Renale Anämie

Neue Leitlinien für die Erythropoetin-Therapie


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Nach den neuen europäischen Leitlinien sollten alle chronisch nierenkranken Patienten mit einem Hämoglobinwert unter 11 g/dl unabhängig von der glomerulären Filtrationsrate mit Erythrotpoetin behandelt werden. Nach der EFIXNES-Studie ist bei Gabe von Darbepoetin alfa (Aranesp®) im Vergleich zu rekombinantem Erythropoetin eine signifikant geringere Erhaltungsdosis erforderlich, wie auf einem Satellitensymposium der Firma Amgen im Rahmen des Nephrologen-Kongresses im Septemer 2004 in Basel berichtet wurde.

Seit etwa 20 Jahren ist die Behandlung der renalen Anämie mit Erythropoetin etabliert. In entsprechenden klinischen Studien konnte eindeutig belegt werden, dass bei urämischen Patienten der Grad der Anämie in direkter Beziehung zu Letalität und Hospitalisationshäufigkeit steht. Durch die Gabe von Erythropoetin wird die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität betroffener Patienten deutlich verbessert, jedoch sind kardiovaskuläre Endorganschäden wie die linksventrikuläre Hypertrophie nur bedingt rückbildungsfähig. Deshalb wird zurzeit diskutiert, ob es sinnvoll ist, bereits in frühen Stadien der Niereninsuffizienz, also bevor eine ausgeprägte renale Anämie vorliegt, mit der Erythropoetin-Behandlung zu beginnen.

Nach den neuen europäischen Leitlinien sollten alle chronisch nierenkranken Patienten mit einem Hb-Wert < 11,0 g/dl mit Erythropoese-stimulierenden Faktoren behandelt werden, und zwar unabhängig von der glomerulären Filtrationsrate. Damit unterscheidet sich die Empfehlung von früheren, bei denen als Indikation für Erythropoetin eine glomeruläre Filtrationsrate < 30 ml/min gefordert wurde. Entsprechend diesen neuen Empfehlungen sollten Dialysepatienten entweder Epoetin beta s. c. oder Darbepoetin alfa i. v. erhalten, bei allen anderen Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz können beide Substanzen s. c. gegeben werden.

In der EFIXNES-Studie (Efficacy of fixed doses of Aranesp) wurden 101 Dialysepatienten mit einem stabilen Hämoglobin-Wert unter einer konstanten Epoetin alfa/beta-Dosis auf Darbepoetin alfa i. v. einmal pro Woche oder alle 2 Wochen umgestellt, und zwar bei äquivalenter Dosis der eingesetzten Substanzen ( 200 I. U. Epoetin entsprechen 1 µg Darbepoetin alfa). Dabei wurde die notwendige Darbepoetin-alfa-Erhaltungsdosis ermittelt, die eine Stabilisierung des Hämoglobinwerts garantiert. Es zeigte sich, dass durch die Umstellung auf Darbepoetin alfa die Gesamtdosis um 25 % gesenkt werden konnte. In einer anderen Studie konnte bei Patienten in der Prädialysephase gezeigt werden, dass eine Therapie mit 46 µg alle 2 Wochen bei Stabilität des Hämoglobinwerts genauso wirksam ist wie die Gabe von 92 µg alle 4 Wochen.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Bedeutung von Erythropoetin über die Anhebung des Hämoglobinwerts hinausgeht. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass viele Organe Erythropoetin-Rezeptoren und lokale Erythropoetin-Systeme aufweisen, zum Beispiel im zentralen und peripheren Nervensystem und im Herzen. Speziell für das zentrale Nervensystem wurde bereits in einer klinischen Pilotstudie bei Patienten mit Hirninfarkt gezeigt, dass durch die Gabe hoher Erythropoetin-Dosen die Infarktgröße vermindert werden kann.

Bei Diabetikern mit chronischer Niereninsuffizienz entwickelt sich die renale Anämie früher und ausgeprägter als bei Stoffwechselgesunden. Hier korrelieren auch der Erythropoetin-Spiegel und der Hb-Wert mit dem Risiko des Nierenfunktionsverlusts.

In laufenden klinischen Studien wird geprüft, ob durch frühzeitige Korrektur der Anämie mikrovaskuläre Diabetesspätschäden auch beim Menschen günstig beeinflusst werden können, wie dies in tierexperimentellen Studien gezeigt wurde.

Quelle

Prof. Dr. Kai Uwe Eckardt Erlangen, Prof. Dr. Eberhard Ritz, Heidelberg, Prof. Dr. Andreas Bock, Aarau, Prof. Dr. Johannes Mann, München, Satellitensymposium „Neue Entwicklungen bei Erythropoetin“, veranstaltet von der Fa. Amgen im Rahmen des 35. Kongresses der Gesellschaft für Nephrologie, Basel, 19. September 2004.

Arzneimitteltherapie 2005; 23(01)