Dr. Barbara Kreutzkamp, München
Morbus Crohn ist eine chronische entzündliche Erkrankung, die sich über den gesamten Gastrointestinaltrakt erstreckt. Die Standardtherapie umfasst in den akuten entzündlichen Schüben die Gabe von immunsuppressiven Substanzen. Mit zunehmendem Verständnis der Pathophysiologie erscheint aber auch der umgekehrte Ansatz, die Gabe von immunstimulierenden Substanzen, sinnvoll. Neueren Erkenntnissen zufolge sind nämlich die Symptome dieser Erkrankung unter anderem auf ein unzureichend funktionierendes unspezifisches Immunsystem der Darmschleimhaut zurückzuführen: Neutrophile und Makrophagen kommen nur unzureichend ihren Phagozytoseaufgaben nach, wodurch Darmbakterien und deren Stoffwechselprodukte ungehindert an die Schleimhautzellen des Darms gelangen und dort eine chronische, T-Zell-vermittelte Entzündung hervorrufen.
Der Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierende Faktor (GM-CSF) ist ein Wachstumsfaktor des Knochenmarks und für die Entwicklung und Funktionsfähigkeit sowohl der Granulozyten als auch der Makrophagen essenziell. Neben den Zellen des Knochenmarks exprimieren auch die Epithelzellen des gesamten Gastrointestinaltrakts GM-CSF-Rezeptoren.
Mit Sargramostim (in Deutschland nicht zugelassen) steht ein rekombinanter humaner GM-CSF für die Behandlung am Menschen zur Verfügung. Der Wachstumsfaktor wurde bisher vor allem zur Knochenmarkregeneration nach Chemotherapie eingesetzt (Leukine®, USA). In einer Pilotstudie untersuchte man nun die Wirksamkeit von Sargramostim bei Patienten mit Morbus Crohn.
In der randomisierten Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudie wurden 124 Patienten mit einem mittelschweren bis schweren aktiven Morbus Crohn in einem 2 : 1-Verhältnis der 56-tägigen Verum- oder Plazebo-Behandlung zugewiesen. Die Verum-Behandlung sah die tägliche subkutane Gabe von 6µg/kg Sargramostim vor. Antibiotika und Aminosalicylate waren als symptomatisch wirksame Bedarfsmedikamente erlaubt, immunsuppressive Basismedikamente und Glucocorticoide durften nicht eingenommen werden.
Primärer Endpunkt war das klinische Therapieansprechen, definiert als ein Absinken der Krankheitsaktivität um mindestens 70 Punkte auf dem Crohn’s Disease Activity Index (CDAI) bis zum Behandlungsende.
Am Stichtag – 57 Tage nach Behandlungsbeginn – ergab sich kein signifikanter Unterschied beim primären Endpunkt klinisches Therapieansprechen zwischen den beiden Behandlungsgruppen (Abb. 1).
Allerdings erreichten signifikant mehr Patienten unter der Sargramostim-Behandlung im Vergleich zur Plazebo-Gruppe den sekundären klinischen Endpunkt – einen Rückgang des CDAI-Score um mindestens 100 Punkte am Tag 57 – und das Eintreten einer Remission – definiert als ein CDAI-Score von 150 oder weniger Punkten nach Behandlungsende (Abb. 1). Auch waren die Therapieansprech- und Remissionsraten am Tag 29 während der Studie sowie 30 Tage nach Therapieende unter der Gabe des GM-CSF signifikant höher als unter Plazebo. Dementsprechend wurde bei Verum-Patienten auch eine signifikant größere Steigerung in der krankheitsbezogenen Lebensqualität erzielt, gemessen anhand des Inflammatory Bowel Disease Questionnaire.
Bei den Nebenwirkungen traten in der Sargramostim-Gruppe signifikant mehr Reaktionen an der Injektionsstelle auf (90 vs. 12 %, p < 0,001), signifikant häufiger waren auch Knochenschmerzen (37 vs. 7%, p < 0,001). Drei als schwer eingestufte Nebenwirkungen wurden als wahrscheinlich mit der Sargramostim-Gabe in Verbindung stehend eingestuft: Migräne drei Wochen nach Beendigung der Therapie, eine Episode mit Anorexie, Schwäche und Lethargie bei einem schlecht eingestellten Hypertoniker mit koronarer Herzkrankheit sowie eine vorübergehende Schwäche der rechten Seite bei vermuteter Demyelinisierung drei Wochen nach Beginn der Behandlung, die aber nach Behandlungsende praktisch vollständig verschwand.
Die Leukozytenzahl stieg unter der Behandlung, sistierte dann aber nach rund 30 Tagen auf dem hohen Niveau bei Beibehaltung der Sargramostim-Dosis und fiel nach Behandlungsende wieder. Bei einem der 78 Patienten in der Sargramostim-Gruppe wurden GM-CSF-neutralisierende Antikörper gefunden.
Zwar wurde in dieser Studie das primäre Therapieziel verfehlt, doch zeigen die Ergebnisse bei den sekundären Parametern, dass sich unter GM-CSF Sargramostim ohne zusätzliche Gabe von Immunsuppressiva ein gutes Therapieansprechen, eine zufriedenstellende Remissionsrate und eine Verbesserung der krankheitsbezogenen Lebensqualität einstellt. Nun müssen weitere Studien folgen, um die Rolle von GM-CSF bei Morbus Crohn zu verstehen und die immunstimulierenden Therapieregimes weiter zu verfeinern.
Quelle
Korzenik JR, et al. Sargramostim for active Crohn’s disease. N Engl J Med 2005;352:2193–201.

Abb. 1. Wirksamkeit der Therapie mit Sargramostim bei Patienten mit Morbus Crohn, gemessen am Abfall des CDAI (Crohn‘s Disease Activity Index)
Arzneimitteltherapie 2006; 24(03)