Systemische Mykosen

Invasive Mykosen oft nicht rechtzeitig erkannt


Andrea Warpakowski, Itzstedt

Lebensbedrohliche invasive Mykosen nehmen vor allem bei abwehrgeschwächten Patienten auf Intensivstationen, nach Organtransplantation oder mit hämatologisch-onkologischer Grunderkrankung zu. Die systemischen Mykosen werden zu wenig erkannt. Infektionen mit Aspergillus spp. sind auf dem Vormarsch.

Mit dem medizinischen Fortschritt steigt die Zahl der Patienten mit Immunschwäche. Vor allem in der Intensivmedizin werden heute Patienten über lange Zeit und oft auch erfolgreich therapiert, die vor 10 bis 15 Jahren an ihrer Grunderkrankung binnen kurzer Zeit gestorben wären. So zeigt die Entwicklung auf der chirurgischen Intensivstation des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, dass in der Zeit von 1992 bis 2003 die Zahl der jährlich behandelten Patienten von 1 082 auf 814 abnahm, die Liegedauer sich von 3,9 auf 5,9 Tage erhöhte und der Krankheitszustand sich verschlechterte (APACHE-II-Score 15,1 vs. 20,2).

Gewebsnekrosen, Feuchtigkeit, Wärme und ein vermindertes Redoxpotenzial bieten ein gutes Milieu für das Wachstum von Pilzen, das durch invasive Katheter, künstliche Ernährung und Langzeitbeatmung sowie die Abwehrschwäche der Patienten weiter gefördert wird. Derzeit sind fast 30 % der Infektionen auf Intensivstationen auf Pilze zurückzuführen. Die wichtigsten Systemmykosen sind Candidosen und Aspergillosen. Läsionen des Magen-Darm-Trakts und die Wanderung von Candida ssp. durch die Darmwand rufen eine peritoneale Mykose hervor, die früher nur in Ausnahmefällen, heute aber immer häufiger beobachtet wird. Besorgniserregend sind die zunehmenden Lungennekrosen und -blutungen durch Aspergillus-Arten. Eine frühzeitige Unterscheidung zwischen Kolonisation und Infektion ist häufig schwierig. Je früher aber eine systemische Mykose behandelt wird, um so größer ist die Chance, diese in den Griff zu bekommen.

Eine Autopsie-Studie am HUMAINE-Klinikum Bad Saarow (Tab. 1) bestätigt, dass lebensbedrohliche systemische Mykosen meist nicht rechtzeitig erkannt werden und dass sich das Erregerspektrum verändert hat. Zwischen 1973 und 2001 wurden 4 813 Autopsien auf systemische Mykosen untersucht. Im Lauf des Untersuchungszeitraums sank die Autopsiefrequenz von 80 % (1973–1991) auf etwa 28 % (1992–2001), sie liegt aber immer noch höher als der Bundesdurchschnitt von 3 %. In der Studie wurden insgesamt 47 systemische Mykosen (0,98 %) festgestellt, von denen die Hälfte direkt den Tod verursachte. Zu Lebzeiten der Patienten wurden nur 3 der 47 Mykosen (6,4 %) diagnostiziert.

Das Erregerspektrum der systemischen Mykosen hat sich im Untersuchungszeitraum verschoben: Bis 1980 gab es nur Candidosen, in den 1990er Jahren traten erste Aspergillosen auf und zwischen 1992 und 2001 gab es 9 Candidosen und 16 Aspergillosen (Tab. 1).

Auf dem Weg von der Kolonisation zur Infektion spielen Metabolismus, Morphogenese, Pathogenitätsmechanismen wie Adhäsion und Invasion sowie die Wechselwirkungen von humanpathogenen Pilzen mit dem Immunsystem eine Rolle. Diese Faktoren werden im Schwerpunkt Mykologie der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 2003 intensiv erforscht. Bisher ist beispielsweise unbekannt, warum Candida albicans und Aspergillus fumigatus besonders häufig zur Infektion des Menschen führen, viele andere Arten dagegen nicht. Das seit 2001 bestehende Nationale Referenzzentrum Systemische Mykologie (NRZSM) am Universitätsklinikum Göttingen arbeitet unter anderem daran, die Diagnostik zu verbessern und einfache Testverfahren zu entwickeln.

Quelle

Prof. Dr. Peter Kujath, Lübeck, Priv.-Doz. Stefan Koch, Bad Saarow, Prof. Dr. Uwe Groß, Göttingen, Pressekonferenz „Mykosen – die unterschätzte Gefahr“ anlässlich der 38. Wissenschaftlichen Tagung der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e. V. (DMykG), Hamburg, 8. September 2004.

Tab. 1. Inzidenz von systemischen Mykosen in einer Autopsiestudie [nach Koch et al.]

1973–1980

1981–1991

1992–2001

1973–2001

Fallzahl

11

10

26

47

Inzidenz [%]

K. A.

K. A.

K. A.

0,98

Mittleres Alter [Jahre]

56,1

58,9

63,8

Geschlecht m/w

9/2

7/3

16/10

32/15

Arzneimitteltherapie 2005; 23(02)