Erhard Hiller, München
Tab.1. Faktoren, die zur Thrombophilie bei Tumorpatienten beitragen; PAI = Plasminogen-Aktivator-Inhibitor
Tumor-intrinsische Faktoren |
Freisetzung von Gewebsfaktor |
Freisetzung von „Cancer Procoagulant A” (CPA) |
Erhöhung von Gerinnungsfaktoren, PAI und Thrombozyten |
Endothelschädigung (Tumoreinbruch, über Zytokine) |
Tumor-bedingte Kompression von Venen |
Allgemeine Risikofaktoren des Tumorpatienten |
Immobilisation |
Operative Eingriffe |
Chemo-und Strahlentherapie |
Vaskuläre Zugänge (ZVK, Portsysteme) |
Frühere Thrombose |
Höheres Lebensalter |
Patienten mit Krebserkrankungen unterliegen aus vielfachen Gründen erhöhten thromboembolischen Risiken. Gründe dafür sind die kontinuierliche Freisetzung von Tumorprokoagulanzien, insbesondere von Gewebsfaktor („tissue factor“), bei muzinösen intestinalen Karzinomen auch die Freisetzung eines direkten Faktor-X-Aktivators („Cancer Procoagulant A“), Veränderungen der Blutzusammensetzung (hohe Fibrinogen-, Faktor-VIII- und PAI-Spiegel), sowie Endothelzellschäden. Darüber hinaus kann ein Tumor durch Kompression von großen venösen Gefäßen die Entstehung von Thrombosen begünstigen. Auch durch die Krebserkrankung notwendige medizinische Interventionen, wie Operationen, Chemo- und Strahlentherapie, sowie das Legen von dauerhaften vaskulären Zugängen (z. B. Portsystemen) tragen zur vermehrten Thrombophilie bei (Tab. 1).
Innerhalb des ersten Jahres nach Diagnose einer „idiopathischen“ tiefen Venenthrombose oder Lungenembolie im höheren Lebensalter besteht für die betroffenen Patienten ein deutlich erhöhtes Malignomrisiko [1, 37]. Trotz der häufig nachweisbaren Veränderungen einer Reihe von Hämostasefaktoren, wie Thrombozytose oder hohe Fibrinogen-Werte, gibt es keine eindeutigen Parameter, die das Risiko einer bevorstehenden tiefen Venenthrombose oder Lungenembolie voraussagen lassen. Entsprechende Studien bei Tumorpatienten mit modernen Aktivierungsmarkern erbrachten unbefriedigende Ergebnisse von niedriger Sensitivität und Spezifität [12, 26]. Da es nicht möglich ist, auf Grund von Hämostaseparametern eine Voraussage zu treffen, welche Krebspatienten mit großer Wahrscheinlichkeit eine Thrombose erleiden, sollte bei Tumorpatienten mit bestimmten Risikokonstellationen generell eine Thromboseprophylaxe angesetzt werden.
Thromboseprophylaxe
Die medikamentöse Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten ist in verschiedenen klinischen Situationen eindeutig indiziert, wird aber in anderen Situationen unterschiedlich beurteilt. Zu den eindeutigen Indikationen einer Prophylaxe gehören aufgrund der Studienlage ohne Einschränkung operative Eingriffe, während die Indikation zur Prophylaxe bei der Einleitung einer Chemotherapie oder der Behandlung mit Hormonen oder Antihormonen weniger klar ist. Unterschiedlich beurteilt wird auch die Indikation einer Thromboseprophylaxe bei zentralvenösen Verweilkathetern und Portsystemen. Darüber hinaus wird man sich, weniger zwingend aufgrund von Studien oder Konsensus als vielmehr „gefühlsmäßig“, bei bestimmten Tumorpatienten, die längerfristig immobilisiert sind oder deren Tumorhistologie sehr ungünstig ist und ein rasches Wachstumsverhalten aufweist, für eine medikamentöse Thromboseprophylaxe entscheiden.
Operationen
Operative Eingriffe und die dadurch bedingte Immobilisation der Patienten stellen per se ein erhöhtes Thromboserisiko dar und sind unbestrittene Indikationen für eine medikamentöse Thromboseprophylaxe. Nach einer Analyse des American College of Chest Physicians 1995 entwickeln Krebspatienten ohne Thromboseprophylaxe in 40 bis 80 % der Fälle eine Thrombose der Unterschenkelvenen und in 10 bis 20 % eine proximale Venenthrombose [6]. Für tödliche Lungenembolien ohne Thromboseprophylaxe bei Krebspatienten werden Zahlen zwischen 1 und 5 % angegeben.
Die hohen Thromboseraten bei operativen Eingriffen von Tumorpatienten unterstreichen die Notwendigkeit, ohne Einschränkung eine peri- und postoperative, medikamentöse Thromboseprophylaxe vorzuschreiben. In den 70er und 80er Jahren war die Thromboseprophylaxe mit niedrig dosiertem, unfraktioniertem Heparin (UFH), 10 000 bis 15 000 I. E./Tag, welches 2 Stunden präoperativ s. c. erstmals verabreicht wurde und dann je nach Risiko entweder alle 12 Stunden oder alle 8 Stunden über 7 bis 10 Tage fortgesetzt wurde, die Prophylaxe der Wahl. Aus einer Metaanalyse mit allgemeinchirurgischen Patienten geht hervor, dass bei Krebspatienten, die niedrig dosiertes Heparin erhielten, im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Heparin die postoperative Thromboserate von 30,6 % auf 13,6 % zurückging [6]. Nach Einführung der niedermolekularen Heparine (NMH) erfolgte in den vergangenen 15 Jahren die prophylaktische Behandlung chirurgischer Patienten zunehmend mit diesen Substanzen. Die wesentlichen Vorteile der NMH sind die überlegene und voraussagbare Bioverfügbarkeit von 90 % und die längere Halbwertszeit gegenüber UFH, so dass eine einmalige subkutane Injektion täglich ausreicht. Darüber hinaus besteht ein geringeres Risiko, eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT II) auszulösen.
In einer großen Zahl von Studien an chirurgischen Patienten konnte gezeigt werden, dass NMH gegenüber UFH in Wirksamkeit und Sicherheit mindestens ebenbürtig, im Trend sogar teilweise besser sind [19]. In zwei Studien wurde die prophylaktische Wirksamkeit von NMH zur Verhinderung thromboembolischer Komplikationen bei Krebspatienten, die sich einer abdominellen Operation unterziehen mussten, untersucht. In der ersten Studie wurden zwei Dosierungen des NMH Dalteparin, nämlich 2 500 oder 5 000 Anti-Xa-Einheiten (I. E.) verglichen [2]. Bei den Krebspatienten fiel die Rate venöser Thromboembolien (VTE) von 14,9 % bei einer Dosierung von 2 500 I. E. auf 8,5 % bei einer Dosierung von 5 000 I. E. Hiermit konnte gezeigt werden, dass für Tumorpatienten eine Dosierung, die für Nichttumorpatienten ausreichend sein mag, nicht suffizient ist, und dass die unter einer erhöhten Dosierung erzielte geringere VTE-Rate nicht mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht.
In einer zweiten Studie wurde das NMH Enoxaparin in einer Dosierung von 40 mg einmal täglich s. c. mit UFH, 5 000 I. E. dreimal täglich, verglichen. Die Inzidenz tiefer Venenthrombosen betrug 18,2 % in der mit UFH und 14,7 % in der mit dem NMH Enoxaparin behandelten Patientengruppe [9].
Aus diesen Studien lässt sich schließen, dass chirurgische Tumorpatienten immer zur Hochrisikogruppe gerechnet werden müssen und zur Thromboseprophylaxe entweder UFH in einer Dosierung von 15 000 I. E. zwei- oder dreimal täglich oder NMH in einer Dosierung für Hochrisikosituationen verabreicht werden muss. Das bedeutet zum Beispiel, dass die jeweils höhere Dosierung der Präparate Dalteparin (Fragmin®P Forte) oder Enoxaparin (Clexane 40) angewendet werden muss.
Zur Dauer der Heparin-Prophylaxe bei operativen Tumorpatienten gibt es neuere Studien, aus denen in Analogie zu großen orthopädischen Operationen (Hüft-, Knieprothese) abzuleiten ist, dass eine drei- bis vierwöchige Behandlung vorteilhaft ist. In einer doppelblinden Multicenterstudie erhielten 332 Patienten mit geplanter offener Malignom-Operation mit kurativer Zielsetzung in der Bauch- oder Beckenregion Enoxaparin 40 mg/d zunächst über 6 bis 10 Tage. Nachfolgend wurde in einem Arm mit Enoxaparin in derselben Dosierung über weitere 21 Tage weiterbehandelt und in dem anderen Arm ein Plazebo verabreicht. Zum primären Studienendpunkt, dem Auftreten einer VTE zwischen Tag 25 und 31, kam es bei 4,8 % der durchgehend mit Enoxaparin behandelten Patienten und bei 12 % der Patienten in der Plazebo-Gruppe. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen blieb nach 3 Monaten mit 5,5 % thromboembolischen Ereignissen in der Enoxaparin-Gruppe und mit 13,8 % in der Plazebo-Gruppe weiterhin bestehen [3]. Auch in einer zweiten ähnlich angelegten Studie konnte Rasmussen et al. [31] zeigen, dass eine auf 4 Wochen ausgedehnte Thromboseprophylaxe mit 5 000 I. E. Dalteparin im Vergleich zur einwöchigen Prophylaxe das Risiko einer VTE von 19,6 % auf 8,8 % senken und somit mehr als halbieren konnte. Die Rate der proximalen Thrombosen ließ sich in dieser Studie von 10,4 auf 2,2 % senken.
Chemo- und Hormontherapie
Eine Vielzahl von Risikofaktoren führt bei Krebspatienten zu einem Zustand der Hyperkoagulabilität. Eine wichtige Rolle nehmen hierbei auch die Behandlung mit zytostatischen Chemotherapeutika (Einzelsubstanzen wie auch Kombinationen von Einzelsubstanzen), Hormone, antihormonell wirksame Substanzen, Strahlentherapie wie auch Wachstumsfaktoren ein [17]. Thromboserisiken nach Krebstherapie hängen unter anderem auch von Interaktionen der verabreichten Substanzen, vom Gewebstyp und Tumorstadium sowie von anderen Risikofaktoren wie Alter, Operation und Immobilisation ab. Obwohl allgemein akzeptiert ist, dass die Krebstherapie Auslöser für thromboembolische Ereignisse sein kann, sind die thromboseauslösenden pathogenetischen Mechanismen nur unzureichend aufgeklärt, da zusätzlich zum Gewebszerfall krankheits- und therapiebedingte Faktoren, wie die Aktivierung und Erhöhung von Gerinnungsproteinen, Veränderungen der Inhibitoren und Endothelzellschädigungen neben der Freisetzung von Prokoagulanzien aus den Tumoren, das Bild verwirren.
Die meisten Studien, die sich mit thromboembolischen Komplikationen unter Chemotherapie befassen, liegen bei Patientinnen mit Mammakarzinom vor. Einige dieser Studien mit relativ ähnlichen Ergebnissen sollen nachfolgend aufgeführt werden. Zur alleinigen Gabe des Antiestrogens Tamoxifen bei nodal-negativen, Hormonrezeptor-positiven Patientinnen (Stadium I) gibt es Daten aus einer Studie mit Tamoxifen versus Plazebo. Das Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden, betrug 0,9 % in der Tamoxifen- und 0,2 % in der Plazebo-Gruppe [10]. In einer kanadischen Studie erlitten 1,4 % der unter einer adjuvanten Tamoxifen-Therapie stehenden nodal-positiven Patientinnen (Stadium II) eine VTE. Erhielten die Patientinnen eine adjuvante Chemotherapie mit dem CMF-Schema plus Tamoxifen, so stieg die Rate tiefer Venenthrombosen auf 9,6 % [29]. Ähnliche Ergebnisse wurden in der NSAPP-B20-Studie in den USA erhoben. Tamoxifen allein führte bei 1,8 % der nodal-positiven Frauen zur tiefen Venenthrombose, unter CMF plus Tamoxifen lag die Thromboserate bei 7,0 %. Eine Studie mit prä- und postmenopausalen Patientinnen im Stadium II eines Mammakarzinoms, die entweder über 12 oder 26 Wochen eine Polychemotherapie erhielten, ergab eine Gesamtthromboserate von 6,8 % [20]. Saphner et al. [33] analysierten die Daten von sieben aufeinander folgenden Studien der „Eastern Cooperative Oncology Group“. Die adjuvante Chemotherapie von Mammakarzinom-Patientinnen im Stadium II (prä-und postmenopausal) ergab eine venöse und arterielle Gesamtthromboserate von 6,8 %. Bei prämenopausalen Patientinnen erhöhte die zusätzliche Gabe des Antiestrogens Tamoxifen die Thromboseraten von 0,8 % (Chemotherapie allein) auf 2,3 % (Chemotherapie plus Tamoxifen). Bei den postmenopausalen Frauen erhöhte die Zugabe der Chemotherapie zu Tamoxifen die Thromboseraten von 2,3 % auf 8,0 % [33].
Die Thrombosen ereignen sich offensichtlich nur während der aktiven Chemotherapie und/oder Antiestrogen-Therapie, nach Beendigung der Therapie kommt es zu einer raschen Reduktion der Thromboseraten [20]. Nach Weitz et al. [42] haben Frauen, die unter Tamoxifen stehen und zusätzlich eine Faktor-V-Leiden-Mutation aufweisen, ein deutlich erhöhtes Thromboembolierisiko. Bei Patientinnen im Stadium IV eines Mammakarzinoms (metastasiertes Stadium), die sich einer Polychemotherapie unterziehen, beschrieb Goodnough et al. [13] eine Thromboserate von 17 %. In einer Mammakarzinom-Studie randomisierten Levine et al. [22] 311 Patientinnen im Stadium IV in eine Gruppe (n = 152), die mit Beginn der Chemotherapie zusätzlich sehr niedrig dosiertes Warfarin erhielt („very low-dose warfarin“), und in eine Plazebo-Gruppe (n = 159). Die Warfarin-Dosierung betrug 1 mg über 6 Wochen und wurde nachfolgend an eine INR zwischen 1,3 und 1,9 angepasst. Die durchschnittliche INR lag bei 1,5 und die durchschnittliche Warfarin-Dosis, um dieses Ziel zu erreichen, lag bei 2,6 mg täglich. Die Thromboembolierate in der Plazebo-Gruppe betrug 7, während sie in der Behandlungsgruppe bei 1 lag (p = 0,03). Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 85 %. Zu größeren Blutungen kam es bei zwei Patientinnen der Plazebo-Gruppe und einer Patientin in der Warfarin-behandelten Gruppe.
Auch in einem anderen Zusammenhang, nämlich bei der Prophylaxe eines Verschlusses von zentralvenösen Kathetern, hat sich niedrig dosiertes Warfarin als effektiv erwiesen [4].
Andere Karzinome, wie beispielsweise Gehirntumoren, Adenokarzinome (Pankreaskarzinom, fortgeschrittene gastrointestinale Karzinome), sind sicherlich mit einem erhöhten Thromboembolierisiko assoziiert. Aus der Literatur liegen jedoch bisher keine klaren Zahlen vor, wie hoch die Thromboseinzidenz nach Einleitung einer Chemotherapie bei diesen Neoplasien ist. Bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom, die postoperativ chemotherapiert wurden, kam es in 17 % der Fälle zu einer Thromboembolie [40].
Die Zahlen thromboembolischer Komplikationen unter Chemotherapie wie auch unter Hormontherapie oder Antihormontherapie liegen niedriger als die entsprechenden Zahlen nach operativen Eingriffen. Ein operativer Eingriff findet in der Regel an einem definierten Tag statt, die nachfolgende Thromboembolieprophylaxe kann somit zeitlich begrenzt werden, während sich die Chemo- oder Hormontherapie über Wochen und Monate erstreckt. Es fehlt somit in der onkologischen Therapie die Zäsur Operationstag mit nachfolgend für 7 bis 28 Tage erhöhtem Thromboserisiko. Dies hätte zur Folge, dass onkologische Patienten im Falle einer medikamentösen Thromboseprophylaxe über die Chemotherapie hinaus langfristig mit einer antithrombotischen Therapie belastet würden, sei es nun durch eine Therapie mit Cumarin-Derivaten oder auch eine durch eine parenteral zu verabreichende Heparin-Therapie. Obwohl im Falle einer Prophylaxe mit einem NMH nur eine subkutane Injektion täglich ohne Überwachung erforderlich ist, die Prophylaxe also logistisch recht einfach ist, gibt es derzeit noch keine klaren, auf Studien basierenden Richtlinien, die besagen, welche Patienten davon profitieren würden. Auch ist ungeklärt, ob die positiven Daten mit sehr niedrig dosiertem Warfarin beim Mammakarzinom [22] auf andere Tumorentitäten übertragbar sind. Daher kann man zum jetzigen Zeitpunkt eine generelle medikamentöse Thromboseprophylaxe nach Einleitung einer Chemotherapie oder hormonellen Therapiemaßnahmen noch nicht empfehlen. Letztendlich muss im Einzelfall entschieden werden, ob bei einem Patienten ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko (Thrombose während vorangegangener Chemotherapie, spontane Thrombose, zusätzliche Thrombophilie) vorliegt und der Patient daher auch längerfristig eine prophylaktische Therapie mit einem NMH über die Dauer der Chemotherapie oder Hormontherapie erhalten sollte. Auch der mögliche Überlebensvorteil durch NMH, der auf Grund retrospektiver Analysen diskutiert wurde [14], konnte in einer wichtigen prospektiven Studie nicht gesichert werden [15], wenn auch eine Subgruppe von Patienten mit weniger malignem Verlauf möglicherweise vom Einsatz eines NMH profitierten.
Strahlentherapie
Zur Thromboseinzidenz während und nach Strahlentherapie gibt es außer einer älteren Studie mit niedrig dosiertem Heparin [39] keine publizierten größeren Studien. Patienten mit tumorösen Prozessen im kleinen Becken (Uteruskarzinom, Ovarialkarzinom, Sarkome, Rektumkarzinom), die sich einer palliativen Strahlentherapie unterziehen müssen, sind besonders dann durch eine Thromboembolie gefährdet, wenn der Tumor zur Kompression der abführenden großen Beckenvenen führt. Bei solchen Patienten, aber auch bei allen bettlägerigen oder immobilisierten Patienten ist eine prophylaktische Therapie mit NMH über die absehbare Dauer der Strahlentherapie zu empfehlen.
Prophylaxe bei Patienten mit Portsystemen
Aus einer Reihe von Studien geht hervor, dass die Entstehung katheterassoziierter Thromben bei Portsystemen wesentlich häufiger ist als klinisch vermutet. In Autopsien fanden sich bei etwa 40 % von Patienten mit Subclavia-Kathetern thrombotische Veränderungen, die zu einer mehr als 50%igen Einengung des Gefäßvolumens führten. De Cicco et al. [8] konnten bei 60 bis 70 % von Tumorpatienten an den Spitzen der Portkatheter sonographisch thrombotisches Material, meist Fibrinfäden, nachweisen. In der Mehrzahl der Fälle waren diese Thromben jedoch klinisch asymptomatisch, das heißt, es lag klinisch keine Thrombose der oberen Extremität vor und der Katheter konnte zur Infusion und auch Aspiration von Blut benützt werden. Während in einer Studie mit sehr kleiner Fallzahl Monreal et al. [27] auf den Vorteil einer Prophylaxe mit einem NMH hinwiesen, konnten Reichert et al. [32] in einer Studie an 425 Patienten einen Nutzen einer Prophylaxe nicht belegen. Die 425 Patienten wurden in zwei Gruppen randomisiert, die 18 Wochen lang 5 000 I. E. Dalteparin oder Plazebo erhielten. Nach 16 Wochen wurde eine Phlebographie oder Ultraschalluntersuchung angesetzt. Die Rate der katheterassoziierten Thrombosen war in beiden Gruppen mit 3,7 % und 3,4 % sehr niedrig. Der Grund für die im Gegensatz zu früheren Berichten sehr niedrigen Thromboseraten mag an verbesserten Materialien für die Katheter und einer besseren Technik, also der größeren Erfahrung bei der Implantation der Portsysteme liegen. Somit ist eine generelle Prophylaxe nach Portimplantation nicht zu empfehlen. Sollte es jedoch bei einem Patienten bereits zu einer Katheterthrombose des Portsystems gekommen sein, sollte dieser durch eine Prophylaxe mit einem NMH oder auch einem Cumarin-Derivat vor einem weiteren thrombotischen Verschluss geschützt werden.
Behandlung venöser Thromboembolien
Da es ein großes Spektrum von Tumoren unterschiedlicher Herkunft gibt, die sich in einem sehr frühen wie auch fortgeschrittenen Stadium befinden können, die sich im Differenzierungs- und Metastasierungsmuster unterscheiden sowie Chemotherapie- oder auch Krankheits-bedingt von einer Thrombozytopenie begleitet sein können, kann es keine allgemeingültige Empfehlung zur antithrombotischen Therapie von akuten Thromboembolien bei Patienten mit malignen Erkrankungen geben. Es ist ein Unterschied, ob ein Patient ausschließlich Knochenmetastasen aufweist oder ob Gehirnmetastasen oder ausgedehnte Lebermetastasen vorliegen. Es ist auch zu berücksichtigen, ob der Primärtumor beispielsweise in der Mamma oder im Bronchus lokalisiert ist, oder ob er exophytisch und blutend in das Lumen der Harnblase, des Magens oder eines Darmabschnitts hineinwächst. Es gibt somit Situationen, die eine normale Antikoagulation wie bei Nichttumorpatienten erlauben, und es gibt Situationen, die eine Antikoagulation ganz verbieten (z. B. blutende Gehirnmetastasen) oder auf Grund eines hohen Blutungsrisikos eine Antikoagulation nur in eingeschränktem Maße, das heißt mit deutlich reduzierter Dosierung, erlauben (z. B. Blasentumor mit Makrohämaturie).
In Tabelle 2 sind orientierende Richtlinien zur antithrombotischen Therapie akuter Thromboembolien bei Patienten mit Neoplasien zusammengefasst.
Tumorpatienten ohne erhöhtes Blutungsrisiko
Die Behandlung akuter Thromboembolien bei Tumorpatienten unterscheidet sich bei fehlender tumorbedingter Blutungsgefahr grundsätzlich nicht von der Behandlung von Nichttumorpatienten. Dies bedeutet, dass initial unfraktioniertes oder niedermolekulares Heparin in therapeutischer Dosierung zu verabreichen ist, gefolgt von der oralen Antikoagulation.
UFH wird zunächst als Bolus in einer Dosierung von 5 000 I. E. i. v. verabreicht, nachfolgend als Dauerinfusion, zunächst etwa 30 000 I. E. über 24 Stunden oder angepasst an die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT), die das 1,5 bis 2fache des Kontrollwerts betragen sollte. Häufig wird die Beobachtung gemacht, dass einige Tumorpatienten hohe Mengen Heparin (> 40 000 I. E.) benötigen, um eine aPTT-Verlängerung in den therapeutischen Bereich zu erzielen. Es kommt hierbei zur „Dissoziation“ des zirkulierenden Heparin-Spiegels von der aPTT. Dieses Phänomen wird auch als Heparin-Resistenz bezeichnet. Man nimmt an, dass die Resistenz der aPTT-Verlängerung unter anderem durch erhöhte Spiegel von Gerinnungsfaktoren, insbesondere von Fibrinogen und Faktor VIII zu erklären ist. Es wird empfohlen, dass in solchen Fällen die Heparin-Wirkung durch einen Anti-Faktor-Xa-Nachweis gemessen werden sollte. Durch diese Maßnahme soll sich eine inadäquate Heparin-Erhöhung bei „therapeutischem“ Heparin-Spiegel vermeiden lassen [23]. Exzessiv hohe Heparin-Dosierungen führen, auch wenn die aPTT nicht entsprechend verlängert ist, zu erhöhten Blutungsrisiken [25].
Nachdem in den vergangenen 10 Jahren in einer Reihe von Studien gezeigt werden konnte, dass NMH in der Initialbehandlung von akuten tiefen Venenthrombosen genau so effektiv wie UFH sind [16, 21, 38], können NMH zur Initialbehandlung auch bei Tumorpatienten in einer gewichtsadaptierten Dosierung oder gewichtsunabhängig (Certoparin) nach den Richtlinien der Hersteller eingesetzt werden. Die Analyse der Daten der 405 Tumorpatienten in den drei oben aufgeführten Studien ergab, was die Studienendpunkte anbelangte, keine Unterschiede, ob nun die Patienten mit UFH unter Berücksichtigung der aPTT-Verlängerung oder mit NMH ohne Laborüberwachung behandelt wurden [24]. Für den Einsatz von NMH sprechen jedoch die fehlende Notwendigkeit einer Laborüberwachung wie auch der Verzicht auf eine mehrtägige Dauerinfusion, da NMH, auch wenn sie therapeutisch dosiert werden, nur ein- bis zweimal täglich subkutan injiziert werden müssen. Dies bedeutet, dass in besonderen Fällen die Behandlung auch ambulant oder zuhause eingeleitet werden kann, was für viele Tumorpatienten, die heute zunehmend ambulant oder in Tageskliniken behandelt werden, sehr vorteilhaft ist und ihre Lebensqualität verbessert. Behandlungsmöglichkeiten mit NMH bestehen auch grundsätzlich, wenn kleinere Lungenembolien, die nicht hämodynamisch wirksam sind, dokumentiert wurden. NMH waren im Vergleich zu UFH auch bei der Behandlung von Lungenembolien ebenbürtig [36, 38]. Die empfohlenen Dosierungen für NMH zur Behandlung tiefer Venenthrombosen sind in Tabelle 3 aufgeführt.
NMH zur Therapie von VTE
Die Dauer der Heparin-Therapie sollte im Normalfall nur 5 bis 7 Tage betragen, da die oralen Antikoagulanzien, sei es Phenprocumon oder Warfarin, schon am Tag 1 oder 2 nach Diagnosestellung eines thromboembolischen Ereignisses eingesetzt werden sollten, so dass eine Einstellung auf eine INR zwischen 2,0 und 3,0 spätestens am Tag 7 möglich ist. Nur in solchen Fällen, in denen nachfolgend noch diagnostische Eingriffe mit Entnahmen von Gewebsproben oder Operationen vorgesehen sind, sollte aus Gründen der Praktikabilität die Antikoagulation mit Heparin längerfristig fortgesetzt werden.
In der 2003 veröffentlichten CLOT-Studie [18] konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass das NMH Dalteparin Warfarin in der Therapie von venösen Thromboembolien bei Tumorpatienten signifikant überlegen war. In dieser Studie von sechsmonatiger Dauer wurden 336 Patienten mit therapeutischen Dosen von Dalteparin (200 I. E./kg täglich) behandelt, 336 Patienten mit Warfarin mit einem Ziel-INR von 2,5. Die Dosierung von Dalteparin wurde nach 4 Wochen um 25 % reduziert. 53 Patienten (17,4 %) unter Warfarin, aber nur 26 Patienten unter Dalteparin (8,8 %) erlitten innerhalb der Studienzeit von 6 Monaten eine Rezidivthrombose (Abb. 1). Die Blutungskomplikationen unterschieden sich in beiden Gruppen nicht.
Tumorpatienten mit erhöhtem Blutungsrisiko
In Tabelle 2 sind in der unteren Hälfte die klinischen Situationen aufgeführt, die bei konventioneller Antikoagulation ein deutlich erhöhtes Blutungsrisiko erwarten lassen. Blutungen unter oralen Antikoagulanzien hängen weitgehend von der Intensität und Dauer der Antikoagulation ab, hinzu kommen jedoch noch patientenspezifische Faktoren wie das Alter der Patienten, die Art der Erkrankung, Komorbidität sowie der zusätzliche Einsatz von Medikamenten, die zur Hemmung der Plättchenfunktion führen. Hierbei handelt es sich bei Tumorpatienten häufig um nichtsteroidale Antiphlogistika. In einer großen retrospektiven Analyse an Tumor- und Nichttumorpatienten betrug die kumulative Rate größerer Blutungen nach 12 Monaten 5,3 % und nach 24 Monaten 10,6 % [11]. Eine Multivarianz-Analyse ergab bei Vorliegen eines Tumors ein vierfach höheres Risiko, eine Blutung zu erleiden. Eine andere Studiengruppe kam zu dem Schluss, dass ein Tumorleiden einen unabhängigen Risikofaktor von 2,5 für Blutungskomplikationen darstellte [43]. Im Gegensatz zu den oben genannten Befunden fanden Prandoni et al. [30] in einer prospektiven Kohortenstudie an 355 Patienten mit einem ersten thromboembolischen Ereignis während der ersten 3 Monate keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich größerer Blutungen zwischen Tumor- und Nichttumorpatienten. Ein Verzicht auf eine Antikoagulation bei Risikopatienten mit akuter Thrombose würde ein ungebremstes Thrombuswachstum nach proximal und die Entstehung von Lungenembolien begünstigen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, wird man in der Akutphase auf unfraktioniertes oder niedermolekulares Heparin in einer dem Blutungsrisiko angepassten reduzierten Dosierung zurückgreifen müssen. Die Dosierung wird hierbei bei sehr hohem Blutungsrisiko im Bereich der Prophylaxedosis, bei weniger ausgeprägtem Risiko aber höher liegen (etwa 50 % der therapeutisch üblichen Dosierung). In bestimmten Fällen mag es auch möglich sein, kurzfristig unter engmaschiger klinischer Überwachung eine nahezu therapeutisch wirksame Dosierung des Heparins zu verabreichen. Auf Grund der Blutungsrisiken, die mit der Dauer der Behandlung zunehmen, wird jedoch der Übergang auf orale Antikoagulanzien problematisch. Daten zur Effektivität einer „Very-low-dose-Warfarin“-Therapie wie im Falle der Prophylaxe (s. o.) gibt es bei Tumorpatienten nicht. Auf Grund der Tumor-Thrombophilie ist auch nicht zu erwarten, dass eine orale Antikoagulanzien-Therapie mit einem INR < 2 wirksam sein kann. Die Blutungsrisiken verbieten jedoch eine längerfristige orale Antikoagulanzien-Therapie mit einem Ziel-INR, der im Bereich von 2 bis 3 liegt. Seit Einführung der NMH zur Prophylaxe und Therapie thromboembolischer Erkrankungen haben diese sich in der Langzeittherapie von Tumorpatienten mit Blutungsrisiken auf Grund ihrer bekannten Vorteile als besonders bedeutsam erwiesen. Von wichtiger praktischer Bedeutung für die Patienten ist die Möglichkeit, mit einer einzigen subkutanen Injektion pro Tag auszukommen. In der oben aufgeführten CLOT-Studie konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass das NMH Dalteparin in therapeutischer Dosis dem Warfarin deutlich überlegen war, selbst wenn die Dosierung nach 4 Wochen um 25 % reduziert wurde [18]. Aber auch niedrigere Dosen scheinen protektiv zu sein. Offensichtlich kann nach einer initial mehrtägigen therapeutisch wirksamen Heparin-Dosis auch ein dosisreduziertes NMH das Auftreten von Rezidivthrombosen weitgehend verhindern. So verglichen Pini et al. [28] den Stellenwert des NMH Enoxaparin mit Warfarin zur Frage der Verhütung einer Rezidivthrombose über den Zeitraum von 3 Monaten. Initial erhielten die 187 Studienpatienten die volle therapeutische Dosis von UFH über 10 Tage. Nachfolgend wurde in randomisierter Weise eine Gruppe mit 40 mg Enoxaparin s. c. einmal täglich und die andere Gruppe mit Warfarin (Ziel-INR von 2,0–3,5) behandelt. Der mittlere INR lag bei 2,7. Nach der dreimonatigen Behandlungszeit kam es bei sechs der NMH-Patienten und bei vier der Warfarin-Patienten zu einem Rezidiv der Thrombose. Zu Blutungen kam es bei vier der Enoxaparin-Patienten, aber bei 12 der Warfarin-Patienten. Das et al. [7] führten 2 Jahre später eine ähnliche Studie durch. Nach initialer Therapie mit UFH in therapeutischer Dosierung über 10 Tage wurden 107 Patienten in einer offenen prospektiven Studie in zwei Behandlungsarme randomisiert. Während die eine Hälfte der Patienten 5 000 I. E. des NMH Dalteparin erhielt, wurde die andere Hälfte standardmäßig mit Warfarin behandelt wobei der Ziel-INR 2,0 bis 3,0 betragen sollte. Zu Rezidiven kam es in der NMH-Gruppe bei drei Patienten und in der Warfarin-Gruppe bei einem Patienten. Blutungen traten bei keinem Patienten in der NMH-behandelten Gruppe und bei fünf Patienten in der Warfarin-behandelten Gruppe auf. Somit konnte mit beiden Studien gezeigt werden, dass nach initial adäquater Heparinisierung niedrig dosierte NMH einer therapeutisch wirksamen oralen Antikoagulanzien-Therapie nahezu ebenbürtig waren, während Blutungskomplikationen unter NMH wesentlich seltener auftraten. Eine subkutane Therapie mit einem NMH kann bei gegebener Indikation auch über Wochen oder sogar Jahre durchgeführt werden. So wird in einer Publikation des Jahres 1997 von vier Patienten mit ausgedehnten tumorbedingten Thrombosen berichtet, die über 5, 6, 26 und 27 Monate 30 mg Enoxaparin s. c. zweimal täglich erhielten, ohne dass es im Behandlungszeitraum zu einem Rezidiv gekommen wäre [41].
In einigen Hochrisikosituationen werden jedoch sogar NMH in prophylaktischer Dosierung kontraindiziert sein. Diese Situationen sind in Tabelle 4 zusammengefasst.
In diesen Hochrisikosituationen muss man sich unter Umständen auf alleinige physikalische Maßnahmen beschränken, beispielsweise Kompressionsverbände. Bei rezidivierenden Lungenembolien kommt dem Vena-cava-Filter als einzige Behandlungsmöglichkeit eine wichtige Bedeutung zu [34].
Rezidivierende Thrombosen
Patienten mit malignen Erkrankungen haben, solange die Grundkrankheit andauert, ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer Rezidivthrombose zu erkranken. In retrospektiven Studien werden bei Patienten mit unterschiedlichen Malignomen und auch Tumorstadien Rezidivraten, die zwischen 11 und 42 % liegen, angegeben [5, 24]. In einer Subgruppe von 58 Patienten mit Neoplasien kam es nach Prandoni et al. [30] in den ersten 3 Monaten bei 10,3 % der Patienten zu einem Thromboserezidiv, während dies bei Nichttumorpatienten in 4,7 % der Fall war (p = 0,12). Unter Berücksichtigung eines gut eingestellten INR lag die Rezidivrate für Tumorpatienten bei 8,6 % und für Nichttumorpatienten bei 1,3% (p < 0,01). Die Analyse von drei großen randomisierten Studien, in der UFH gegenüber NMH in der Akutphase verglichen wurde, ergab für die Karzinompatienten nach 3 Monaten Warfarin-Therapie eine Thromboserezidivrate von 10 %, während bei Patienten ohne Karzinom in 4 % eine Rezidivthrombose auftrat [16, 21, 38].
Bislang gibt es keine Studien zur Frage der Dauer der Antikoagulanzien-Therapie bei Tumorpatienten. Es gibt jedoch Studien, die der Frage der notwendigen Dauer der Antikoagulanzien-Therapie nach tiefen Venenthrombosen jeglicher Ursache nachgehen. Hierbei konnte unter anderen Schulman et al. [35] zeigen, dass für Patienten mit anhaltender Thrombophilie das Risiko einer Rezidivthrombose wesentlich höher als für Patienten ohne anhaltende Thrombophilie (sog. sekundäre Thrombose) war. Patienten mit anhaltender Thrombophilie profitierten von einer zweijährigen Antikoagulation mehr als von einer sechsmonatigen Antikoagulation, wobei das Blutungsrisiko bei 2 Jahren Dauer nur gering erhöht war. Sofern ein Tumor nicht kurativ behandelbar ist, wird auch die tumorbedingte Thrombophilie durch unter anderem Freisetzung prokoagulatorischer Tumorsubstanzen, Chemotherapeutika und Immobilisation anhalten. Aus diesem Grund muss für Tumorpatienten, wenn sich nicht durch die Tumorprogression neue Kontraindikationen ergeben, eine längerfristige Antikoagulation empfohlen werden.
Fibrinolytische Therapie bei Tumorpatienten?
Eine systemische fibrinolytische Therapie zur Fibrinolyse von tiefen Venenthrombosen im Oberschenkel oder Beckenbereich sollte nur bei kurativ behandelten Patienten mit guter Langzeitprognose unter Berücksichtigung der Indikationen und Kontraindikationen in Erwägung gezogen werden. Bei Patienten mit manifestem Tumorleiden ist einerseits die akute Blutungsgefahr zu berücksichtigen, andererseits sollte bedacht werden, dass viele dieser Patienten an einer unheilbaren Erkrankung leiden und wahrscheinlich den Benefit einer erfolgreichen Lyse, das heißt die Verhinderung eines postthrombotischen Syndroms, gar nicht mehr erleben.
Diese Einschränkungen gelten nicht für die akute, fulminante Lungenembolie. Auch bei einer eingeschränkten Lebenserwartung ist es zu rechtfertigen, eine lebensbedrohliche Lungenembolie durch eine einstündige hoch dosierte Lysetherapie in Anlehnung an die bekannten Schemata, die beim Myokardinfarkt zur Anwendung kommen, zu therapieren (z. B. 1,5 Mio. E. Streptokinase oder 100 mg rt-PA über 1 Stunde). Hierbei können sogar so genannte relative Kontraindikationen in Kauf genommen werden. Diese Überlegungen gelten natürlich nicht für terminal kranke Tumorpatienten, bei denen es nicht selten im Finalstadium zu einer Lungenembolie kommen kann.
Einen wichtigen Stellenwert in der Onkologie haben Fibrinolytika bei der möglichen Wiedereröffnung von verschlossenen zentralvenösen Kathetern oder Portsystemen. Sofern der thrombotische Verschluss dieser Verweilkatheter nicht Tage, sondern Stunden zurückliegt, ist es in einem Teil der Fälle möglich, durch die lokale Infusion von Fibrinolytika (z. B. 20 000 E. Urokinase) und unter leichtem Druck eine Wiedereröffnung zu bewerkstelligen. Eine nachfolgende prophylaktische Heparinisierung mit NMH zur Vermeidung eines Re-Verschlusses ist indiziert.
Venous thromboembolism in cancer patients
Cancer patients have an increased risk of thromboembolic complications. This leads to an increased morbidity and mortality. Deep venous thrombosis may be the first sign of a yet undiagnosed malignant disease (paraneoplastic syndrome). Surgical interventions of cancer patients are associated with an increased risk of venous thromboembolism as compared with patients with nonmalignant disease. Therefore the dosage of low molecular weight heparins (LMWH) for a high risk situation should be chosen. According to clinical studies a prolonged period of thromboprophylaxis of three to four weeks is beneficial for the patients. A general thrombosis prophylaxis for port systems can not be recommended at the present time since the rate of catheter occlusions is low. With induction chemotherapy the decision to give or withhold medical thrombosis prophylaxis should be decided on an individual basis according the present risk factors. Also in secondary thrombosis prophylaxis the LMWH play an important role as they can be more easily handled in risk situations and are probably effective even in a decreased dosage. In a study comparing LMWH with warfarin the LMWH was significantly superior over a period of 6 months. Since LMWH have to be injected subcutaneously only once or twice daily and since in most cases laboratory monitoring is not necessary, they have definite advantages for ambulatory treatment of cancer patients.
Keywords: Cancer patients, thromboembolic complications, prophylaxis, low molecular weight heparins
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Prof. Dr. Erhard Hiller, Hämato-onkologische Gemeinschaftspraxis am Rotkreuzplatz, Winthierstr. 7, 80639 München, E-Mail: Erhard.Hiller@gmx.de
Tab. 2. Nichtrisiko- und Risikopatienten für antithrombotische Therapie
Nichtrisikopatienten – |
Patient von Tumorleiden geheilt |
Vollremission, d. h. keine nachweisbaren Tumormanifestationen |
Maligne Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome |
Primärtumoren ohne erkennbares Blutungsrisiko (z. B. Prostata, Mamma, Lunge, Pankreas, Dickdarm, Ovar, Uterus, Sarkome) |
Ausschließlich ossäre Metastasen (z. B. Mammakarzinom) |
Lymphknotenmetastasen, kleine (wenige) Leber- und Lungenmetastasen |
Risikopatienten – |
Gehirntumoren, Gehirnmetastasen |
Ulzerierend oder exophytisch wachsender Tumor (z. B. Magen, Darm, Harnblase, Niere) |
Thrombozytopenie (< 50 000/µl) |
Manifeste hämorrhagische Diathese |
Bekanntes Blutungsleiden |
Tab. 3. Niedermolekulare Heparine (NMH) zur Therapie von venösen Thromboembolien
Certoparin (Mono-Embolex®8 000 I. E. Therapie) 2 x 8 000 I. E./d s. c. |
Enoxaparin (Clexane®) 2 x 1 mg/kg täglich s. c. |
Nadroparin |
Tinzaparin (innohep® 20.000 Anti-Xa I. E./ml) 1 x 175 Anti-Xa I. E./kg täglich s. c. |
Dalteparin (Fragmin®) 1 x 200 I. E./kg täglich s. c. (Diese Indikation ist in in Deutschland nicht, jedoch in Österreich und der Schweiz zugelassen.) |

Abb. 1. Kaplan-Meier-Schätzung der Wahrscheinlichkeit, dass es bei den Krebspatienten unter Dalteparin oder Warfarin zu einem symptomatischen Rezidiv kommt [18]
Tab. 4. Hochrisikosituationen mit Kontraindikationen gegenüber jeglicher antithrombotischen Therapie
Zustand nach frischen Operationen von Hirntumoren, Hirnmetastasen oder anderen ZNS-Tumoren |
Akut blutende Tumoren im GI-Bereich (Magen, Darm) |
Akut blutende Tumoren im Urogenitalbereich (Niere, Blase, Uterus) |
Blutungen bei sehr niedrigen Thrombozyten (< 20 000/µl) |
Z. B. Leukämien, nach intensiver Chemotherapie (Hochdosistherapie) |
Arzneimitteltherapie 2006; 24(02)