Dr. Susanne Heinzl, Stuttgart
Durch eine Senkung von LDL-Cholesterol-Spiegeln mit CSE-Hemmern kann die kardiovaskuläre Morbidität und Letalität deutlich gesenkt werden. Dennoch gibt es immer noch einen erheblichen Anteil von Patienten, die nicht oder nicht ausreichend von der Senkung der LDL-Cholesterol-Spiegel profitieren. Ein weiterer bekannter Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Ereignisse ist ein niedriger HDL-Cholesterol-Spiegel. Nicotinsäure ist eine der wirksamsten Therapiemöglichkeiten zur Erhöhung niedriger HDL-Cholesterol-Werte, mit einer Dosis von etwa 1 g/Tag steigt der HDL-Cholesterol-Wert um etwa 20 %. Bisher gibt es allerdings nur wenige Daten zu den klinischen Effekten einer Nicotinsäure-Monotherapie oder einer Kombinationsbehandlung aus CSE-Hemmer und Nicotinsäure. In der ARBITER-2-Studie (Arterial biology for the investigation of the treatment effects of reducing cholesterol) wurde daher randomisiert, doppelblind und Plazebo-kontrolliert untersucht, welche Wirkung Nicotinsäure in retardierter Form (Niaspan®) auf die Intima-Media-Dicke an den Halsschlagadern hat. Die Messung der Intima-Media-Dicke mit einer speziellen Ultraschalltechnik ist eine zuverlässige Technik zur Beurteilung atherosklerotischer Prozesse. Die Studie wurde am Walter Reed Army Medical Center in Washington DC durchgeführt. Zwischen Dezember 2001 und Mai 2003 wurden 167 Patienten aufgenommen, die mindestens 30 Jahre alt waren und an einer koronaren Herzkrankheit litten. Die Patienten wurden mit einem CSE-Hemmer behandelt und hatten einen LDL-Cholesterol-Wert unter 130 mg/dl sowie einen HDL-Cholesterol-Wert unter 45 mg/dl. Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Nicotinsäure, einer Lebererkrankung in der Anamnese oder erhöhten Leberenzymwerten wurden nicht aufgenommen.
Primärer Endpunkt der Studie war die Änderung der mittleren Intima-Media-Dicke nach einem Jahr Behandlung. Sekundäre Endpunkte umfassten Änderungen in den Serum-Lipidwerten, Nebenwirkungen wie Erhöhung der Leberenzyme und eine Kombination klinischer kardiovaskulärer Ereignisse wie Hospitalisierung wegen eines akuten Koronarsyndroms, Schlaganfall, Revaskularisierungsmaßnahmen oder plötzlicher Herztod.
Die Patienten waren im Mittel 67 ± 10 Jahre alt, 91 % waren Männer. Randomisiert erhielten sie retardierte Nicotinsäure in einer Dosierung von zunächst 500 mg über 30 Tage, dann 1 000 mg für die restliche Zeit der zwölf Monate dauernden Studie. Die Kontrollgruppe erhielt Plazebo. Alle Patienten wurden mit einem CSE-Hemmer behandelt, im Mittel waren die Patienten 4,8 Jahre mit einem CSE-Hemmer vorbehandelt. Die Patienten der Plazebo-Gruppe (n = 80) und der Nicotinsäure-Gruppe (n = 87) unterschieden sich in den demographischen Faktoren nicht. In beiden Gruppen waren die LDL-Cholesterol-Werte mit Durchschnittswerten von unter 100 mg/dl gut kontrolliert. 149 Patienten (89,2 %) beendeten die Studie und wurden in die primäre Endpunktanalyse eingeschlossen.
Der HDL-Cholesterol-Wert stieg in der Nicotinsäure-Gruppe signifikant von 39 ± 7 mg/dl auf 47 ± 16 mg/dl (p = 0,002), in der Plazebo-Gruppe änderte er sich nicht. Auch die Triglyceridwerte wurden in der Nicotinsäure-Gruppe signifikant verringert. Wie Abbildung 1 zeigt, stieg die Intima-Media-Dicke in der Nicotinsäure-Gruppe mit 0,014 ± 0,104 mm deutlich weniger als in der Plazebo-Gruppe mit 0,044 ± 0,100 mm (p = 0,08). In der gepaarten Analyse war der Anstieg der Intima-Media-Dicke in der Nicotinsäure-Gruppe von 0,893 auf 0,907 mm nicht statistisch signifikant (p = 0,23) während er in der Plazebo-Gruppe (von 0,868 mm auf 0,912 mm) signifikant war (p > 0,001).
Die Compliance wurde durch Tablettenzählen bestimmt, sie lag zwischen 90,3 und 94,5 % und war in beiden Gruppen gleich gut.
Bei keinem Patienten kam es zu einer signifikanten Erhöhung von Leberenzym-Werten oder zu einer Myositis. Unter den 18 Studienabbrechern hatten sechs von neun Patienten in der Plazebo-Gruppe und zwei von neun in der Nicotinsäure-Gruppe wegen Nebenwirkungen die Studie beendet. Flush war in der Nicotinsäure-Gruppe die häufigste Nebenwirkung und sie trat bei 69,2 % der Patienten auf, in der Plazebo-Gruppe waren nur 12,7 % der Patienten betroffen.
In dieser Studie konnte damit erstmals gezeigt werden, dass mit einer relativ niedrigen Dosis von Nicotinsäure (1 000 mg/Tag) zusätzlich zu einem CSE-Hemmer gegeben die Progression atherosklerotischer Veränderungen zumindest verlangsamt werden kann. Die günstigen Effekte dürften vermutlich auf die 21 %ige Erhöhung der HDL-Cholesterol-Konzentration und die gleichzeitige Senkung der Triglycerid-Werte zurückzuführen sein. Nicotinsäure in retardierter Form wurde in dieser Untersuchung im Allgemeinen gut vertragen. Mit Flush-Symptomen ist zu rechnen. Diese können verringert oder verhindert werden, wenn der Patient die Medikation vor dem Zubettgehen sowie zusammen mit Acetylsalicylsäure einnimmt.
Quellen
Taylor AJ et al. Arterial biology for the investigation of the treatment effects of reducing cholesterol (ARBITER) 2. A double-blind, placebo-controlled study of extended-release niacin on atherosclerosis progression in secondary prevention patients treated with statins. Circulation 2004;110:3512-7.
Video-Livekonferenz „Ergebnisse der ARBITER-2-Studie“. Frankfurt, 11. November 2004, veranstaltet von Merck, Darmstadt.

Abb. 1. Änderungen in der Intima-Media-Dicke bei Patienten, die mit einem CSE-Hemmer behandelt werden und zusätzlich Plazebo oder Nicotinsäure mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung (Niaspan®) erhielten
Arzneimitteltherapie 2005; 23(02)