Immunisierungsstrategien gegen Morbus Alzheimer bleiben in der Diskussion


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Der Morbus Alzheimer – die häufigste Demenzform des höheren Lebensalters – ist eine progrediente degenerative Hirnerkrankung. Das wichtigste neuropathologische Merkmal der Erkrankung ist die zerebrale Ablagerung von Beta-Amyloid, einem abnorm gefalteten 40 bis 42 Aminosäuren langen Peptid, in Form von so genannten Beta-Amyloid-Plaques. Diese Beta-Amyloid-Ablagerungen führen zu einer erhöhten neuronalen Vulnerabilität, zur Bildung intrazellulärer neurofibrillärer Bündel und zum Zelltod. Die Reduktion von Beta-Amyloid im Gehirn ist deshalb eine sehr interessante, innovative, pathogenetisch orientierte Therapiestrategie. Zu den wichtigsten Amyloid-senkenden Therapieansätzen, die zur Zeit intensiv erforscht werden, gehören die Hemmung der Beta-Amyloid-Produktion durch Beta- und Gamma-Sekretasehemmer, die Hemmung der Beta-Amyloid-Aggregation durch Metallchelatoren und der Abbau von Beta-Amyloid aus dem Gehirn durch eine entsprechende Immunisierung.

Eine Immunisierung gegen ein Antigen kann sowohl in aktiver als auch passiver Form erfolgen. Das Grundprinzip der aktiven Immunisierung beruht auf der Präsentation von Beta-Amyloid in aggregierter Form, also in Form von Fibrillen, als Antigen in Verbindung mit einem immunogenen Adjuvans. Nach Injektion der Vakzine wird das Antigen als körperfremd erkannt und löst eine humorale und zelluläre Immunantwort aus. Bei der passiven Immunisierung dagegen erfolgt die Gabe von Antikörpern gegen Beta-Amyloid direkt durch Injektion zum Beispiel in das venöse Blutsystem.

Aufgrund der überzeugenden Ergebnisse in Modellen mit transgenen Mäusen wurden erste klinische Studien mit Beta-Amyloid im Sinne einer aktiven Immunisierung durchgeführt, um die Sicherheit und Verträglichkeit dieses Therapieprinzips zu überprüfen. Doch die Immunisierungen mussten bereits nach der zweiten von sechs bis acht geplanten Injektionen abgebrochen werden, da bei 6 % der Patienten schwere Nebenwirkungen in Form von aseptischen Meningoenzephalitiden aufgetreten waren. Bei 12 der 18 betroffenen Patienten klangen die Entzündungen, meist unter Glucocorticoid-Therapie, vollständig ab und hinterließen keine klinischen Folgen. Doch bei sechs Patienten blieb eine kognitive Beeinträchtigung, zwei Patienten zeigten zusätzliche anhaltende neurologische Defizite und ein Patient verstarb mehrere Monate nach Auftreten einer Enzephalitis an den Folgen einer Pneumonie. Zur Zeit wird sehr intensiv nach den Ursachen dieser Nebenwirkungen geforscht. Am wahrscheinlichsten ist, dass der Impfstoff zu starke T-Zell-aktivierende Komponenten enthielt, die zu einer Überreaktion des Immunsystems führten.

Auch wenn diese Komplikationen zunächst dazu geführt haben, dass keine weiteren Studien mit der Immunisierung durchgeführt wurden, so haben entsprechende Nachuntersuchungen der Studienteilnehmer gezeigt, dass die aktive Immunisierung gegen Beta-Amyloid weiterhin als durchaus Erfolg versprechendes Therapiekonzept erforscht werden sollte. Denn wie der Leiter der Schweizer Kohortenstudie, Prof. Dr. Christoph Hock von der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich, im Rahmen des 29. Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer in Berlin darlegte, führte die Immunisierung gegen Beta-Amyloid zur Bildung hochspezifischer Antikörper gegen Beta-Amyloid-Plaques. Dies war verbunden mit Hinweisen für eine klinische Stabilisierung, das heißt, der Verlust von Gedächtnis- und Alltagskompetenzen war in der immunisierten Patientengruppe geringer. Darüber hinaus ergaben sich Hinweise für eine Amyloid-Clearance aus dem Gehirn. Ziel aktueller Forschungsaktivitäten sei es, so Hock, durch die Ausschaltung potenzieller Nebenwirkungen die Sicherheit und Verträglichkeit der Immunisierungstherapie zu verbessern und somit einen langfristigen Therapieeffekt zu erzielen. Deshalb würden sowohl modifizierte aktive als auch passive Immunisierungsstrategien weiter entwickelt.

Aber auch andere Amyloid senkende Therapieansätze werden zur Zeit intensiv erforscht, wie die Hemmung der Beta-Amyloid-Produktion durch Hemmung von Proteasen, die das Amyloid-Molekül aus einem Vorläuferprotein herausschneiden, sowie die Stimulation einer Protease, die die Amyloid-Bildung stoppt. Ein interessanter Therapieansatz ist auch die Hemmung der Beta-Amyloid-Aggregation durch Metallchelatoren wie Clioquinol oder durch andere Substanzen, die die Beta-Faltblattstruktur des Amyloids auseinanderbrechen.

Enttäuschend waren erste Ergebnisse prospektiver klinischer Studien mit nichtsteroidalen Antirheumatika, die die Amyloid-Bildung über antiinflammatorische Effekte reduzieren sollen, sowie Studien mit Estrogen-Ersatztherapien. Ein weiterer Ansatz, der nach ersten klinischen Beobachtungen Erfolg versprechend sein könnte, sind CSE-Hemmer (Statine), die durch eine Abnahme des Cholesterol-Gehalts der Zellmembran die Amyloid-Bildung und -Ablagerung stören können. Alle genannten Ansätze befinden sich in späten präklinischen oder frühen klinischen Versuchsstadien. Ob mit ihnen wirklich der therapeutische Durchbruch bei dieser bisher unheilbaren Erkrankung gelingen kann, steht allerdings in den Sternen.

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