Fortgeschrittenes follikuläres B-Zell-Lymphom

Hohe Ansprechrate unter Radioimmuntherapie


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Barbara Kreutzkamp, München

Patienten mit einem fortgeschrittenen niedriggradigen follikulären B-Zell-Lymphom sprechen gut auf eine Radioimmuntherapie mit 131I-Tositumomab an. Die Verträglichkeit der Therapie war zufrieden stellend.

Follikuläre Lymphome bilden den Hauptanteil der Gruppe der indolenten B-Zell-Lymphome. Sie wachsen langsam und bleiben lange Zeit asymptomatisch, so dass sich die meisten Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits in generalisierten Stadien befinden (Stadium III, meist sogar Stadium IV mit Knochenmarkbefall). Während die lokalisierte Form (Stadium I und II) häufig noch durch gezielte Bestrahlung geheilt werden kann, ist dies im generalisierten Stadium nicht mehr möglich. Allerdings kann beispielsweise durch die Kombination von Chemotherapie mit monoklonalen Antikörpern, die gegen die CD20-Antigene von B-Zellen gerichtet sind, das krankheitsfreie Überleben verbessert werden.

Auch mit der Radioimmuntherapie wurden schon gute Erfolge erzielt. Bei der Radioimmuntherapie werden radioaktive Isotope an tumortypische Antikörper gekoppelt, wodurch die Strahlung weitgehend selektiv an die Krebszellen gebracht wird.

131I-Tositumomab ist bereits zugelassen für die Behandlung rezidivierter oder therapierefraktärer niedrigmaligner Lymphome (USA, Bexxar®). Tositumomab ist ein muriner IgG2 monoklonaler Antikörper, der selektiv an CD20 auf den Oberflächen von gesunden und malignen B-Zellen bindet. In einer offenen Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit von 131I-Tositumomab in der Erstbehandlung des fortgeschrittenen follikulären Lymphoms untersucht.

In die Phase-II-Studie waren 76 konsekutive Patienten mit einem niedriggradigen B-Zell-Lymphom im Ann-Arbor-Stadium III oder IV einbezogen. Das Durchschnittsalter betrug 49 Jahre, die mediane Zeit zwischen Diagnose und Beginn der Radioimmuntherapie lag bei 8 Monaten. Bei 64 Patienten war das Knochenmark befallen. Die Applikation von 131I-Tositumomab erfolgte nach dem Bexxar-Schema, bei dem im ersten Durchgang Tositumomab plus 131I-Tositumomab zu dosimetrischen Zwecken und 1 bis 2 Wochen später Tositumomab plus 131I-Tositumomab in therapeutischer Dosierung i. v. gegeben wurde (Gesamtstrahlendosis = 75 cGy).

95 % der Patienten sprachen auf die Therapie an, 75 % der Patienten hatten eine komplette Remission.

Bei Patienten, bei denen in den Knochenmarkzellen per PCR-Reaktion eine Translokation des BCL2-Gens festgestellt worden waren, zeigten 80 % der Patienten mit komplettem Ansprechen auch ein molekulares Ansprechen (Verschwinden der BCL2-Mutationen).

Nach einem medianen Follow-up von 5,1 Jahren errechnete sich eine 5-Jahresrate für das progressionsfreie Überleben von 59 % und ein medianes progressionsfreies Überleben von 6,1 Jahren.

Die jährliche Rückfallrate ging mit fortschreitender Beobachtungszeit zurück: um 25 % im ersten, 13 % im zweiten und 12 % im dritten Jahr. Nach 3 Jahren betrug die Rückfallrate 4,4 %. Von den 57 Patienten mit komplettem Ansprechen blieben 40 in Remission über 4,3 bis 7,7 Jahre.

Hämatologisch-toxische Nebenwirkungen traten häufig auf, waren aber insgesamt moderat. Kein Patient benötigte Transfusionen oder hämatopoetische Wachstumsfaktoren. Myelodysplastische Syndrome oder febrile Neutropenien traten nicht auf.

Die in dieser Studie an bisher unbehandelten Patienten mit einem follikulären B-Zell-Lymphom gefundenen Ansprechraten liegen höher als in Studien mit 131I-Tositumomab an bereits chemotherapeutisch vorbehandelten Patienten. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass sich die Radioimmuntherapie gerade für die Erstbehandlung eines follikulären Lymphoms eignet. Dabei ergab sich in Multivarianzanalysen lediglich bei Patienten mit Knochenmarkbeteiligung ein verkürztes progressionsfreies Überleben. Allerdings entwickelten 63 % der Patienten Anti-Maus-Antikörper. In Studien mit chemotherapeutisch vorbehandelten Patienten lag diese Rate nur bei 10 %, was wohl mit der herabgesetzten Immunkompetenz dieser Patienten zusammenhängt. Die Entwicklung von Anti-Maus-Antikörpern könnte sich möglicherweise negativ auf das Therapieresultat auswirken. Der Einsatz von humanen oder humanisierten Antikörpern hat aber den Nachteil, dass durch die längere Halbwertszeit dieser Moleküle eine ungewollt längere Bestrahlungszeit auch bei gesunden Organen auftritt.

Kommentar

In einem begleitenden Kommentar im New England Journal wird die neue Therapieoption der Radioimmuntherapie bei fortgeschrittenem follikulärem B-Zell-Lymphom prinzipiell als Bereicherung gewürdigt. Die Sicherheitsdaten seien überzeugend, nicht dagegen die Wirksamkeitsdaten. Zum einen sind die Patienten mit einem Durchschnittsalter von 49 Jahren nicht repräsentativ für die normalerweise über 60-jährigen Lymphom-Patienten. Außerdem lässt eine fehlende Kontrollgruppe keine Aussage über den Krankheitsverlauf unter anderen, etablierten Therapieformen zu – beispielsweise „Watchfull-waiting“, Monotherapie mit Chlorambucil (Leukeran®), Fludarabin (Fludara®) oder Rituximab (MabThera®) oder milden Kombinationsschemata. Erst in einer prospektiven Doppelblindstudie wird man den therapeutischen Wert dieser neuen Behandlungsmethode erkennen können.

Quellen

Kaminski MS, et al. 131I-Tositumomab therapy as initial treatment for follicular lymphoma. N Engl J Med 2005;352:441–9.

Connors JM. Radioimmunotherapy – hot new treatment for Lymphoma. N Engl J Med 2005;352:496–8.

Arzneimitteltherapie 2006; 24(03)