Andrea Warpakowski, Itzstedt
Bei soliden Tumoren sind Anthracycline Bestandteil wichtiger Therapieregime in der kurativen und palliativen Indikation, so auch in der Therapie des primären und fortgeschrittenen Mammakarzinoms. Aber nicht nur die typischen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Alopezie sind für die Patientinnen belastend, auch akute und chronische Kardiotoxizität sowie sekundäre Leukämien beschränken den Einsatz.
Das Anthracyclin Doxorubicin ist verträglicher, wenn es in Liposomen – kolloidale Partikel aus einer Lipiddoppelschicht mit wässrigem inneren Medium – verpackt ist. Dadurch verlängert sich die Verweildauer im Plasma und je kleiner die Liposomen sind, umso weniger werden sie von den Zellen des retikuloendothelialen Systems der Leber und Milz abgebaut. Die Halbwertszeit lässt sich noch weiter steigern, wenn die mit Doxorubicin beladenen Liposomen wie bei Caelyx® zusätzlich mit Polyethylenglykol-Ketten (PEG) ummantelt werden und somit für das körpereigene Immunsystem als Fremdeiweiß nicht erkennbar sind. Das pegylierte liposomale Doxorubicin ist etwa 85 nm groß und gelangt über Lücken oder Defekte der Tumorgefäße in das Tumorgewebe und kann dort nach Auflösen der Liposomen direkt wirken. Die Halbwertszeit von 45 Stunden – bei freiem Doxorubicin beträgt sie weniger als 9 Stunden – macht die Anwendung patientenfreundlicher: Eine Infusion mit 50 mg/m2 alle vier Wochen reicht.
In Deutschland ist das modifizierte Doxorubicin seit Januar 2003 für die Monotherapie des metastasierten Mammakarzinoms bei Patientinnen mit erhöhtem kardialem Risiko zugelassen. Bereits 2003 und erneut 2004 empfahl die Organkommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Onkologie (AGO) in ihren Leitlinien die Substanz bei metastasiertem Mammakarzinom als Erstlinientherapie und in der palliativen Situation nach Vorbehandlung mit Anthracyclinen allein oder Anthracyclinen und Taxanen (www.ago-online.de). Auch die Deutsche Krebsgesellschaft nahm pegyliertes liposomales Doxorubicin in die nationale S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms der Frau auf (www.mammakarzinom.de).
Grundlage dieser Empfehlungen waren zwei Studien.
Erstlinientherapie
Bei 509 Patientinnen mit unvorbehandeltem metastasiertem Mammakarzinom wurden Wirksamkeit, Verträglichkeit und Kardiotoxizität von pegyliertem liposomalem Doxorubicin (50 mg/m2 alle 4 Wochen, n = 254) und konventionellem Doxorubicin (60 mg/m2 alle 3 Wochen, n = 255) verglichen. Beide Therapien waren vergleichbar wirksam beim Gesamtüberleben (21 vs. 22 Monate) und beim progressionsfreien Überleben (6,9 vs. 7,8 Monate). Jedoch traten mit pegyliertem liposomalem Doxorubicin signifikant weniger Alopezien, Übelkeit, Erbrechen und Neutropenien auf, dafür gab es unter pegyliertem liposomalem Doxorubicin mehr Hautreaktionen (Abb. 1). Mittlerweile ist durch zunehmende Erfahrung mit der Hauttoxizität und durch Aufklärung der Patientinnen über Hautpflege diese Nebenwirkung gut kontrollierbar. Das Risiko für eine Kardiotoxizität, gemessen anhand der linksventrikulären Auswurffraktion, stieg in der Studie mit konventionellem Doxorubicin ab einer kumulativen Dosierung von 450 mg/m2 deutlich, mit der modifizierten Formulierung nahm die Kardiotoxizität auch bei einer kumulativen Dosis von 1 000 mg/m2 nicht zu.
Zweit- und Drittlinientherapie
Immer häufiger werden Patientinnen mit Mammakarzinom schon adjuvant mit Anthracyclinen und Taxanen behandelt. Für die Second- und Third-Line-Therapie sollten dann noch wirksame, aber wegen der palliativen Situation vor allem verträgliche Subtanzen angewendet werden. In der zweiten Studie wurde das erste Mal die Wirksamkeit von Substanzen bei Taxan-refraktären Patientinnen untersucht. Insgesamt 301 Patientinnen mit stark fortgeschrittenem metastasiertem Mammakarzinom erhielten das modifizierte Doxorubicin, Vinorelbin oder Mitomycin/Vinblastin. Die Patientinnen sprachen zuvor auf Taxane nicht an. 83 % waren bereits mit Anthracyclinen vorbehandelt, von denen 37 % nicht mehr auf Anthracycline angesprochen hatten. Die Wirkung des pegylierten liposomalen Doxorubicins unterschied sich nicht von der Wirkung der anderen Substanzen in den Vergleichsarmen beim klinischen Ansprechen (42 % vs. 44 %), beim progressionsfreien Überleben (2,9 vs. 2,5 Monate) und beim Gesamtüberleben (11 vs. 9 Monate). Bei Patientinnen, die noch nicht mit Anthracyclinen vorbehandelt waren, verlängerte das modifizierte Doxorubicin im Vergleich zu den anderen Therapien signifikant das progressionsfreie Intervall (5,8 versus 2,9 Monate, p = 0,01).
Quelle
Prof. Dr. Carsten Bokemeyer, Hamburg, Prof. Dr. Nadia Harbeck, München, Priv.-Doz. Dr. Christian Jakisch, Marburg, Fachpressegespräch „Caelyx beim Mammakarzinom – eine Idee setzt sich durch“, Hamburg, 19. Januar 2005, veranstaltet von Essex Pharma.

Abb. 1. Verträglichkeit von pegyliertem liposomalem Doxorubicin im Vergleich zu konventionellem Doxorubicin, p < 0,05 für alle Nebenwirkungen [O’Brien et al. Ann Oncol 2004;15:440–9]
Buchtipp
Clemens Unger, Joachim Weis (Hrsg.). Onkologie – Unkonventionelle und supportive Therapiestrategien.
XV, 196 S, kartoniert. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2005, 24 Euro.
Arzneimitteltherapie 2005; 23(11)