Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen
Nichtselektive nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) werden weit verbreitet zur Behandlung von Schmerzen des rheumatischen Formenkreises eingesetzt. Sie sind allerdings bekannt für ihre teilweise schweren gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Dyspepsie, Ulkusbildung, Blutungen oder sogar Todesfälle. Die selektiven Hemmstoffe der Cyclooxygenase 2 (COX-2) wurden mit dem Ziel entwickelt, die gastrointestinale Verträglichkeit im Vergleich zu nichtselektiven NSAR zu verbessern. Die heutigen Therapieempfehlungen beinhalten entweder eine Kombination aus nichtselektiven NSAR und Ulkustherapeutika oder die alleinige Gabe eines COX-2-Hemmers. Über die Langzeitrisiken der COX-2-Hemmer ist bislang jedoch nur wenig bekannt. Hinweise auf eine erhöhte kardiovaskuläre Toxizität führten bereits zu einer weltweiten Marktrücknahme von Rofecoxib. Nach diesen Zwischenfällen ist auch das gastrointestinale Risiko dieser Substanzklasse wieder zunehmend in die Diskussion geraten.
In einer aktuellen bevölkerungsgestützten Fall-Kontroll-Studie wurde das Risiko für Nebenwirkungen im oberen Gastrointestinaltrakt von verschiedenen COX-2-Hemmern mit dem von nichtselektiven NSAR verglichen. Durchgeführt wurde die Untersuchung in 367 Allgemeinarztpraxen in Großbritannien, die ihre Daten in eine nationale Datenbank einspeicherten. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von mindestens 25 Jahren mit der Erstdiagnose eines Ereignisses im oberen Gastrointestinaltrakt. Zwischen August 2000 und Juli 2004 wurden 9 407 Fallpatienten, deren medizinische Daten mindestens drei Jahre dokumentiert waren, identifiziert sowie 88 867 passende Kontrollen in die Studie aufgenommen.
Die Häufigkeit von Nebenwirkungen im oberen Gastrointestinaltrakt belief sich auf 1,36 pro 1 000 Personenjahre (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 1,34–1,39). Bei 4 176 von 9 407 Fällen (44,4 %) trat ein unkompliziertes gastrointestinales Ereignis auf, bei 5 231 (55,6 %) ein komplizierter Zwischenfall (Blutung, Perforation oder Operation).
4 253 der 9 407 Fallpatienten (45,2 %) war ein NSAR und 931 (9,9 %) ein COX-2-Hemmer in den vorangegangenen drei Jahren verordnet worden; dieser Anteil lag bei Kontrollpersonen bei 33,3 und 5,6% (nichtangeglichenes Odds-Ratio [OR] 1,69; 95%-KI 1,62–1,77; p < 0,001 sowie 1,89; 1,75–2,04; p<0,001).
Unter den Fallpatienten war ein größerer Prozentsatz übergewichtig, rauchte, wies zusätzlich Erkrankungen wie ischämische Herzkrankheiten, Diabetes mellitus, Hypertonie, Arthrose oder rheumatoide Arthritis auf und nahm Antidepressiva, CSE-Hemmer sowie Ulkustherapeutika ein.
Das höchste angeglichene relative Risiko für Nebenwirkungen im oberen Gastrointestinaltrakt stand in Zusammenhang mit der laufenden Einnahme von Naproxen (angeglichenes OR 2,12; 95%-KI 1,73–2,58), gefolgt von
- Diclofenac (1,96; 1,78–2,15),
- Acetylsalicylsäure (1,60; 1,49–1,72),
- Rofecoxib (1,56; 1,30–1,87) und
- Ibuprofen (1,42; 1,27–1,59),
jeweils verglichen mit keiner Arzneimitteleinnahme in den vergangenen drei Jahren.
Kein deutlich erhöhtes Risiko wurde für die laufende Anwendung von Celecoxib gefunden (1,11; 0,87–1,41), allerdings waren die Fallzahlen niedrig.
Klinisch signifikante Wechselwirkungen wurden bei gleichzeitiger Gabe von Ulkustherapeutika (Protonenpumpenhemmer, Misoprostol) und NSAR gefunden. Mit Ausnahme von Diclofenac konnte durch eine Kombination mit Ulkustherapeutika das erhöhte Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen deutlich vermindert werden. Bei Diclofenac allerdings war das angeglichene Odds-Ratio auch unter der kombinierten Einnahme immer noch erhöht (1,49; 1,26–1,76).
Fazit
Diese Daten sprechen nicht für eine signifikant höhere gastrointestinale Sicherheit der COX-2-Hemmer im Vergleich zu den herkömmlichen NSAR. Mit Ausnahme von Diclofenac scheint jedoch die kombinierte Gabe von NSAR und Ulkustherapeutika einen Vorteil zu bringen.
Quelle
Hippisley-Cox J, et al. Risk of adverse gastrointestinal outcomes in patients taking cyclo-oxygenase-2 inhibitors or conventional non-steroidal anti-inflammatory drugs: population based nested case-control analysis. BMJ 2005;331:1310–2.
Arzneimitteltherapie 2006; 24(07)