Chronische Kopfschmerzen

Ist Botulinumtoxin wirksam?


Prof. Dr. med. H. C. Diener,Essen

Lokale Botulinumtoxin-Injektionen in perikranielle Muskeln und Halsmuskeln bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen zeigten keine bessere Wirkung als Plazebo-Injektionen, so das Ergebnis einer aktuellen Studie.

Im Amerikanischen werden chronische Kopfschmerzen als „chronic daily headache“ bezeichnet. Dabei wird häufig nicht differenziert, ob es sich um chronische Spannungskopfschmerzen, chronische Migräne oder medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz handelt.

Es gibt bereits eine Vielzahl von Studien zum Einsatz von Botulinumtoxin zur Prophylaxe der Migräne und des chronischen Spannungskopfschmerzes. In größeren Plazebo-kontrollierten Studien wurden überwiegend negative Ergebnisse und in offenen Studien mit kleinerer Patienten-Zahl überwiegend positive Ergebnisse gezeigt. Jetzt wurden zum ersten Mal große Plazebo-kontrollierte Studien bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen vorgelegt.

In einer randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie an Patienten mit mehr als 16 Kopfschmerz-Tagen im Monat wurde den Patienten nach einer 30-tägigen Baseline-Phase zunächst Plazebo injiziert, um Patienten mit Plazebo-Ansprechen zu identifizieren. Dann wurden die Patienten randomisiert und erhielten im Abstand von 3 Monaten entweder Plazebo-Injektionen oder Botulinumtoxin-Injektionen (Botox®) in den M. frontalis, occipitalis, temporalis, masseter, trapezius, semispinalis und splenius capitis. Die mittlere Dosis betrug 190 E.

Der primäre Endpunkt der Studie war eine Zunahme der monatlichen kopfschmerzfreien Tage nach 180 Tagen Behandlung. Ein weiterer Endpunkt war unter anderem die Zahl der Patienten mit Therapie-Ansprechen (Abnahme der Kopfschmerz-Tage > 50 %).

Von 571 Patienten in der Baseline-Phase wurden 355 Patienten in einem mittleren Alter von 43 Jahren randomisiert. 84 % der Betroffenen waren weiblich. Am Ende der Plazebo-Phase zeigten 79 % kein Plazebo-Ansprechen, 21 % sprachen auf Plazebo an.

Die Zahl der kopfschmerzfreien Tage pro Monat betrug in den beiden Gruppen zwischen 5,5 und 5,8.

Botulinumtoxin-Injektionen führten bei den Patienten zu einer Zunahme der kopfschmerzfreien Tage um 6,7/30 Tage, Plazebo-Injektionen zu einer Zunahme um 5,2/30 Tage. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. Die Zahl der Patienten, die auf die Therapie ansprachen, betrug 32,7 % in der Botulinumtoxin- und 15,0 % in der Plazebo-Gruppe. Dieser Unterschied war statistisch signifikant.

Nur 4 Patienten in der Botulinumtoxin-Gruppe (2,3 %) brachen die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab.

In einer Post-hoc-Subgruppenanalyse wurden die Patienten dahingehend unterteilt, ob sie während der Studie Medikamente zur Prophylaxe von Kopfschmerzen wie Betablocker, Calciumkanalblocker, Antiepileptika, trizyklische Antidepressiva einnahmen oder nicht. Von insgesamt 355 Patienten nahmen 228 (64,0 %) keine prophylaktische Medikation ein.

In dieser Subgruppe nahm nach 180 Tagen die Zahl der kopfschmerzfreien Tage um 7,8/30 Tage durch die Botulinumtoxin-Injektionen zu, verglichen mit einer Zunahme von 4,5/30 Tagen durch Plazebo-Injektionen. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Bei den Patienten mit prophylaktischer Medikation ergab sich kein Unterschied.

Kommentar

Erstmals wurden die Ergebnisse einer großen randomisierten Studie mit Botulinumtoxin über 9 Monate berichtet. Insgesamt sind die Ergebnisse negativ, da die Zunahme der kopfschmerzfreien Tage in beiden Behandlungsgruppen identisch war. Am eindrucksvollsten ist bei dieser Studie allerdings der Effekt der Plazebo-Behandlung. Eine Ansprechrate von 15 %, das heißt eine Abnahme der Kopfschmerz-Tage um mehr als 50 %, bei Patienten mit langjährigen chronischen Kopfschmerzen ist eindrucksvoll. In der Post-hoc-Analyse ergab sich eine statistisch signifikante, aber klinisch nicht sehr relevante Zunahme kopfschmerzfreier Tage nach 180 Tagen zugunsten von Botulinumtoxin. Der Unterschied von 3,3 kopfschmerzfreien Tagen ist zwar statistisch signifikant, angesichts der Kosten einer Behandlung mit Botulinumtoxin aber klinisch nicht relevant. Zusammengefasst rechtfertigen die Ergebnisse im Moment den Einsatz von Botulinumtoxin zur Behandlung von chronischen Kopfschmerzen nicht.

Quellen

Mathew NT, et al.; BOTOX CDH Study Group. Botulinom Toxin Type A (BOTOX®) for the prophylactic treatment of chronic daily headache: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Headache 2005;45:293–307.

Dodick DW, et al., BOTOX CDH Study Group. Botulinum Toxin Type A for the prophylaxis of chronic daily headache: subgroup analysis of patients not receiving other prophylactic medications: a randomized double-blind, placebo-controlled study. Headache 2005;45:315–24.

Arzneimitteltherapie 2006; 24(04)