Chronisch-lymphatische Leukämie

Monoklonale Antikörper verbessern die Therapieergebnisse


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Monoklonale Antikörper können entsprechend erster Studienergebnisse die Therapieergebnisse der Erstlinienbehandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) verbessern. Standard der CLL-Erstlinienbehandlung ist derzeit die Kombinationstherapie mit Fludarabin (Fludara®) plus Cyclophosphamid (Endoxan®).

Die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste Leukämieform in westlichen Industrienationen: Maligne B-Lymphozyten mit geringer Teilungsrate und zugleich verlängerter Überlebenszeit akkumulieren langsam.

In den letzten Jahren wurden verschiedene Prognosefaktoren für die CLL indentifiziert. Diskutiert werden zwei Krankheitsformen:

  • CLL mit aggressivem Verlauf (ungünstige Prognose): keine Mutation des IgVh-Gens („Immunglobulin heavy-chain variable-region gene”), Expression der Tyrosinkinase ZAP-70 (Funktion noch nicht geklärt, Expression korreliert mit Mutationsstatus des IgVh-Gens)
  • CLL mit langsamem Verlauf (günstige Prognose): Mutation des IgVh-Gens

Als weitere Parameter werden unter anderem Oberflächenmarker der Zellen (z. B. CD38 [„cluster of differentiation“]) und beispielsweise die Aktivität der Lipoprotein-Lipase für die Prognose der CLL betrachtet. Die beobachteten Veränderungen korrelieren auch hier mit Veränderungen des IgVh-Gens.

Erstlinienbehandlung

Bei 278 Patienten mit bisher unbehandelter CLL wurden zwei verschiedene Erstlinienbehandlungen miteinander verglichen: eine Fludarabin-Monotherapie (25 mg/m2 Tag 1–5, Wiederholung Tag 28) wurde mit der Kombinationstherapie Fludarabin (20 mg/m2 Tag 1–5, Wiederholung Tag 28) plus Cyclophosphamid (500 mg/m2 Tag 1) verglichen. Mit der Kombinationstherapie konnte ein deutlich verbessertes Gesamtansprechen (74 % unter Kombinationstherapie versus 54 % unter Fludarabin-Monotherapie) und ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben (41 Monate unter Kombinationstherapie versus 17,7 Monate unter Fludarabin-Monotherapie) erreicht werden. In dieser Studie erhielten Patienten der Kombinationstherapie-Gruppe als Begleitmedikation Ganulozyten-stimulierenden Faktor sowie eine antibiotische Prophylaxe. Schwere Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen vergleichbar häufig auf.

Die Ergebnisse einer weiteren Studie, der LRF CLL4-Studie, in die 730 CLL-Patienten eingeschlossen wurden, liegen noch nicht vor. Im Rahmen dieser Studie werden drei Behandlungsstrategien miteinander verglichen: eine Chloarambucil-Monotherapie (Leukeran®), eine Fludarabin-Monotherapie und die Kombinationstherapie Fludarabin plus Cyclophosphamid. Erste Studienanalysen zeigen, dass die Hälfte der Patienten mit Verlust genetischen Materials von Chromosom 17 (17p-Deletion, betrifft das Tumorsuppressorgen p53, was zu einer Deregulation des Zellzyklus führt) auf eine solche Therapie überhaupt nicht ansprechen, oder die Krankheit trotz Therapie progredient verläuft. Patienten mit einer 17p-Deletion zeigen eine 2-Jahres-Überlebensrate von 67 %, bei Patienten ohne solche Veränderungen beträgt sie dagegen 87 %. Insgesamt korreliert das Ansprechen auf die Therapie invers mit der Zahl der Zellen mit 17p-Deletion (kritische Schwelle liegt bei 20 % 17p-deletierter B-Lymphozyten).

Ein besonderes Problem bei der Therapie von CLL-Patienten ist die autoimmunhämolytische Anämie. In der LRF CLL4-Studie lag die Inzidenz dieser Komplikation bei 9,2 % (12,7 % unter Chlorambucil- und 9,9 % unter Fludarabin-Monotherapie sowie 2,7 % unter der Kombinationstherapie Fludarabin plus Cyclophosphamid). Fludarabin induzierte eine autoimmunhämolytische Anämie seltener; wenn jedoch eine solche Komplikation auftrat, verlief sie schwerwiegender. Insgesamt zeigten Patienten mit einer autoimmunhämolytischen Anämie einen ungünstigeren Verlauf und somit eine schlechtere Prognose.

Erste Erfahrungen gibt es auch in der Erstlinienbehandlung von CLL-Patienten mit monoklonalen Antikörpern. So wurde in einer klinischen Studie die Dreifach-Kombinationstherapie Rituximab (MabThera®: 375 mg/m2 Tag 1) plus Pentostatin (Nipent®: 2 mg/m2, Tag 1) plus Cyclophosphamid (Endoxan®: 600 mg/m2, Tag 1) alle 3 Wochen für maximal 6 Zyklen eingesetzt. Zusätzlich erhielten alle Patienten Granulozyten-stimulierenden Faktor und Aciclovir-Prophylaxe. Die Gesamtansprechrate betrug 100 %, wobei 39 % der Patienten eine komplette Remission und 61 % eine partielle Remission zeigten. Bei jedem dritten Patienten entwickelte sich eine Neutropenie.

Im Rahmen anderer Studien werden derzeit auch monoklonale Antikörper wie Rituximab (MabThera®) und Alemtuzumab (MabCampath®) als Alternative oder Kombinationspartner zusammen mit Fludarabin plus Cyclophosphamid eingesetzt. Ob diese Kombinationstherapien zu einer weiteren Verbesserung des Behandlungserfolgs führen, ist noch nicht eindeutig geklärt. Jedoch traten unter Gabe von Alemtuzumab häufiger schwerwiegende Nebenwirkungen auf als unter Gabe von Chlorambucil, insbesondere fanden sich häufiger symptomatische Reaktivierungen einer Infektion mit Cytomegalie-Viren, die jedoch alle auf eine Therapie mit Ganciclovir ansprachen.

Konsolidierungstherapie

Die Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers Alemtuzumab in der Konsolidierungstherapie wurde in einer Studie nachgewiesen. Unabhängig davon, ob die Erstlinientherapie mit Fludarabin allein oder mit der Kombinationstherapie Fludarabin plus Cyclophosphamid durchgeführt wurde, führte Alemtuzumab zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens.

Rezidivtherapie

Eine neue therapeutische Option zur Behandlung des CLL-Rezidivs ist das Antisense-Oligonukleotid Oblimersen (vorgesehener Handelsname Genasense®), das an die mRNS für das antiapoptotische Protein bcl-2 bindet und damit die Bildung von bcl-2 hemmt, wodurch die Tumorzellen für Apoptosesignale wieder empfindlicher werden. In einer klinischen Studie wurde diese Substanz zusätzlich zur Kombinationstherapie mit Fludarabin plus Cyclophosphamid bei Patienten mit einem Rezidiv eingesetzt. Dadurch konnte zwar die Remissionsrate signifikant von 7 % auf 16 % gesteigert werden, aber das Gesamtansprechen und das progressionsfreie Überleben wurden nicht verbessert.

Dagegen konnte durch die subkutane Gabe von Alemtuzumab bei Patienten mit einem Rezidiv eine günstige Wirkung, und zwar unabhängig vom Risikoprofil der Patienten, also auch bei Hochrisiko-Patienten mit genetischer Veränderung nachgewiesen werden. Insgesamt sprachen 48 % der Patienten auf dieses Therapieprinzip an. Ähnlich sind die Ergebnisse der Vierfach-Kombinationstherapie (Cyclophosphamid, Fludarabin, Alemtuzumab und Rituximab). Insgesamt konnte durch diese Vierfach-Kombinationstherapie bei 58 % der Patienten mit rezidivierter refraktärer CLL Wirksamkeit beobachtet werden, wobei 23 % der Patienten eine komplette und 35 % eine partielle Remission zeigten.

Eine weitere neue Option für die Behandlung eines CLL-Rezidivs ist Flavopiridol. Diese Substanz hemmt Cyclin-abhängige Kinasen, die für das Fortschreiten des Zellzyklus wichtig sind, und zeigt wachstumshemmende aber auch Apoptose-begünstigende Wirkung. In einer ersten Studie mit dieser Substanz bei 23 vorbehandelten Patienten konnte bei 43 % eine partielle Remission erreicht werden. Die Toxizität scheint allerdings recht hoch zu sein. Auch hier war das Ansprechen unabhängig von Prognosefaktoren.

Autologe Stammzelltransplantation

Die autologe Stammzelltransplantation ist bei Hochrisiko-Patienten mit CLL eine therapeutische Option, die bei einer Sterblichkeit von 5 % zu einem ereignisfreien Überleben von etwa 5 Jahren führt. Ob diese Therapieoption effektiver ist als die neue Standardtherapie Fludarabin in Kombination mit Cyclophosphamid, muss in weiteren Studien untersucht werden.

Quelle

Priv.-Doz. Dr. C. Wendtner, Köln, Post-Meeting der Jahrestagung 2004 der „American Society of Hematology“ (ASH) in San Diego, „Breaking News”, CLL, Köln, 2. Februar 2005.

Arzneimitteltherapie 2005; 23(07)