22 h die längste unter den COX-2-Hemmern, die Zeit bis zur Erreichung der maximalen Plasmakonzentration ist am kürzesten (Tab. 1). Die Wirkung tritt demnach schnell ein und hält lange an, eine einmal tägliche Gabe ist ausreichend.
Seit Mitte letzten Jahres ist Etoricoxib zugelassen zur Schmerztherapie bei Gicht (1 x tgl. 120 mg), Arthrose (1 x tgl. 60 mg) und rheumatoider Arthritis (1 x tgl. 90 mg).
Gicht: In einer randomisierten, kontrollierten Doppelblind-Studie bekamen 189 Patienten mit einer akuten Gichtattacke (≤ 48 Stunden) 8 Tage lang entweder einmal täglich 120 mg Etoricoxib oder dreimal täglich 50 mg Indometacin. Primärer Studienendpunkt war das Schmerzempfinden der Patienten, bestimmt mit einer 5-Punkte-Skala an den Tagen 2 bis 5. Die Schmerzreduktion war mit beiden Substanzen gleich erfolgreich.
Arthrose: Zur Behandlung von Schmerzen durch Arthrose wurden mehrere Studien durchgeführt. In einer randomisierten, doppelblinden Studie wurden 60 mg Etoricoxib einmal täglich mit Naproxen 500 mg zweimal täglich und mit Plazebo verglichen. 496 Patienten mit Arthrose-Schmerzen erhielten nach einer etwa 2-wöchigen „Wash-out-Phase“ über 12-Wochen die Studienmedikation. Primäre Endpunkte waren die WOMAC-Schmerz- und die WOMAC-Funktionsskala (WOMAC = Western Ontario and McMaster Universities osteoarthritis index) sowie eine Selbstbeurteilung der Patienten über ihr Befinden (Patient global assessment of disease status). Alle drei primären Endpunkte besserten sich im Vergleich zur Plazebo-Gabe mit Etoricoxib und Naproxen signifikant (p < 0,001). Zwischen den beiden aktiven Vergleichsgruppen gab es keine signifikanten Unterschiede.
In einer weiteren Studie zur Schmerztherapie bei Arthrose wurden 60 mg Etoricoxib täglich (n = 256) mit Diclofenac 50 mg dreimal täglich (n = 260) verglichen. Nach einer anfänglichen „NSAR-Wash-out-Phase“ dauerte die Behandlung 6 Wochen. Primärer Endpunkt war auch hier die WOMAC-Schmerz-Skala, dabei zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Diclofenac und Etoricoxib. Vier Stunden nach der ersten Einnahme wurde der subjektive Eindruck der Patienten, wie sie auf die Therapie ansprechen, erfasst (Patient global assessment of response to therapy, PGART). Dabei zeigten sich Vorteile für Etoricoxib. 32 % in der Etoricoxib-Gruppe gaben bereits nach 4 Stunden an, gut oder exzellent anzusprechen, gegenüber 19 % in der Diclofenac-Gruppe.
Rheumatoide Arthritis: Aufgrund von Dosisfindungsstudien wurde die optimale Dosis von Etoricoxib bei rheumatoider Arthritis auf 90 mg einmal täglich festgelegt. An zwei Studien mit ähnlichem Design nahmen insgesamt etwa 1 700 Patienten nit rheumatoider Arthritis teil. Die Patienten bekamen randomisiert und doppelblind entweder Plazebo, Naproxen (500 mg zweimal täglich) oder Etoricoxib 90 mg über 12 Wochen. Primäre Endpunkte waren die Anzahl der druckschmerzhaften und der geschwollenen Gelenke sowie die Globalbeurteilung durch Prüfarzt und Patient. Etoricoxib und Naproxen waren in allen primären Endpunkten in beiden Studien signifikant wirksamer als Plazebo, in einer der beiden Studien (n = 805) war Etoricoxib außerdem im Vergleich zu Naproxen signifikant wirksamer.
Die Studien belegen die schmerzlindernde Wirkung des neuen COX-2-Hemmers bei Gicht, Arthrose und rheumatoider Arthritis, weitere Studien gibt es zur Anwendung bei postoperativen Zahnschmerzen, bei Rückenschmerzen (chronischer Lumbalgie) und bei Regelschmerzen, allerdings ist Etoricoxib in diesen Indikationen nicht zugelassen.
Kardiovaskuläre Sicherheit: Nach der Marktrücknahme von Rofecoxib (Vioxx®) wegen des erhöhten kardiovaskulären Risikos stellt sich die Frage nach der kardiovaskulären Sicherheit der anderen COX-2-Hemmer. Aus pharmakodynamischer Sicht spricht alles für einen Gruppeneffekt, der bei längerfristiger, täglicher Gabe bedeutungsvoll werden kann. Die Experten auf diesem Symposium bemerkten, dass die Zulassung der Substanzen eigentlich für die akute Schmerztherapie gelten sollte, und rieten für die dauerhafte Anwendung zu Einnahmepausen. Die Industrie ist nun aufgefordert, eine Datenbasis zum Einsatz von COX-2-Hemmern bei akuten Schmerzen und mit Einnahmepausen zu schaffen.
Quelle
Prof. Dr. med. Josef Zacher, Berlin, Prof. Dr. med. Dr. h. c. Kay Brune, Erlangen, Symposium „Moderne Therapieoption zur symptomatischen Behandlung von Gelenkerkrankungen“, veranstaltet von der Firma MSD im Rahmen des Deutschen Orthopädenkongresses, Berlin, 23. Oktober 2004.
Tab. 1. Pharmakokinetische Eigenschaften und Selektivitätsquotient von COX-2-Hemmern und nichtsteroidalen Antirheumatika (F = Bioverfügbarkeit, tmax = Zeit bis zur maximalen Plasmakonzentration, t1/2 = Plasmahalbwertszeit, V = Verteilungsvolumen, K. A. = keine Angabe)
INN |
F [%] |
tmax [h] |
t1/2 [h] |
V [l/kg] |
Selektivitäts- quotient* |
Naproxen |
> 90 |
1–6 |
10–15 |
~ 0,13 |
K. A. |
Ibuprofen |
> 90 |
1–6 |
1–2 |
~ 0,13 |
0,2 |
Indometacin |
> 90 |
1–3 |
4–6 |
~ 0,13 |
0,4 |
Diclofenac |
> 50 |
1–6 |
1–2 |
~ 0,13 |
3 |
Celecoxib |
20–40 |
3–6 |
4–15 |
>> 1 |
7,6 |
Valdecoxib |
> 90 |
2–4 |
8–12 |
≥1 |
30 |
Rofecoxib |
> 90 |
2–4 |
12–20 |
>1 |
35 |
Etoricoxib |
> 90 |
0,5–1 |
20–30 |
> 1 |
106 |
*Quotient der halbinhibitorischen Konzentration (IC50) für COX-1- und COX-2-spezifische Reaktionen im Blut
Abb. 1. Etoricoxib (siehe PDF)
Arzneimitteltherapie 2005; 23(01)