ST-Hebungsinfarkt

Clopidogrel verringert das Komplikationsrisiko


Bei instabiler Angina pectoris und Nicht-ST-Hebungsinfarkt gehört Clopidogrel heute zur Standardtherapie. Im Rahmen zweier großer klinischer Studien wurde jetzt die zusätzliche Gabe dieses Thrombozytenfunktionshemmers zur Standardtherapie auch bei Patienten mit einem ST-Hebungsinfarkt untersucht. Dabei erwies sich Clopidogrel als sicher und effektiv. Die sofortige Gabe eines Betablockers zeigte dagegen keinen günstigen Effekt.

Bereits vor einigen Jahren wurde im Rahmen der CURE-Studie (Clopidogrel in unstable angina to prevent recurrent ischemic events) bei Patienten mit instabiler Angina pectoris oder Nicht-ST-Hebungsinfarkt gezeigt, dass die zusätzliche Gabe des Thrombozytenfunktionshemmers Clopidogrel (Iscover®, Plavix®) zur Standardtherapie die Komplikationsrate und die Prognose dieser Patienten signifikant verbessert, und zwar unabhängig davon, ob diese Patienten primär konservativ oder interventionell behandelt werden. Daraufhin haben sowohl die Europäische als auch die Amerikanischen Gesellschaften für Kardiologie Clopidogrel in ihre Therapieempfehlungen aufgenommen.

Für Patienten mit einem ST-Hebungsinfarkt lagen bisher keine Daten vor. Auch wurde befürchtet, dass die duale Thrombozytenfunktionshemmung mit Clopidogrel und Acetylsalicylsäure (ASS) bei primär lysierten Patienten das Risiko einer schwerwiegenden Blutungskomplikation erhöhen könnte.

Deshalb wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Clopidogrel im Rahmen zweier großer klinischer Studien bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt untersucht.

CLARITY-TIMI-28-Studie

In die CLARITY-TIMI-28-Studie (Clopidogrel as adjunctive reperfusion therapy thrombolysis in myocardial infarction [TIMI 28]) wurden 3 491 Patienten in einem Alter zwischen 18 und 75 Jahren mit einem frischen ST-Hebungsinfarkt aufgenommen, die innerhalb von 12 Stunden nach Beginn der Symptomatik standardmäßig mit einem Thrombolytikum, Acetylsalicylsäure und Heparin behandelt wurden. Anschließend erfolgte die Randomisierung, wobei 1 752 Patienten Clopidogrel und 1 739 Patienten Plazebo erhielten. Die Clopidogrel-Therapie wurde mit einer Initialdosis von 300 mg begonnen und anschließend mit 75 mg täglich fortgeführt. Zwischen dem 2. und 8. Tag wurden alle Patienten koronarangiographiert. Primärer Endpunkt der Studie war die Kombination aus Verschlussrate des Koronargefäßes, Tod oder Reinfarkt vor der Koronarangiographie. Für Patienten ohne Koronarangiographie galt Tod oder Reinfarkt an Tag 8 oder Krankenhausentlassung als primärer Endpunkt.

Durch die zusätzliche Gabe von Clopidogrel konnte die Häufigkeit des primären Endpunkts signifikant um absolut 6,7 % (relativ 36 %), und zwar von 21,7 % auf 15,0 % gesenkt werden (Tab. 1). Besonders ausgeprägt war die Wirkung von Clopidogrel auf die TIMI-Flussrate und die Senkung der Reinfarkt-Häufigkeit. Die Sterblichkeit wurde dagegen nicht signifikant beeinflusst.

Dieser therapeutische Nutzen wurde nicht durch ein erhöhtes Blutungsrisiko erkauft. Weder bei größeren noch bei kleineren Blutungen fand sich ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Behandlungsgruppen. Die klinisch relevante NNT (Number needed to treat) beträgt nach den Ergebnissen dieser Studie 36.

COMMIT/CCS-2-Studie

Die zweite Studie zu diesem Thema war ähnlich konzipiert. Im Rahmen der COMMIT/CCS-2-Studie (Clopidogrel and metoprolol in myocardial infarction trial) wurden in 1 250 Zentren in China über 45 000 Patienten mit einem Myokardinfarkt mit ST-Hebung oder neu aufgetretenem Linksschenkelblock randomisiert innerhalb von 24 Stunden mit 75 mg Clopidogrel (n = 22 960) oder Plazebo (n = 22 891) jeweils zusätzlich zu Acetylsalicylsäure behandelt. Primärer Endpunkt der Studie waren Tod und die Kombination aus Tod, Reinfarkt und Schlaganfall innerhalb von vier Wochen oder während des Krankenhausaufenthalts.

Auch in dieser Studie konnte durch die duale Thrombozytenfunktionshemmung das Komplikationsrisiko signifikant von 10,1 % auf 9,3 % gesenkt werden. Während in der Plazebo-Gruppe 2 311 Ereignisse auftraten, waren es in der Clopidogrel-Gruppe nur 2 125. Das Letalitätsrisiko wurde um relativ 7 %, das Reinfarktrisiko um relativ 13 % und das Schlaganfallrisiko um relativ 14 % gesenkt. Auch in dieser Studie erwies sich Clopidogrel als ein sicheres Therapieprinzip, da die Zahl größerer Blutungen nicht zunahm. Sie betrug in der Plazebo-Gruppe 0,54 % und in der Clopidogrel-Gruppe 0,58 %.

Betablocker erst, wenn der Patient stabil ist

Im Rahmen der COMMIT/CCS-2-Studie wurde in einem zweiten Studienarm auch die Gabe eines Betablockers, nämlich Metoprolol bei Patienten mit einem akuten ST-Hebungsinfarkt (n = 22 927) Plazebo-kontrolliert untersucht. Ausgeschlossen waren Patienten mit einem kardiogenen Schock, das heißt einem systolischen Blutdruck unter 100 mm Hg, einer Bradykardie mit einer Frequenz < 50 Schläge/min oder einem AV-Block II./III. Grades. Die Metoprolol-Therapie wurde mit 15 mg i. v. über 15 Minuten begonnen und anschließend mit 200 mg oral täglich fortgeführt.

Durch die zusätzliche Gabe des Betablockers konnte zwar das absolute Risiko für einen Reinfarkt signifikant reduziert werden, und zwar bei 5 von 1 000 Patienten. Auch die Rate für Kammerflimmern wurde gesenkt. Doch diese günstige Wirkung wurde vollständig neutralisiert, da unter dem Betablocker signifikant häufiger ein kardiogener Schock mit tödlichem Ausgang eintrat, nämlich bei 11 von 1 000 Patienten. Diese Ergebnisse stehen in einem gewissen Widerspruch zu den bisherigen Empfehlungen. Die vorliegenden Daten zeigen, dass es besser ist, mit dem Betablocker erst dann zu beginnen, wenn der Patient stabil ist, also am zweiten oder dritten Tag nach dem Infarkt.

Quellen

Sabatine MS. CLARITY-TIMI 28 Studie: Clopidiogrel as adjunctive reperfusion therapy thrombolysis in myocardial infarction (TIMI). 28. Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC), Orlando, 9. März, 2005.

Sabatine MS, Cannon CP, Gibson CM, López-Sendón JL, et al. Addition of clopidogrel to aspirin and fibrinolytic therapy for myocardial infarction with ST-segment elevation. N Engl J Med 2005;352:1179–82.

Chen ZM, Collins R. COMMIT/CCS-2-Studie: Clopidogrel and metoprolol in myocardial infarction trial. 28. Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC), Orlando, 8. März 2005.

Dr. med. Peter Stiefelhagen

Tab. 1. Wirkungen von Clopidogrel auf den primären Endpunkt in der CLARITY-TIMI-28-Studie

Clopidogrel (n = 1 752)

Plazebo (n = 1 739)

Odds-Ratio (95 %-KI)

p-Wert

Primärer Endpunkt (Kombination)

262 (15,0 %)

377 (21,7 %)

0,64 (0,53–0,76)

< 0,001

TIMI-Fluss Grad 0 oder 1

192 (11,7 %)

301 (18,4)

0,59 (0,48–0,72)

< 0,001

Tod

45 (2,6 %)

38 (2,2 %)

1,17 (0,75–1,82)

0,49

Reinfarkt

44 (2,5 %)

62 (3,6 %)

0,70 (0,47–1,04)

0,08

Arzneimitteltherapie 2005; 23(07)