Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung im klinischen Alltag. Beim Management dieser Patienten stellt sich immer zunächst die Frage, ob eine Stabilisierung des Sinusrhythmus, das heißt eine Rhythmuskontrolle durch Antiarrhythmika angestrebt werden soll, oder ob man sich auf eine Kontrolle der Kammerfrequenz mit Digitalisglykosiden, Betablockern oder Verapamil beschränkt. Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass angesichts der potenziellen Risiken einer medikamentösen antiarrhythmischen Therapie zumindest bei asymptomatischen Patienten auf die Rhythmuskontrolle verzichtet werden sollte; denn Antiarrhythmika wirken negativ inotrop und können eine proarrhythmogene Wirkung bis hin zu Torsades de Pointes entfalten.
Die zweite Frage, die sich bei jedem Patienten mit Vorhofflimmern stellt, ist, ob eine orale Langzeitantikoagulation eingeleitet werden sollte. Eine solche wird dringend empfohlen, wenn entsprechende Risikofaktoren für eine Hirnembolie vorliegen. Dazu gehört Alter über 60 Jahre, schlechte linksventrikuläre Pumpfunktion, Zustand nach Hirnembolie und Mitralvitium. Aber auch ein Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und eine koronare Herzkrankheit sind Risikoindikatoren für eine Hirnembolie, so dass auch bei solchen Patienten die Indikation für eine Antikoagulation großzügig gestellt werden sollte. Nur bei jüngeren Patienten ohne solche Risikofaktoren kann auf die Antikoagulation verzichtet oder ein Thrombozytenfunktionshemmer eingesetzt werden.
Eine aktuelle Erhebung (Euro Heart Survey) zeigt, dass diese Empfehlungen nicht konsequent umgesetzt werden. Die Daten von 5 334 Patienten aus 182 kardiologischen Zentren in 35 europäischen Ländern wurden ausgewertet. Nur 34 % der Risiko-Patienten mit Indikation für eine orale Langzeitantikoagulation erhielten diese. Andererseits wurden 55 % derjenigen Patienten mit einem sehr geringen Hirnembolierisiko unnötigerweise mit einem Vitamin-K-Antagonisten antikoaguliert.
Ähnliche Ergebnisse fanden sich für die Rhythmuskontrolle. 40 % derjenigen Patienten, die keine Beschwerden unter der Rhythmusstörung verspürten, erhielten Antiarrhythmika oder eine Elektrokardioversion. Dabei wurden überdurchschnittlich häufig Klasse-Ic-Antiarrhythmika eingesetzt, obwohl bei etwa 10 % der Patienten ein erhöhtes Proarrhythmierisiko vorlag, beispielsweise eine schlechte linksventrikuläre Pumpfunktion.
Die Ergebnisse dieser Erhebung zeigen, dass Patienten mit Vorhofflimmern nicht nur häufig untertherapiert, sondern auch übertherapiert werden.
Quelle
Crijns H. Management of atrial fibrillation in ESC countries: First lessons from the Euro Heart Survey, Europäischer Kardiologenkongress, München, 29. August 2004.
Arzneimitteltherapie 2005; 23(05)