Susanne Heinzl, sheinzl@wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de
Im Zusammenhang mit den negativen Eigenschaften von Arzneimitteln wird meist nur über Nebenwirkungen der Substanzen beim bestimmungsgemäßen Gebrauch geredet und geschrieben. Unbestritten ist aber, dass auch eine fehlerhafte Anwendung nicht selten erhebliche Folgen haben kann.
Eine im November 2004 von Taxis und Wild veröffentliche Analyse deutscher Medikationsfehlerstudien ergab, dass die Fehlerrate bei oralen Arzneimitteln zwischen 0,2 % und 5,1% liegt und bis zu geradezu unglaublichen 48 % bei der Zubereitung und Verabreichung intravenöser Arzneimittel betragen kann. Noch frustrierender wird es, wenn die Beschriftung und die Desinfektionstechniken in die Fehleranalyse aufgenommen werden, dann können in bis zu 90 % der Fälle Mängel registriert werden.
Nun mag man der Beschriftung eines Arzneimittels zur Applikation keine so große Bedeutung beimessen – wenn aber gerade aktuell wieder von einem Fall einer versehentlichen intrathekalen Gabe von Vincristin in Deutschland berichtet wird, wird die Relevanz vielleicht offensichtlich.
Vincristin ist ausschließlich intravenös anzuwenden. Eine versehentliche intrathekale Gabe ist lebensbedrohlich. Vielleicht wäre die intrathekale Applikation bei entsprechend deutlicher Kennzeichnung des applikationsfertigen Arzneimittels verhindert worden.
Studien zur Häufigkeit von Verordnungsfehlern fehlen in Deutschland bisher, dass Verordnungsfehler aber vorkommen, ist ebenfalls unbestritten. Auch hierzu ein aktueller Fall: In einer Klinik kam es zu einer versehentlich täglichen statt wöchentlichen Einnahme von Methotrexat-Tabletten bei der Indikation rheumatoide Arthritis. Der Patient starb an den Folgen der täglichen Gabe. Methotrexat wird in der Rheumatherapie nur einmal wöchentlich angewendet. Eine versehentliche tägliche Gabe ist lebensbedrohlich. Ob Methotrexat falsch verordnet oder falsch gegeben wurde, ist bislang unklar.
Wenig untersucht sind die Ursachen für Medikationsfehler. In einer der Studien zu Fehlern bei der intravenösen Arzneimittelapplikation ergaben Beobachtungen und Gespräche, dass zum einen die fehlende Aus-, Fort- und Weiterbildung des Pflegepersonals bei der Zubereitung und Applikation von intravenösen Arzneimitteln eine Rolle spielt. Weil die intravenöse Arzneimittel-Gabe jedoch eine Aufgabe des Arztes ist, wird diese in der Aus-, Fort- und Weiterbildung des Pflegepersonals nur ungenügend berücksichtigt.
Hinzu kommt eine ungenügende interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegepersonal und Apothekern.
Was kann man tun? Es liegt auf der Hand: Aus den Fehlern lernen und entsprechende Maßnahmen einleiten, um ein erneutes Auftreten zu verhindern. Hierzu ist es aber erforderlich, dass Fehlerberichtssysteme eingeführt werden, um zunächst einmal ausreichende Informationen über die Fehler zu erhalten. Durch einen entsprechend sorgsamen Umgang muss eine „Fehlerkultur“ geschaffen werden, in der Fehler nicht mit Schuldzuweisungen verknüpft sind, sondern in der Fehler als Auslöser für Verbesserungs- und Vermeidungsstrategien fungieren.
In Deutschland haben sich in der letzen Zeit vor allem die Krankenhausapotheker des „Fehlerproblems“ angenommen. Sie erfassen Fehler, sofern sie berichtet werden, und versuchen, Kolleginnen und Kollegen für die Problematik zu sensibilisieren. In Publikationen werden die Fehler dargestellt und mit Lösungsmöglichkeiten aufgearbeitet. Zu wünschen wäre, dass dieses Programm im Sinne der Patienten auf eine möglichst breite Basis gestellt wird.
Meldebogen finden Sie unter
www.krankenhauspharmazie.de
Taxis K, Wild R. Medikationsfehler in deutschen Krankenhäusern. Krankenhauspharmazie 2004;25:465-70.
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