Werner Menz im Auftrag der AABG-Arbeitsgruppe ADKA e. V.

Abb. 1. Das klassische Renin-Angiotensin-System und seine Verknüpfung mit dem Kallikrein-Kinin-System
Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde Captopril als erster Vertreter der ACE-Hemmer in die Therapie des arteriellen Bluthochdrucks eingeführt. Die direkte Blockade des Renin-Angiotensin-Systems durch die ACE-Hemmer offenbarte sich bald als erfolgreiches und zukunftsträchtiges Therapieprinzip. Rund 20 Jahre später befinden sich in Deutschland 13 verschiedene Hemmstoffe aus dieser Arzneimittelklasse auf dem Markt, fünf davon sind inzwischen auch als preisgünstige Generika verfügbar.
Alle ACE-Hemmer wirken pharmakodynamisch gleich. Durch Hemmung des Angiotensin-Konversionsenzyms (identisch mit Kininase II) verhindern sie sowohl die Umwandlung des inaktiven Angiotensin I in den potenten Vasokonstriktor Angiotensin II als auch den Abbau des Vasodilatators Bradykinin (Abb. 1). Beides führt zu einer Blutdrucksenkung. Der gleiche Wirkungsmechanismus, das gruppenspezifische Nebenwirkungsprofil, die fast identischen Wechselwirkungen und Kontraindikationen bilden eine günstige Voraussetzung für eine Aut-simile-Substitution. Die nachfolgende Vergleichstabelle (Tab. 1, siehe PDF) dient als Entscheidungshilfe für die Aut-simile-Auswahl eines preisgünstigen ACE-Hemmers. Der Tabellenaufbau stützt sich auf eine von der AABG-Arbeitsgruppe des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker erstellten Mastertabelle [1]. Falls keine Literaturstellen angegeben werden, stammen die in der Übersichtstabelle (PDF) zusammengetragenen Informationen aus den aktuellen Fachinformationen der jeweiligen Präparate.
1. Zugelassene Indikationen
Primär wurden die ACE-Hemmer für die Therapie des Bluthochdrucks entwickelt. Daher überrascht es nicht, dass alle 13 ACE-Hemmer für die Indikation Hypertonie zugelassen sind. Acht davon haben auch die Zulassung für die Herzinsuffizienz. Weitere Indikationsgebiete der ACE-Hemmer sind eine linksventrikuläre Dysfunktion, die Postmyokardinfarkt-Therapie und die Nephropathie (diabetische und nicht-diabetische). Erst kürzlich wurde Ramipril als bisher einzigem die Zulassung für die kardiovaskuläre Sekundärprävention bei Hochrisikopatienten erteilt. Interessanterweise ist der klinische Nutzen der ACE-Hemmer für die Indikationen Herzinsuffizienz, Postmyokardinfarkt und Nephropathie weitaus besser belegt als für die Indikation des unkomplizierten Bluthochdrucks. Im Gegensatz zur Hypertonie liegen für diese Indikationen inzwischen mehrere Studien vor, die den Maßstäben einer Evidenz-basierten Medizin genügen.
2. Formulierungen
Lediglich Gopten® und Udrik® liegen als Kapseln vor, alle anderen aufgeführten Arzneimittel stehen als nicht retardierte und überwiegend teilbare Tabletten zur Verfügung. Darüber hinaus sind die Präparate Pres®, Xanef® und Accupro® auch als Ampullen für die i. v. Applikation im Handel.
Grundsätzlich spricht nichts gegen die Applikation eines ACE-Hemmers über eine Magen-Darm-Sonde. Allerdings wurde die Sondengängigkeit der Präparate nicht von allen Herstellern explizit untersucht.
Die Beurteilung der Anwenderfreundlichkeit beschränkt sich auf die drei Punkte Tablettengröße (siehe Übersichtstabelle, PDF), Bequemlichkeit der Entnahme aus dem Primärbehältnis und Praktikabilität der Teilbarkeit. Bei runden oder quadratischen Tablettenformen werden die Durchmesser (Ø), bei länglichen Tabletten deren Länge angegeben. Alle untersuchten Präparate lassen sich leicht entblistern. Die Teilbarkeit von Fempress® ist trotz Bruchrille schwierig und bei Accupro® führt Teilung zu ungleichen Bruchhälften. Alle anderen Präparate sind leicht teilbar.
3. Dosierungen
Die Anfangsdosierung eines ACE-Hemmers sollte bei Patienten mit einem aktivierten Renin-Angiotensin-System oder schwerer Hypertonie sehr niedrig gewählt werden, um zu starke Blutdruckabfälle zu vermeiden. Erkrankungen oder Situationen, die zu einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems führen, sind beispielsweise eine Hyponatriämie, Flüssigkeitsverluste durch Erbrechen, Diarrhö oder als Folge einer vorbestehenden Diuretika-Therapie sowie eine Herzinsuffizienz und eine renale Hypertonie.
Die Äquivalenzfaktoren für die einzelnen Wirkstoffe stammen aus einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger [2]. Äquivalenzberechnungen beruhen in der Regel auf Surrogatparametern, beispielsweise dem Ausmaß der Blutdrucksenkung, und weniger auf klinischen Daten. Falls die Dosisberechnung bei einer Aut-simile-Substitution mit Hilfe der Äquivalenzfaktoren erfolgt, sollte sie immer auch mit den Dosierungsempfehlungen aus den Fachinformationen der Hersteller abgeglichen werden.
Die Dosis-Wirkungs-Kurve der ACE-Hemmer verläuft relativ flach, das heißt, in einem höheren Dosisbereich führen ACE-Hemmer nur selten zu weiteren klinisch relevanten Blutdrucksenkungen. Ist eine stärkere Blutdrucksenkung erwünscht, muss der ACE-Hemmer mit einem Präparat aus einer anderen Antihypertensiva-Klasse, beispielsweise mit Diuretika kombiniert werden. Hingegen sollte auf Grund der klinischen Datenlage bei der Therapie der Herzinsuffizienz oder nach Myokardinfarkt beziehungsweise zur Senkung des kardiovaskulären Risikos bei Hochrisikopatienten eine – sofern verträglich – deutlich höhere Dosierung als die in der Hypertoniebehandlung übliche angestrebt werden.
4. Pharmakokinetik
Die ACE-Hemmer unterscheiden sich zum Teil deutlich sowohl in ihren pharmakokinetischen als auch in ihren Enzymbindungseigenschaften. Im klinischen Alltag scheinen diese Unterschiede jedoch keine große Relevanz zu besitzen, da durch die Entwicklung entsprechender Wirkungsstärken und bei Berücksichtigung der aktuellen Dosierungsempfehlungen keine wesentlichen Unterschiede in der Wirksamkeit festzustellen sind. Daher findet die Pharmakokinetik in dieser Tabelle keine Beachtung.
5. Relevante unerwünschte Wirkungen [3]
ACE-Hemmer werden im Allgemeinen recht gut vertragen. Häufigste Nebenwirkung ist ein trockener Reizhusten. In doppelblinden Studien tritt er in 1 bis 5 % aller Fälle auf, in offenen Anwendungsbeobachtungen bis zu 20 %. Ein Präparatewechsel innerhalb dieser Arzneimittelklasse beseitigt in der Regel dieses Problem nicht. Ebenso klinisch bedeutsam sind die initiale Hypotonie, eine Hyperkaliämie, die Zunahme einer Niereninsuffizienz und das seltene, aber potenziell lebensbedrohliche angioneurotische Ödem. Die in Tabelle 2 (PDF) angegebenen Inzidenzen sind Durchschnittswerte aus großen Interventionsstudien, Anwendungsbeobachtungen und Postmarketing-Beobachtungen.
6. Relevante Wechselwirkungen
Ebenso wie die unerwünschten Wirkungen sind die Wechselwirkungen der ACE-Hemmer mit anderen Arzneimitteln oder Nahrungsmitteln überwiegend gruppenspezifischer Art. Die klinisch bedeutsamen Wechselwirkungen sind Tabelle 3 (PDF) zu entnehmen.
7. Klinischer Nutzen
Der klinische Nutzen der ACE-Hemmer ist ohne Zweifel in einer Vielzahl von Untersuchungen immer wieder belegt worden. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wollte man alle mit ACE-Hemmern durchgeführten klinischen Studien auflisten. In der Übersichtstabelle (PDF) werden daher nur die großen Studien erwähnt, in denen als primärer Endpunkt die kardiovaskuläre oder Gesamtmortalität allein oder in Kombination mit weiteren klinischen Endpunkten untersucht wurde. Das Ausmaß des klinischen Nutzens wird in der Tabelle als relative Risikoreduktion der Gesamtmortalität dargestellt. Die relative Risikoreduktion wird folgendermaßen berechnet: (Kontrollereignisraten minus Ereignisraten in der experimentellen Gruppe) dividiert durch Kontrollereignisraten.
8. Dokumentation
Die in der Übersichtstabelle (PDF) erwähnten Daten zu der Anzahl behandelter Patienten in und außerhalb von Studien sind das Ergebnis einer Anfrage bei den jeweiligen Herstellern. Bedauerlicherweise waren viele Hersteller nicht in der Lage, hierüber eine Aussage zu treffen. Überdies sind die angegebenen Zahlenwerte allenfalls als grobe Schätzungen zu betrachten.
9. Kosten DDD
Als Grundlage für einen Kostenvergleich wurde die aus den Äquivalenzfaktoren berechnete oder die in den Fachinformationen empfohlene mittlere Erhaltungsdosis für die Hypertoniebehandlung herangezogen. Die Tagestherapiekosten basieren auf dem Apothekenverkaufspreis einer N3-Packung der entsprechenden Arzneimittelstärke [4]. Eine Kostenkalkulation von Importen patentgeschützter ACE-Hemmer wurde nicht durchgeführt. Die Verordnung preisgünstiger Generika führt im Vergleich zum Originalpräparat zu einer etwa 20 %igen Reduktion der Kosten, bei Captopril werden die Kosten durchschnittlich um 35 % gesenkt. Auch 2004 wurden im Vergleich zu 2003 die Kosten nochmals zum Teil beträchtlich gesenkt [4]
10. Anzahl verfügbarer Generika
Von den 13 ACE-Hemmstoffen stehen zurzeit nur fünf Wirkstoffe Captopril, Enalapril, Lisinopril, Ramipril und Quinapril als Generika auf dem Markt zur Verfügung [4].
Literatur
1. Krämer I. § 115c SGB V gemäß Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG). Krankenhauspharmazie 2003;24:202–7.
2. Bundesanzeiger 1998;174:13858.
3. Scholze J, Dominiak P. Antihypertensive Substanzklassen. In: Scholze J (Hrsg.). Hypertonie, Risikokonstellationen und Begleiterkrankungen. 2. Aufl. Berlin, Wien: Blackwell Wissenschaftsverlag, 1999:114–6.
4. Lauer-Taxe vom 5. August 2004.
5. www.pharmatrix.de/sonde/
6. Herstellerangaben
7. Gelbe Liste Identa 2003. 14. Auflage. Neu-Isenburg: Medi Media Der Wissensverlag, 2003.
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26. Europa Investigators. Efficacy of perindopril in reduction of cardiovascular events among patients with stable coronary artery disease: randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre trial (the Europa study). Lancet 2003;362:782–8.
Dr. Werner Menz, Apotheke des Theresienkrankenhauses und der St. Hedwig Klinik GmbH, Bassermannstr. 1, 68165 Mannheim
Arzneimitteltherapie 2005; 23(05)