Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener, Essen
Die Inzidenz des Diabetes mellitus nimmt in zivilisierten Ländern rapide zu. Eine typische Komplikation des Diabetes mellitus ist die diabetische Polyneuropathie, die bei einem Großteil der Patienten mit Schmerzen einhergeht. Die Behandlung erfolgt bisher mit trizyklischen Antidepressiva, Antikonvulsiva oder retardierten Opioiden. Duloxetin (Cymbalta, Yentreve) ist ein dualer Wiederaufnahme-Hemmer von Serotonin und Noradrenalin. Beide Neurotransmitter spielen eine Rolle bei der Modulation zentraler schmerzleitender Systeme.
In eine 12-wöchige multizentrische doppelblinde Studie wurden 457 Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes mellitus aufgenommen. Die Behandlungsgruppen erhielten 20 mg, 60 mg oder 120 mg Duloxetin/Tag verglichen mit Plazebo. Einschlusskriterium war ein Wert von mindestens 3 auf einer Skala, mit der die diabetische Neuropathie beurteilt wird (Michigan Neuropathy Screening Instrument). Der primäre Endpunkt war der mittlere Wert auf einer 24-stündigen Schmerzskala, die von 0 bis 11 reichte. Die Erhebung erfolgte über Tagebücher.
457 Patienten wurden in die Studie aufgenommen und 344, das entspricht 75 %, beendeten die Studie. In den Dosisgruppen mit 60 und 120 mg Duloxetin/Tag kam es zu signifikant mehr Studienabbrüchen, als in der Plazebo-Gruppe. Die Patientenpopulation war über die vier Behandlungsgruppen gut vergleichbar. Die mittlere Dauer des Diabetes mellitus betrug 11 Jahre und die mittlere Dauer der diabetischen Polyneuropathie 3,7 Jahre.
Sowohl 60 und 120 mg Duloxetin waren signifikant wirksamer als Plazebo. Ein signifikanter Therapieeffekt war bereits eine Woche nach Therapiebeginn zu verzeichnen. Die 20-mg-Dosis war nicht wirksam. So betrug der mittlere 24-Stunden-Schmerzscore in der Plazebo-Gruppe –1,90, in der 60-mg-Dosisgruppe von Duloxetin –2,89 und in der 120-mg-Dosisgruppe –3,24. Auch für eine ganze Reihe sekundärer Parameter wie die subjektive Befindlichkeit und den SF36 ergaben sich Unterschiede zugunsten von Duloxetin. Responder, das heißt Personen mit einer mindestens 50%igen Reduktion der Schmerzintensität waren 26 % in der Plazebo-Gruppe, 49 % mit 60 mg und 52 % mit 120 mg Duloxetin/Tag. Die häufigsten Nebenwirkungen, die sich von Plazebo unterschieden, waren Übelkeit, Benommenheit, Schwindel, Verstopfung, Mundtrockenheit, vermehrte Schweißneigung, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme und allgemeine Schwäche.
Kommentar
Mit Duloxetin hat sich das Spektrum an Substanzen erweitert, mit denen eine schmerzhafte diabetische Polyneuropathie behandelt werden kann. Aus der Gruppe der Antidepressiva war bisher nur eine Wirksamkeit von trizyklischen Antidepressiva mit ihrem entsprechenden Nebenwirkungsprofil berichtet worden. Da eine ganze Reihe der anderen Substanzen zur Behandlung der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie wie Carbamazepin, Gabapentin, Pregabalin oder Opioide ebenfalls im unterschiedlichen Ausmaß Nebenwirkungen hervorrufen, ist es wichtig, eine weitere therapeutische Option zur Verfügung zu haben. Duloxetin ist im Moment aber zur Behandlung der diabetischen Polyneuropathie noch nicht zugelassen.
Quelle
Goldstein DJ, Lu Y, Detke MJ, Lee TC, et al. Duloxetine vs. placebo in patients with painful diabetic neuropathy. Pain 2005;116:109–18.
Arzneimitteltherapie 2006; 24(03)