Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten

Tirofiban in höherer Dosierung – keine vermehrten Blutungskomplikationen


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Barbara Kreutzkamp, München

Der Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonist Tirofiban erweist sich in einer Dosierung von 25 µg/kg als Bolus und einer anschließenden 18-stündigen Infusion von 0,15 µg/kg pro min bei koronaren Stent-Implantationen als vergleichbar sicher wie Abciximab.

Das Einsetzen von Stents erfolgt bei vielen Patienten unter dem Schutz von Thrombozytenfunktionshemmern. Zu dieser Gruppe gehören die Glykoprotein(GP)-IIb/IIIa-Rezeptorblocker wie Abciximab (ReoPro®) und Tirofiban (Aggrastat®). Allerdings besteht noch kein Konsens über die Dosierung von Tirofiban – die bisher eingesetzten Dosierungen (10 µg/kg Bolus, anschließende Infusion von 0,15 µg/kg/min) sind möglicherweise für eine effiziente, rasch einsetzende Plättchenhemmung zu gering. In einer Studie wurden Wirksamkeit und Blutungsrisiken einer höheren Tirofiban-Dosierung untersucht.

Dazu wurden retrospektiv zwei Gruppen von Patienten miteinander verglichen. Die Patienten unterzogen sich einer perkutanen Stent-Implantation (überwiegend über einen femoralen Zugang), die angiografischen Charakteristika der Patienten waren vergleichbar, die Eingriffe erfolgten im gleichen Katheterlabor. In der ersten Kohorte erhielten 280 von 802 Patienten (34,9 %) Abciximab, in der zweiten Kohorte 274 von 716 Patienten (38,3 %) Tirofiban. Therapieentscheidung und Dosierung war dem behandelnden Arzt überlassen. Aufgrund interner Katheterlabor-Richtlinien kann aber auf ein einheitliches Prozedere bei den beiden Kohorten geschlossen werden. Die Behandlung mit Abciximab erfolgte durch einen 0,25-mg/kg-Bolus, gefolgt von einer zwölfstündigen Infusion von 0,125 µg/kg pro min. Tirofiban wurde als 0,25-µg/kg-Bolus gefolgt von einer 18-stündigen Infusion von 0,15 µg/kg pro min gegeben.

Primäre Endpunkte waren schwerwiegende Blutungen (z. B. hämorrhagischer Schlaganfall, gastrointestinale Blutungen) und Komplikationen an der Einstichstelle (z. B. femorale Hämatome mit einem mehr als 15%igen Abfall des Hämatokritwerts). Darüber hinaus wurden kardiale Komplikationen bis zu 30 Tage nach dem Eingriff ermittelt (z. B. Myokardinfarkt). Alle Patienten erhielten nach der Stent-Implantation über vier Wochen Ticlopidin und Acetylsalicylsäure.

Die GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten wurden in 51 % der Fälle vor dem perkutanen Koronareingriff gegeben, 48,4 % erhielten die Medikation während des Eingriffs. Schwere Blutungskomplikationen traten bei vier Patienten unter Abciximab und bei keinem Patienten unter Tirofiban auf (1,4 % vs. 0 %; p = 0,12), Komplikationen an der Injektionsstelle waren vergleichbar (3,6 vs. 3,3 %; p = 0,96). Auch bei den kardialen Zwischenfällen innerhalb von 30 Tagen ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen (7,1 % vs. 5,8 %; p = 0,65).

25 µg/kg als Bolus sind sicher

Die bisher gegebene Bolus-Dosierung des GP-IIb/IIIa-Rezeptorblockers Tirofiban zur Hemmung der Thrombozytenfunktion, beispielsweise im Rahmen von perkutanen Koronareingriffen, ist mit 10 µg/kg wahrscheinlich zu gering. Eine höhere Bolus-Dosierung mit 25 µg/kg ist sicher und wird nicht mit einer erhöhten Blutungsrate erkauft. Nun sollte diese Tirofiban-Dosis in einer prospektiven Vergleichsstudie noch einmal untersucht werden.

Quelle

Danzi GB, et al. Safety of a high bolus dose of tirofiban in patients undergoing coronary stent placement. Catheter Cardiovasc Interv 2004;61:179–84.

Arzneimitteltherapie 2005; 23(06)