Direkte Thrombin-Inhibitoren

Pharmakokinetik von Dabigatran etexilat


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Alexandra Hennemann, Stuttgart

Mit dem Thrombin-Inhibitor Dabigatran etexilat wird bei einer frühen oralen Gabe als Kapsel ein bis drei Stunden nach einem elektiven Hüftgelenksersatz eine ausreichende Plasmakonzentration zur Thromboseprophylaxe erreicht, wie eine Studie zur Pharmakokinetik ergab.

Dabigatran etexilat (BIBR 1048) ist ein direkter oraler Thrombin-Inhibitor mit niedriger relativer Molekülmasse. Es hemmt Thrombin spezifisch, reversibel und kompetitiv. Das Prodrug wird nach der oralen Einnahme rasch umgewandelt in die Wirkform Dabigatran, die oral selbst nur zu 3,5 bis 5 % bioverfügbar ist. Ausgeschieden wird Dabigatran vor allem über die Nieren. Die terminale Eliminationshalbwertszeit beträgt 14 Stunden. Das CYP-450-Enzymsystem ist nicht am Abbau beteiligt, es wird weder induziert noch gehemmt.

Das Ausmaß der Absorption des Thrombin-Inhibitors wurde in zwei Studien untersucht. Primäre Endpunkte waren jeweils die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC), die maximale Plasmakonzentration (Cmax) und die Zeit bis dahin (tmax). Darreichungsform war eine Hartgelatine-Kapsel gefüllt mit Mikropellets, bei denen der Wirkstoff auf einen überzogenen Weinsäurekern aufgebracht ist. Sie wurde entwickelt, weil die ursprüngliche Tablettenformulierung unter anderem zu einer zu großen interindividuellen Streuung der pharmakokinetischen Parameter führte.

In einer offenen Phase-I-Studie wurde die Pharmakokinetik einer Einzeldosis von 150 mg Dabigatran etexilat bei 18 gesunden Probanden untersucht. Die normalgewichtigen Männer (medianes Alter 37 Jahre) nahmen die Kapsel im Cross-over-Verfahren in drei Gruppen ein:

  • nüchtern,
  • nach einem fettreichen Frühstück oder
  • zusätzlich zu einer Therapie mit Pantoprazol (Pantozol®).

Die Einnahme mit einer Mahlzeit hatte keinen wesentlichen Einfluss auf das Ausmaß der Absorption von Dabigatran etexilat (Tab. 1), die Schwankungen von Cmax und AUC zwischen den Patienten verringerten sich. Bei gleichzeitiger Einnahme des Protonenpumpenhemmers Pantoprazol (2 x täglich 40 mg) sanken die AUC und Cmax deutlich (Tab. 1), die Variabilität war hoch (Variationskoeffizient für AUC0–∞ 56 %, für Cmax 64 %).

In einer unkontrollierten offenen Phase-II-Studie (BISTRO Ib) erhielten 59 Patienten eine Einzeldosis Dabigatran etexilat in einem Zeitfenster von 1 bis 3 Stunden nach einem elektiven Hüftgelenksersatz. Die Patienten waren im Vergleich zu den gesunden Probanden älter (Median 68 Jahre). Alle erhielten vor dem Eingriff die an den Behandlungszentren übliche Medikation zur Prophylaxe von tiefen Venenthrombosen, einmalig 40 mg Enoxaparin (Clexane®) subkutan. 10 Stunden nach der Dabigatran-Dosis wurde die übliche Thromboseprophylaxe fortgeführt. Im Vergleich zu den gesunden Probanden wurde bei der Gabe nach der Operation Cmax erst später, nach 6 Stunden, erreicht (Tab. 1). Nach der Operation können Anästhesie und gastrointestinale Parese die Absorption des Wirkstoffs verzögern. Bei der Gabe von Dabigatran etexilat im Zeitfenster von 1 bis 3 Stunden nach der Operation konnten mit der Kapsel ausreichende Plasmaspiegel erreicht werden. Die AUC0–24 lag bei 88 % der AUC im Steady State, die in früheren Studien mit der Tablette erzielt worden war. 

Quelle

Stangier J, et al. Pharmakokinetic profile of oral direct thrombin inhibitor dabigatran etexilat in healthy volunteers and patients undergoing total hip replacement. J Clin Pharmacol 2005;45:555–63.

Tab. 1. Pharmakokinetische Daten von Dabigatran etexilat

Gesunde Probanden

(n = 18)

Nach elektivem
Hüftgelenksersatz

(n = 62)

Nüchtern

Nach Mahlzeit

Mit Pantoprazol

Cmax [ng/ml] (VK)

111 (42 %)

106 (24 %)

74,5 (64 %)

75,8 (59 %)

AUC [ng x h/ml] (VK)

AUC0–∞ 904 (44 %)

AUC0–∞ 895 (21 %)

AUC0–∞ 705 (56 %)

AUC0–24 962 (68,7 %)

tmax Median [h]

2,0

4,0

2,0

6,0

t1/2 [h] (VK)

8,7 (23 %)

7,7 (16 %)

7,8 (19 %)

VK: Variationskoeffizient (Mittelwerte)

Arzneimitteltherapie 2005; 23(10)