Antibiotika

Makrolide – Nachweis zusätzlicher antientzündlicher Effekte


Dr. Barbara Kreutzkamp, München

Makrolide zeigen neben direkten antibakteriellen Eigenschaften hemmende Wirkung auf die Synthese bakterieller Biofilme und entfalten biphasische immunmodulatorische Effekte: In der ersten Phase wird die Abwehrbereitschaft des Wirtsorganismus gesteigert und in der zweiten Phase die Entzündungsreaktion verringert.

Makrolide werden seit über 50 Jahren aufgrund ihrer antimikrobiellen Eigenschaften genutzt. In den 80er Jahren wurden erstmals antientzündliche Eigenschaften dieser Substanzgruppe vermutet; unter einer Langzeitbehandlung mit Erythromycin (z. B. Erythrocin®) stieg die Überlebensrate von Patienten mit einer diffusen Panbronchiolitis, einer fast ausschließlich in Japan auftretenden chronisch-entzündlichen Lungenerkrankung, deutlich, obwohl der auslösende Erreger Pseudomonas aeruginosa nicht eradiziert wurde.

Makrolide wurden daraufhin auch bei anderen Lungenerkrankungen mit entzündlicher Komponente untersucht. So konnte in einer kleineren Studie bei Patienten mit Asthma bronchiale die Zahl der Eosinophilen als Marker der chronischen Entzündung sowohl in Serum als auch Sputum durch den Einsatz von Clarithromycin (Klacid®) reduziert werden, wobei auch die klinischen Symptome zurückgingen. Gute klinische Erfolge wurden auch in drei größeren Studien bei Patienten mit zystischer Fibrose durch die Therapie mit Azithromycin (Zithromax®) erzielt. Kleinere Langzeitstudien an Patienten mit Bronchiektasien ließen ähnliche Tendenzen erkennen; hier sollten aber noch weitere Untersuchungen folgen.

Gemeinsame Kennzeichen von Asthma bronchiale, Bronchiektasie und zystischer Fibrose sind die immer wiederkehrenden infektiösen Exazerbationen. Diese finden zunächst im Rahmen von „normalen“ Erkältungskrankheiten statt. Durch die zunehmende (entzündliche) Schädigung der Bronchialschleimhaut reagieren die Patienten immer empfindlicher. In fortgeschrittenen Erkrankungsstadien werden die Infektionen chronisch.

Häufig findet dann auch eine Kolonisation mit mukoiden Stämmen von P. aeruginosa statt. Diese Bakterien produzieren Alginate und existieren in diesem „Biofilm“ geschützt vor Angriffen des Immunsystems und vor der Wirkung von Antibiotika. Sobald sich in den umliegenden Geweben für diese Bakterien günstige Umstände ergeben, werden Erreger aus dem Biofilm freigesetzt und verursachen eine akute bronchiale Infektion. Therapeutisch eingesetzte Antibiotika verbessern kurzfristig klinische Symptome, indem sie diese aus dem Biofilm freigesetzten Bakterien abtöten; die Infektion selbst aber persistiert.

Ein weiterer entzündlicher Stimulus geht von diesem Biofilm durch die Alginat-induzierte chronische Antigen-Antiköperreaktion aus, die zu einer massiven Lymphozyten-Infiltration und der Bildung von Granulomen in den kleinen Atemwegen führt, wodurch die bronchiale Destruktion verstärkt wird.

Makrolide, wie beispielsweise Azithromycin, können diesen Biofilm zerstören und die Neubildung verhindern. Hierzu bedarf es nur sehr niedriger Konzentrationen, die unterhalb der minimalen Hemmkonzentration liegen.

Zusätzlich vermindern Makrolide die Synthese von bestimmten Virulenzfaktoren, die für die pathologischen Eigenschaften der Bakterien wichtig sind.

Inwieweit sich diese Eigenschaften von Makroliden langfristig klinisch bei den betroffenen Patienten mit beispielsweise zystischer Fibrose oder schwerem Asthma bronchiale auswirken, muss in klinischen Studien allerdings noch geklärt werden.

Eine weitere, über die rein antimikrobiellen Aktivitäten hinausgehende Eigenschaft der Makrolide scheint die aktivierende Wirkung dieser Substanzen auf das Immunsystem des Wirtsorganismus zu sein. Darauf lassen Untersuchungen vor allem an Patienten mit einer ambulant erworbenen Pneumonie schließen. Bei leichteren Formen dieser Erkrankung gelten die Makrolide nach wie vor als Mittel der Wahl, bei schweren Infekten wird mit einem Cephalosporin (Gruppe 3 oder 4) kombiniert.

Insgesamt scheinen die Sterblichkeit und die Dauer von Krankenhausaufenthalten unter Makrolid-Therapieregimen niedriger zu sein als unter Kombinationstherapien mit anderen Antibiotika-Gruppen. Dies wird retrospektiv als Beleg dafür gedeutet, dass noch andere Wirkungsmechanismen neben der antibakteriellen Wirkung vorhanden sein müssen.

In einer Ex-vivo-Studie an gesunden Probanden, die drei Tage Azithromycin (500 mg/Tag) einnahmen, stieg die Abwehrbereitschaft der neutrophilen Granulozyten; festgestellt wurde eine gesteigerte Degranulation dieser Zellen und eine massive, transiente Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies („oxidative burst response“). Nach Absetzen des Antibiotikums wird die Substanz dann scheinbar aus anderen Kompartimenten des Organismus in die Granulozyten übertragen und reguliert ihre Aktivität wieder herab oder führt eine Apoptose der Neutrophilen herbei. Dadurch wird die Entzündungsreaktion am Ort der Infektion wieder eingedämmt.

Diese Wirkungen wurden auch in anderen kleineren experimentellen Studien mit anderen Makroliden nachgewiesen, größere klinische Studien müssen die Relevanz für den Patienten jetzt noch zeigen.

Quelle

Amsden GW. Anti-inflammatory effects of macrolides – an underappreciated benefit in the treatment of community-acquired respiratory tract infections and chronic inflammatory pulmonary conditions? J Antimicrob Chemother 2005;55:10–21. Epub 2004 Dec 8.

Arzneimitteltherapie 2005; 23(11)