Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart
Alemtuzumab (MabCampath®) ist ein humanisierter, rekombinanter monoklonaler Antikörper gegen das CD52-Antigen. CD52 wird auf B- und T-Zellen sowie auf den meisten Monozyten, Makrophagen und natürlichen Killerzellen exprimiert; nach Bindung des Antikörpers kommt es zur Zell-Lyse. Alemtuzumab ist zugelassen zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie vom B-Zell-Typ bei Patienten, die mit Alkylanzien vorbehandelt sind und auf eine Therapie mit Fludarabin (Fludara®) nicht oder nur kurzfristig angesprochen haben.
Zunehmend wird Alemtuzumab auch als Induktionstherapie vor einer Organtransplantation sowie bei Abstoßungsreaktionen nach einer Organtransplantation eingesetzt. Die Behandlung bewirkt eine T-Zell-Depletion (CD4), die bis zu 24 Monate anhält. Ob daraus andere Infektionsrisiken resultieren als bei gängigen Immunsuppressions-Strategien, ist bislang nicht bekannt. An der Universitätsklinik Pittsburgh wurden 445 konsekutive Patienten daraufhin für 6 bis 18 Monate überwacht. Sie hatten Alemtuzumab vor der Transplantation (63 %), nach der Transplantation (32 %) oder davor und danach erhalten. Routinemäßig erhielten sie eine Prophylaxe gegen Infektionen mit Pneumocystis carinii, Pilzen (bei Lungen- oder Multiorgantransplantation) oder Zytomegalie-Viren (außer bei Lebertransplantation).
Im Beobachtungszeitraum kam es zu 119 Episoden von Bakteriämie oder Fungämie, betroffen waren 71 Patienten (16 %). Es überwogen grampositive Erreger; eindrucksvoll war auch der Anteil der Antibiotika-resistenten Erreger (Tab. 1). Die Sterblichkeit innerhalb von 30 Tagen nach Auftreten einer Bakteriämie/Fungämie betrug 78 % (55/71).
Opportunistische Infektionen traten 37-mal auf, und zwar durch Mykobakterien (n = 3), Nocardien (n=4), Protozoen (n = 2), Zytomegalie-Viren (n = 12), BK-Viren (n = 4), Epstein-Barr-Viren (n = 2), Parvoviren (n=1) und Pilze (invasive Mykose; n = 9). Betroffen waren 34 Patienten. Opportunistische Infektionen traten häufiger auf, wenn Alemtuzumab zur Behandlung einer Abstoßungsreaktion eingesetzt worden war, als bei Patienten mit einer Alemtuzumab-Induktionstherapie (28/164 vs. 6/281).
Das höchste Infektionsrisiko hatten Patienten mit einer intestinalen (multiviszeralen) Transplantation. Die Infektionsinzidenz betrug bei
- Intestinaler Transplantation 54,5 % (12/22)
- Lebertransplantation 21,4 %
(32/149) - Lungentransplantation 15,3 %
(6/39) - Pankreastransplantation 9,1 %
(4/44) - Nierentransplantation 8,7 %
(17/195)
Insgesamt wurde das Infektionsrisiko im Vergleich zu anderen immunsuppressiven Verfahren als nicht erhöht beurteilt. Demnach spricht aus infektiologischer Sicht nichts gegen die – noch als experimentell geltende – Induktionstherapie mit Alemtuzumab bei organtransplantierten Patienten.
Zur Infektionsprävention bei diesen Patienten empfiehlt das Zentrum in Pittsburgh
- Co-trimoxazol lebenslang
- Valganciclovir für 3 Monate
- Voriconazol für 3 bis 6 Monate
- Isoniazid für 9 Monate (nach Lungentransplantation, wenn der präoperative Tuberkulintest positiv ausgefallen ist [PPD+]).
Quellen
Prof. Dr. Georg Maschmeyer, Post-ICAAC-Workshop, Washington, 3. November 2004, veranstaltet von Bristol-Myers Squibb.
Paterson DL, et al. Opportunistic infections in solid-organ transplant recipients pre-treated with alemtuzumab [Poster]. 44th ICAAC, Washington 30. Oktober bis 2. November 2004, Abstract K-1427.
Silveira FP, et al. Bacteremia and fungemia in solid-organ transplant (SOT) recipients receiving alemtuzumab [Poster]. 44th ICAAC, Washington 30. Oktober bis 2. November 2004, Abstract K-1428.
Tab. 1. Bakteriämien und Fungämien bei Alemtuzumab-behandelten Transplantatempfängern [nach Maschmeyer]
Erreger |
Inzidenz |
Grampositive |
|
Staphylococcus aureus (71,4 % Methicillin-resistent [MRSA] Enterokokken (40 % Vancomycin-resistent) Koagulase-negative Staphylokokken Andere |
17,6 % 16,8 % 11,7 % 4,2 % |
Gramnegative |
|
Klebsiellen (17 % Breitspektrum-Beta-Lactamase-Bildner [ESBL]) Pseudomonas aeruginosa (40 % multiresistent) Andere |
11,7 % 8,4 % 15,1 % |
Grampositive und gramnegative |
7,6 % |
Pilze |
|
Candida albicans, C. glabrata, |
Je 1,7 % |
Arzneimitteltherapie 2005; 23(04)