Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Vorbeugen ist besser als heilen! Diese alte Volksweisheit gilt insbesondere für die Nephrologie; denn bei vielen Nierenerkrankungen, insbesondere der chronischen Niereninsuffizienz, ist bisher kein kurativer Ansatz erkennbar. Auch die ersten Ergebnisse experimenteller Untersuchungen mit Stammzellen bleiben vorerst eine zwar bestechende, aber doch utopisch anmutende Vision, so das Ergebnis des diesjährigen Nephrologenkongresses (17. bis 20. September 2005 in Saarbrücken).
Die besondere Schutzbedürftigkeit der Niere ergibt sich auch daraus, dass dieses Organ eine Reihe von organübergreifenden homöostatischen, immunologischen und hormonellen Wirkungen entfaltet. Dazu kommt, dass Erkrankungen wie Hypertonie und Diabetes mellitus Komplikationen vor allem an der Niere entwickeln. Diese renalen Endorganschäden verlaufen in ihren Anfangsstadien meist asymptomatisch, so dass die Niere als stiller „Killer“ einer besonderen Aufmerksamkeit im Sinne der Protektion bedarf.
Mit der Entdeckung des Renin-Angiotensin-Systems und von Angiotensin II als zentralem Agens bei der Pathogenese der chronischen Niereninsuffizienz und der Entwicklung von Substanzen zur Ausschaltung dieses Hormons – der ACE-Hemmer und AT1-Blocker – standen erstmals spezifische medikamentöse Präventionsstrategien zur Verfügung, deren nephroprotektive über die blutdrucksenkende Wirkung hinausgeht. In großen klinischen Studien konnte dies anhand harter klinischer Endpunkte dokumentiert werden. Dies gilt für ACE-Hemmer insbesondere beim Typ-1-Diabetiker, für AT1-Blocker beim Typ-2-Diabetiker. In einer direkten Vergleichsstudie bei hypertonen Typ-2-Diabetikern waren die klinischen Effekte beider Substanzgruppen vergleichbar. Somit ist die Gabe eines ACE-Hemmers oder AT1-Blockers bei allen Diabetikern und Hypertonikern mit beginnender Nephropathie heute ein Muss.
Das erste Alarmsymptom einer beginnenden hypertensiven oder diabetischen Nephropathie ist die Mikroalbuminurie. Eine solche ist jedoch nicht nur der früheste Indikator für eine Nierenschädigung, sondern signalisiert auch ein deutlich erhöhtes generelles vaskuläres Risiko. Ob die Proteinurie ein eigenständiger pathogenetisch relevanter Risikofaktor für atherothrombotische Ereignisse ist oder nur als Risikoindikator gesehen werden kann, ist umstritten. Unbestritten jedoch ist, dass eine Abnahme der Proteinurie nicht nur die Progression der chronischen Niereninsuffizienz hemmt, sondern auch das kardiovaskuläre Risiko senkt. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass eine Proteinurie die interstitielle Fibrosierung des Nierenparenchyms stimuliert und somit im Sinne eines Circulus vitiosus das Fortschreiten der Nierenerkrankung fördert.
Aus diesen Beobachtungen ergeben sich nun neue Perspektiven und Potenziale für die medikamentöse Nephroprotektion. Bisher wurde die Dosis eines ACE-Hemmers oder AT1-Blockers orientiert an der Wirkung auf den Blutdruck gewählt, wobei die meisten Patienten einer Kombination mit einem Diuretikum, Betablocker oder Calciumkanalblocker bedürfen. Erste experimentelle und klinische Untersuchungen ergaben nun, dass auch bei optimaler Blutdruckeinstellung die Kombination eines ACE-Hemmers mit einem AT1-Blocker oder eine ultrahohe Dosis eines
AT1-Blockers noch stärker antiproteinurisch wirken als eine Monotherapie mit einer dieser beiden Substanzen. Vieles spricht dafür, dass bei hypertonen Diabetikern in Zukunft nicht nur die Höhe des Blutdrucks, sondern das Ausmaß der Proteinurie als wichtiges therapeutisches Zielkriterium angesehen werden sollte.
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