Therapie der Osteomyelitis


Hartmut Lode und Ralf Stahlmann, Berlin*

Trotz besserer perioperativer Prophylaxe und moderner diagnostischer Methoden ist eine wesentliche Verminderung der Häufigkeit von Infektionen des Knochens und der Gelenke nicht zu beobachten. Bei großen rekonstruktiven Eingriffen in der Orthopädie mit prothetischen Materialien lässt sich letztlich die Infektionsrate nicht unter 0,5 % senken. Eine sorgfältige Diagnostik mit Gewinnung des auslösenden Erregers, Bestimmung dessen Resistenz und einer wirksamen, häufig lang dauernden, parenteralen und/oder oralen antibiotischen Therapie ist notwendig. Bei vielen Osteomyelitis-Infektionen, insbesondere der chronischen Form, sind zusätzliche chirurgische sanierende Eingriffe notwendig.
Arzneimitteltherapie 2006;24:123–5.

Die Osteomyelitis ist definiert als ein inflammatorischer Prozess des Knochens, der mit einer Destruktion einhergeht und durch Infektionserreger verursacht ist. Diese Infektion kann auf einen umschriebenen Bereich des Knochens begrenzt sein oder unterschiedliche Teile des Knochens wie Knochenmark, Cortex, Periost und/oder das umgebende Weichteilgewebe befallen.

Formen der Osteomyelitis

Vom praktischen, klinischen Standpunkt können drei unterschiedliche Osteomyelitis-Typen unterschieden werden.

Die sekundäre Osteomyelitis entsteht durch die lokale Ausbreitung von einem angrenzenden infektiösen Ausgangsherd, beispielsweise nach einem Trauma, nach einer Knochenoperation oder auch einem Gelenkersatz.

Eine weitere Osteomyelitis-Form ist die im Rahmen einer vaskulären Insuffizienz, die vorwiegend bei Diabetes-Patienten auftritt und sich zumeist sekundär aus einer Weichteilinfektion der Füße entwickelt.

Die dritte Form ist die hämatogene Osteomyelitis, die vorwiegend im jungen Kindesalter oder bei sehr alten Patienten gesehen wird und in der Regel aus einer Bakteriämie entsteht.

Es ist auch sinnvoll, eine akute Form der Osteomyelitis von der chronischen zu unterscheiden, wobei die Letztere durch einen mäßig ausgeprägten Inflammationsgrad mit persistierenden Erregern und dem Nachweis von Sequestern und/oder infizierten Fisteln charakterisiert ist.

Pathogenese

Die Manifestation einer Osteomyelitis beruht auf mikrobiellen und Wirtsfaktoren. Unter den Erregern ist Staphylococcus aureus bei weitem der häufigste. Dieser Erreger produziert eine Reihe von extrazellulären und zellassoziierten Faktoren, die für seine besondere Virulenz bei der Osteomyelitis verantwortlich sind. Neben der Expression von Adhäsionsmolekülen, die die schnelle und umfangreiche Kolonisation dieser Erreger fördern, werden Substanzen wie Protein A, Kapsel-Polysaccharide und andere gebildet, die zur Umgehung der Wirtsabwehr führen.

Weiterhin produziert Staphylococcus aureus auch Exotoxine und zahlreiche Hydrolasen, die Invasion und Matrixzerstörung bewirken. Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis können darüber hinaus auch so genannte Biofilme produzieren, die eine antibiotische Therapie besonders problematisch machen.

Bei Protheseninfektionen müssen neben Staphylococcus aureus insbesondere Koagulase-negative Staphylokokken sowie gramnegative aerobe Bakterien berücksichtigt werden, was ebenfalls auch für posttraumatische Infektionen gilt. Bei Osteomyelitiden ausgehend von diabetischen Fußinfektionen sind weiterhin Streptokokken, Enterokokken, gramnegative Enterobakterien wie auch anaerobe Erreger zu berücksichtigen. Osteomyelitiden, die durch menschliche oder tierische Bisse verursacht werden, können häufig mit Pasteurella multocida oder Eikenella corrodens in Verbindung gebracht werden.

Diagnostik

Führende Untersuchungsmethoden zur diagnostischen Sicherung sind die konventionelle Röntgenaufnahme des infizierten Bereichs sowie meist ein Computertomogramm. Ein zusätzliches MRT ist meist nicht erforderlich, allerdings gibt diese Methode bessere Information über die Beteiligung der Weichteile. Auch die Knochenszintigraphie mit unterschiedlichen Radioisotopen kann bei der Erstdiagnostik und im Verlauf eingesetzt werden.

Unter den Laborwerten ist insbesondere das C-reaktive Protein von Bedeutung. Vor der antibiotischen Therapie sollte unbedingt Material für die Mikrobiologie und die Histopathologie aus dem befallenen Knochen gewonnen werden. Kulturell sollten aerobe und anaerobe Erreger, aber auch Mykobakterien und Pilze angezüchtet werden.

Therapie

Bei der meist sekundären Form der Osteomyelitis muss ein kombinierter antimikrobieller und chirurgischer Ansatz verfolgt werden. Bei der hämatogenen Osteomyelitis kann in der Regel auf eine Operation verzichtet werden und die antibiotische Therapie ist meist erfolgreich. Allerdings müssen die Infektionszeichen nach einer einwöchigen antibiotischen Therapie deutlich rückläufig oder verschwunden sein. Andernfalls muss mit Komplikationen gerechnet werden; möglich sind beispielsweise subkutane, subperiostale oder auch intramedulläre Abszesse sowie die Bildung von Sequestern. Bei der Mehrzahl dieser Befunde ist eine chirurgische Intervention sinnvoller als der Einsatz eines anderen Antibiotika-Regimes, insbesondere wenn das primäre Antibiotikum gegen den nachgewiesenen Erreger aktiv war.

Der Einsatz von Antibiotika stellt meist eine adäquate Behandlung für die akute Osteomyelitis dar. Die hierfür in Frage kommenden Substanzen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Eine Monotherapie ist in der Regel adäquat für die Behandlung der Osteomyelitis mit Ausnahme der Infektionen an prothetischem Material und bei der chronischen Osteomyelitis; bei diesen Indikationen sollte meist eine Antibiotika-Kombination mit Einschluss von Rifampicin eingesetzt werden. Generell kann von einer meist parenteralen Therapie über eine Dauer von vier bis sechs Wochen ausgegangen werden. Allerdings kann beim Einsatz von Fluorchinolonen von der parenteralen Gabe relativ früh auf orale Einnahme umgewechselt werden.

Clindamycin (z. B. Sobelin®) weist eine gute Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe auf und penetriert gut ins Knochengewebe. Es wird bei sensiblen Erregern für eine lang dauernde orale Therapie empfohlen, entweder alleine oder in Kombination. In den letzten Jahren haben sich insbesondere die Fluorchinolone wegen ihrer exzellenten Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe und auch wegen ihrer überzeugenden Ergebnisse in Infektionsmodellen bewährt [1].

Die Behandlung von Osteomyelitiden verursacht durch Staphylococcus aureus benötigt eine länger dauernde parenterale Gabe von semisynthetischen Penicillinen oder Vancomycin. Diese Therapie beinhaltet jedoch nicht unerhebliche Risiken und Komplikationen, wie sie mit einem längeren Aufenthalt im Krankenhaus verbunden sind, beispielsweise Katheterinfektionen, und auch erhebliche Kosten des Krankenhaus-Aufenthalts.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass die orale Behandlung mit Rifampicin in Kombination mit Ciprofloxacin (z. B. Ciprobay®), Ofloxacin (z. B. Tarivid®) oder Fusidinsäure (in Deutschland zur oralen Therapie nicht im Handel) sehr wirksam bei Staphylokokken-Infektionen der Knochen auch in Gegenwart von Implantaten oder prothetischem Material ist. Insbesondere die Kombination von Ciprofloxacin mit Rifampicin bei sensiblen Erregern hat sich durch die gute intrazelluläre Anreicherung und Aktivität gegenüber auch Biofilm-assoziierenden Staphylokokken bewährt [2, 3].

Bei der hämatogenen Osteomyelitis des Kindes sollte eine kurze parenterale antibiotische Therapie gefolgt sein von einer oralen Antibiotika-Gabe über mehrere Wochen.

Bei der chronischen Osteomyelitis des Erwachsenen muss häufig über lange Zeit, bis zu 24 Wochen, behandelt werden, wobei sowohl Co-trimoxazol (z. B. Eusaprim®) oder Fluorchinolone eingesetzt werden.

Aus Kostengründen hat sich in den letzten Jahren auch bei der Behandlung mit parenteralen Antibiotika die ambulante Therapie durchgesetzt. Ceftriaxon (z. B. Rocephin®) verfügt über eine etwa
10- bis 20%ige Diffusion vom Serum in den Knochen, so dass zumeist die notwendigen aktiven antibakteriellen Konzentrationen erreicht werden. Die lange Halbwertzeit erlaubt eine einmal tägliche Gabe, allerdings ist es bei einer Staphylococcus-aureus-Knocheninfektion nicht die optimale Substanz. Nosokomiale Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) oder auch resistenten gramnegativen Erregern erfordern häufig eine langzeitige intravenöse Therapie mit Glykopeptiden oder Breitspektrumantibiotika. Bei MRSA-Infektionen haben sich auch kontinuierliche Infusionen von Vancomycin in der ambulanten parenteralen Therapie bewährt. Das Oxazolidinon Linezolid (Zyvoxid®) hat eine hohe Aktivität gegen MRSA, die bisherige Datenlage bei der Therapie der Osteomyelitis ist allerdings noch begrenzt [4].

Operative Maßnahmen

Eine chronische Osteomyelitis kann im Allgemeinen ohne einen chirurgischen Eingriff nicht erfolgreich behandelt werden. Die Entfernung von Sequestern und die Resektion von infizierten Knochen- und Weichteilbereichen sind das primäre Ziel, wobei eine Rekonstruktion der Knochen- und Weichteildefekte häufig notwendig wird.

Bei diabetischen Fußinfektionen sollte bei entsprechender Konstellation die Besserung der Vaskularisation des Gewebes im Vordergrund der therapeutischen Bemühungen stehen.

Bei Infektionen von prothetischem Material oder Gelenken hat sich ein zweizeitiges Vorgehen bewährt. Zunächst sollte chirurgisch das gesamte Fremdmaterial entfernt werden und eine Ruhigstellung des Knochens und des angrenzenden Weichteilgebiets erfolgen. Danach sollte über vier bis sechs Wochen parenteral antibiotisch behandelt werden, worauf dann die endgültige Rekonstruktion erfolgen kann. Der einzeitige Austausch des prothetischen Gelenkes wird in der Regel immer mit einem Antibiotika-haltigen Knochenzement vorgenommen, wobei dennoch ein nicht unerhebliches Risiko eines Infektionsrezidivs weiterbesteht. Diese Prozedur wird allerdings fast ausschließlich nur für Gelenkoperationen eingesetzt.

Treatment of osteomyelitis

This review describes the antiinfective possibilities for treating patients with osteomyelitis. In the most cases additional surgical interventions are necessary.

Keywords: Osteomyelitis, antibiotics

Literatur

1. Lew DP, Waldvogel FA. Osteomyelitis. Lancet 2004;364:369–79.

2. Lew DP, Waldvogel FA. Use of quinolones in osteomyelitis and infected orthopedic prosthesis. Drugs 1999;58(Suppl 2):85–91.

3. Widmer AF, Gaechter A, Ochsner PE, Zimmerli W. Antimicrobial treatment of orthopedic implant-related infections with rifampin combinations. Clin Infect Dis 1992; 14:1251–3.

4. Rayner CR, Baddour LM, Birmingham, MC, Norden C. et al. Linezolid in the treatment of osteomyelitis: Results of compassionate use experience. Infection2004;32:8–15.

*Erstpublikation in Zeitschrift für Chemotherapie 2004;25:33–5.

Prof. Dr. med. Hartmut Lode, Pneumologie I, Department Lungenklinik Heckeshorn, Helios-Klinikum Emil-von-Behring, Zum Heckeshorn 33, 14109 Berlin, E-Mail: haloheck@zedat.
fu-berlin.de
Prof. Dr. med. Ralf Stahlmann, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Garystraße 5, 14195 Berlin

Tab. 1. Erreger und Antibiotika-Auswahl zur Behandlung der Osteomyelitis bei Erwachsenen

Bakterien

Therapie- und Dosisempfehlungen

Alternativen

Penicillin-sensitiver Staphylococcus aureus

Benzylpenicillin1 (12–20 Mio. E./Tag)

Cefazolin2 (4 x 1 g/Tag) oder
Clindamycin3 (4 x 600 mg/Tag) oder

Vancomycin4 (2 x 1 g/Tag)

Penicillin-resistenter Staphylococcus aureus

Flucloxacillin5 (3 x 1 g/Tag)
Cefazolin2 (3 x 2 g/Tag)

Cephalosporine der Gruppe 2 (z. B. Cefuroxim)
Clindamycin3 (4 x 600 mg/Tag) oder
Vancomycin4 (2 x 1 g/Tag) oder
Ciprofloxacin6 (2 x 750 mg/Tag per os) oder
Levofloxacin7 (2 x 500 mg/Tag) plus Rifampicin8 (1 x 600 mg/Tag)

Methicillin-resistenter Staphyococcus aureus*

Vancomycin4 (2 x 1 g/Tag)

Teicoplanin9 (initial 2 x 400 mg, dann 1 x 400 mg/Tag)

Verschiedene Streptokokken (Gruppe A und B, Pneumokokken)

Benzylpenicillin1 (12–20 Mio. E./Tag)

Clindamycin3 (4 x 600 mg/Tag) oder
Erythromycin10 (4 x 500 mg/Tag) oder
Vancomycin4 (2 x 1 g/Tag)

Gramnegative Enterobakterien

Fluorchinolone (z. B. Ciprofloxacin6, 2 x 400–750 mg/Tag mit früher Umstellung auf orale Gabe)

Cephalosporine der Gruppe 3 (z. B. Ceftriaxon11 (1 x 2 g/Tag);
Cefepim12 (2 x 2 g/Tag))

Serratia spp.; Pseudomonas aeruginosa

Piperacillin13** (6 x 2–4 g/Tag) und Aminoglykosid

Cefepim12 (2 x 2 g/Tag) oder
Fluorchinolon und Aminoglykosid

Anaerobier

Clindamycin3 (4 x 600 mg/Tag)

Ampicillin/Sulbactam14 (3 x 2 g/Tag); bei gramnegativen Anaerobiern: Metronidazol15 (3 x 500 mg/Tag)

Aerobe und anaerobe Mischinfektionen

Ampicillin/Sulbactam14 (3–4 x 2–3 g/Tag)***

Imipenem16 (4 x 500 mg/Tag)****

Bei renaler oder hepatischer Funktionsbeeinträchtigung müssen die angegebenen Dosierungen entsprechend angepasst werden. Die Applikation der Antibiotika erfolgt ausschließlich intravenös, es sei denn, es wurde speziell anders angegeben.

* Die meisten Koagulase-negativen Staphylokokken sind Methicillin-resistent
** In Abhängigkeit von der Sensitivität auch Cephalosporine der Gruppe 4 (Cefepim), Piperacillin/Tazobactam, Meropenem oder Imipenem
*** In Europa auch Amoxicillin/Clavulansäure (z. B. Augmentan 3–4 x 1,2–2,2 g/Tag)
**** Bei Resistenz von gramnegativen Erregern gegenüber Aminopenicillinen

Handelspräparate (Beispiele)

1: Penicillin G, 2: Basocef, 3: Sobelin, 4: Vancomycin, 5: Staphylex , 6: Ciprobay 7: Tavanic , 8: Rifa, 9:Targocid, 10: Erythrocin 11: Rocephin, 12: Maxipime, 13: Pipril, 14: Unacid, 15: Flagyl, 16: Zienam

Arzneimitteltherapie 2006; 24(04)