Dr. Barbara Kreutzkamp, München
Antiretrovirale Medikamente verbessern das Langzeitüberleben HIV-infizierter Patienten, führen aber auch zu neuen Problemen, die vor allem die Verträglichkeit und Langzeit-Compliance betreffen. In einer Reihe von Studien werden Strategien für eine erfolgreiche Umstellung zum Nutzen des Patienten dargelegt.
Die hoch aktive antiretrovirale Therapie (HAART) sieht die Gabe von zwei nucleosidischen Reverse-Transcriptase-Inhibitoren (NRTI) zusammen mit einem Protease-Inhibitor (PI) oder einem nicht-nucleosidischen Reverse-Transcriptase-Inhibitor (NNRTI) vor. In einigen Studien wurde der Effekt einer Umstellung auf ein PI-sparendes Therapieregime überprüft. In zwei Einzelstudien und einer Metaanalyse von insgesamt neun Umstellungsstudien ergab sich dabei ein konsistentes Bild:
- Patienten, die z. B. auf Nevirapin (Viramune®) oder Efavirenz (Sustiva®) umgestellt wurden, profitierten aufgrund eines verminderten Risikos für ein Therapieversagen durch Anstieg der Virusmenge oder Therapieabbruch.
- Bei einer Umstellung von Patienten auf Abacavir (z. B. Ziagen®) ist die Wahrscheinlichkeit für ein Therapieversagen erhöht, vor allem bei suboptimaler NRTI-Therapieeinstellung (z. B. primäre NRTI-Monotherapie).
Abacavir-basierte vereinfachte Therapien (drei NRTI inklusive einem Thymidin-Analogon) sollten so nur Patienten verordnet werden, deren Vortherapie bekannt ist und die keine Mono- oder duale NRTI-Therapie erhalten haben.
Ein wichtiger Grund für eine Behandlungsumstellung sind Nebenwirkungen wie Dyslipidämie, Insulinresistenz oder Veränderungen in der Fettverteilung. Sind solche Nebenwirkungen aufgetreten, ist eine Umstellung vor allem bei Patienten sinnvoll, die weitere Risikofaktoren für eine kardiovaskuläre Erkrankung haben.
Therapeutisch schwierig in den Griff zu bekommen sind immer noch die Fettverteilungsstörungen. In klinischen Studien mit einer Umstellung von einem PI auf ein vereinfachtes Regime ergaben sich keine Hinweise auf eine Verbesserung der Lipodystrophie in klinisch relevantem Ausmaß. Sinnvoll kann eine solche Umstellung dann sein, wenn man die Fettverteilungsstörung vermeiden oder zumindest verzögern will. In jüngster Zeit hat man neue Erkenntnisse über den Einfluss von NRTI auf die Entwicklung einer Lipodysthrophie gewonnen. Vor allem das Thymidin-Analogon Stavudin (Zerit®) scheint eine Lipoatrophie zu induzieren. Die Substitution von Thymidin-Analoga durch Abacavir führt bei Patienten mit einer Lipoatrophie zu einer Fettzunahme, ohne die Spiegel von Lipiden, Glucose oder Lactat zu verändern.
NRTI-Umstellungen können auch sinnvoll sein, wenn die Lactat-Spiegel erhöht sind. Nicht alle NRTI oder NRTI-Kombinationen beeinflussen nämlich die mitochrondriale Aktivität im gleichen Ausmaß. Kontrollierte Studien fehlen hier aber noch.
Patienten unter einer PI-basierten Therapie, die aufgrund erhöhter Nüchtern-Lipid-Spiegel eine lipidsenkende Therapie benötigten, profitieren am ehesten von einer Umstellung auf Abacavir; unter Nevirapin oder Efavirenz ergaben sich leicht erhöhende Effekte auf den HDL-Cholesterol-Wert. Der Einfluss von Abacavir, Nevirapin oder Efavirenz auf die Triglycerid-Spiegel ist dagegen nicht besonders stark im Vergleich zu einer weiter fortgeführten PI-basierten Behandlung.
Bei Betrachtung aller arzneimittelbedingten Nebenwirkungen, die zu einem Therapieabbruch führen können, scheint Studien zufolge das Beibehalten einer PI-basierten HAART mit einem höheren Risiko für einen Therapieabbruch einher zu gehen verglichen mit einer Umstellung auf Efavirenz, Nevirapin oder Abacavir. Besonders selten sind die nebenwirkungsbedingten Therapieabbrüche unter Abacavir.
Ein weiterer Grund für eine Therapieumstellung ist die Vereinfachung der Behandlung durch die Verminderung der eingenommen Tablettenzahl. In entsprechenden Studien wurde z. B. von einem PI auf ein NNRTI oder auf Abacavir umgestellt, ohne die NRTI-Medikation zu verändern. Dadurch wurde vor allem die Zahl der täglich einzunehmenden Tabletten reduziert, die Dosierungen gingen dagegen in weniger starkem Umfang zurück. Diese und weitere Studien liefern Belege dafür, dass eine Umstellung zu vereinfachten Einnahmemodalitäten bei gleichbleibender Effektivität die Therapietreue steigert.
Quelle
Maggiolo F, et al. Switch strategies in patients on effective HAART. J Antimicrob Chemother 2005;55:821–3.
Arzneimitteltherapie 2006; 24(04)