Zielgerichtete Tumortherapie

Sunitinib – ein neuer oraler Multi-Tyrosinkinase-Hemmer


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Bettina Martini, Stuttgart

Sunitinib ist als Sutent® seit Anfang 2006 in den USA bei fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom und bei gastrointestinalen Stromatumoren nach Imatinib-Versagen oder -Unverträglichkeit zugelassen. In Europa wurden die Zulassungen beantragt, eine positive Empfehlung liegt vor. Die bislang verfügbaren Studienergebnisse wurden auf einem von der Firma Pfizer unterstützten Symposium beim 27. Deutschen Krebskongress im März 2006 in Berlin zusammengefasst.

Sunitinib hemmt sowohl die Angiogenese als auch das Tumorwachstum, es blockiert folgende Wachstumsfaktor-Rezeptoren:

  • Vascular endothelial growth factor receptor (VEGF-R)
  • Platelet derived growth factor receptor (PDGF-R)
  • Stem cell factor receptor (c-KIT)
  • Glial cell-line derived neutropenic factor receptor (RET)
  • FMS-like tyrosine kinase 3 (FLT3)

Die Substanz kann oral gegeben werden. Das bislang am häufigsten untersuchte Dosierungsschema besteht in einer intermittierenden Gabe: 4 Wochen Therapie mit 50 mg Sunitinib einmal täglich, gefolgt von einer Pause von 2 Wochen, dann wieder 4 Wochen Sunitinib usw. Eine kontinuierliche Gabe wird derzeit in Studien untersucht.

Die maximale Plasmakonzentration wird 6 bis 12 Stunden nach der Einnahme erreicht, die Nahrungsaufnahme hat keine Auswirkung auf die Bioverfügbarkeit. Sunitinib hat eine lange Halbwertszeit von etwa 40 Stunden, außerdem entsteht bei der Metabolisierung über CYP3A4 ein aktiver Metabolit, der selbst eine Halbwertszeit von 80 Stunden hat. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend mit den Fäzes. Hinweise auf eine Kumulation mit erhöhter Toxizität liegen nicht vor.

Sunitinib wurde bei verschiedenen Tumorarten untersucht. Am weitesten fortgeschritten ist die klinische Entwicklung beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom nach Versagen einer Zytokin-Therapie und bei gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) nach Versagen einer Imatinib-Therapie (Glivec®). In beiden Indikationen wurde Sunitinib im Januar 2006 in den USA zugelassen, in Europa wurden die Anträge gestellt. Untersucht wird Sunitinib außerdem bei Mammakarzinom.

Nierenzellkarzinom

Nierenzellkarzinome machen etwa 2 % aller Krebsarten in Deutschland aus. Beim Nierenzellkarzinom ist die operative Therapie die einzige kurative Behandlungsoption. Chemo-, Strahlen- und Hormontherapien sind weitgehend wirkungslos. Mit Interleukin-2- und Interferon-alfa-gestützten Behandlungsregimen konnten in Studien bei bis zu 30 % der metastasierten Patienten objektive Remissionen erzielt werden. Eine Zytokin-basierte Therapie möglicherweise in Kombination mit Fluorouracil gilt derzeit als Standard.

Für Patienten, bei denen nach einer Zytokin-Therapie die Erkrankung fortschreitet, oder die eine Zytokin-Therapie nicht vertragen, gab es bislang keine Therapieoption.

Zu Sunitinib (Abb. 1) gibt es mehrere Phase-II-Studien, in denen eine Ansprechrate von etwa 40 % gesehen wurde und ein medianes progressionsfreies Überleben von 8,2 Monaten.

In einer randomisierten, offenen Phase-III-Studie mit 605 Patienten soll nun der Einsatz von Sunitinib in der First-Line-Therapie im direkten Vergleich zu einer Interferon-alfa-Therapie untersucht werden.

Zu Sorafenib (Abb. 1), ebenfalls ein Multi-Tyrosinkinase-Hemmer, läuft eine Phase-III-Studie mit 905 Patienten, die nach Versagen einer Zytokin-Therapie entweder Plazebo oder Sorafenib 400 mg oral zweimal täglich erhalten. In dieser Studie zeigte sich bei einer Zwischenanalyse ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben in der Sorafenib-Gruppe, so dass den Patienten in der Plazebo-Gruppe ein Wechsel in die Verum-Gruppe angeboten wurde. Der primäre Endpunkt der Studie, das mediane Überleben, ist derzeit noch nicht erreicht.

Gastrointestinale Stromatumoren

GIST (gastrointestinale Stromatumoren) sind sehr selten. Die Inzidenz liegt in Deutschland bei etwa 1200 bis 1 600 Neuerkrankungen pro Jahr. Der erste Therapieansatz ist die vollständige chirurgische Entfernung des Tumors. Für Patienten, bei denen es danach zu einem Rezidiv kommt oder die Erkrankung bereits metastasiert ist, ist eine Imatinib-Therapie (Glivec®) indiziert. Trotz der guten Wirksamkeit von Imatinib bei gastrointestinalen Stromatumoren kommt es zu Progressionen. Eine Dosiserhöhung von 400 mg Imatinib auf 800 mg/Tag kann bei vielen dieser Patienten das Tumorwachstum erneut aufhalten. Bei einem weiteren Fortschreiten des Tumors standen bislang keine therapeutischen Möglichkeiten mehr zur Verfügung.

Sunitinib verlängerte in einer Phase-III-Studie bei 312 Patienten mit gastrointestinalen Stromatumoren und Fortschreiten der Erkrankung trotz hochdosierter Imatinib-Therapie (800 mg/Tag) oder mit Imatinib-Unverträglichkeit die mediane Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung auf 6,3 Monate (Plazebo: 1,4 Monate, p < 0,0001). Aufgrund der guten Wirksamkeit wurde die Studie im Januar 2005 entblindet und den Patienten in der Plazebo-Gruppe die Verum-Therapie angeboten. Die Überlebensrate nach 6 Monaten betrug in der Sunitinib-Gruppe 79,4 % im Vergleich zu 56,9 % in der Plazebo-Gruppe. Die mediane Überlebenszeit war zum Zeitpunkt der Auswertung noch nicht erreicht.

Mögliche unerwünschte Wirkungen von Sunitinib, mit denen bei Imatinib nicht zu rechnen ist, sind Stomatitis, Hand-Fuss-Syndrom, Hypertonie, Hautdiskolorationen, Weiß-Färbung der Haare, Lipase-Erhöhung und Hypothyreose. Sunitinib verursacht im Vergleich zu Imatinib weniger Anämien, aber etwas mehr Thrombozytopenien, die bei gastrointestinalen Stromatumoren problematisch sind, weil diese Tumoren ohnehin leicht bluten.

In einer weiteren Studie soll Sunitinib bei Patienten mit Krankheitsprogress bei 400-mg-Imatinib mit einer Imatinib-Dosiserhöhung verglichen werden. Außerdem soll Sunitinib auch in der First-Line-Therapie mit Imatinib verglichen werden.

Quellen

Prof. Dr. Kurt-Werner Possinger, Berlin, Priv.-Doz. Dr. Jan Roigas, Berlin, Prof. Dr. Jochen Schütte, Düsseldorf, Satellitensymposium „Multi-Targeting: Durchbruch in der Krebstherapie“, veranstaltet von Pfizer im Rahmen des 27. Deutschen Krebskongresses in Berlin, am 24. März 2006.

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Urologie: Nierenzellkarzinom. AWMF online www.uni-duesseldorf.de/AWMF, zugegriffen am 11. April 2006.

Sutent® Prescribing information. Stand Januar 2006.

Abb. 1. Sunitinib (Sutent®) und Sorafenib (Nexavar®)

Arzneimitteltherapie 2006; 24(07)