Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Zum Management einer Antikoagulation im Rahmen endoskopischer Eingriffe gibt es in der klinischen Praxis immer wieder Fragen. Die Amerikanische Gesellschaft für Endoskopie hat jetzt neue Leitlinien zum Umgang mit Heparin und Thrombozytenfunktionshemmern, die nicht über eine Cyclooxygenase-Hemmung wirken, herausgegeben. Diese komplettieren die bereits 2002 publizierten Empfehlungen zu Phenprocoumon (Marcumar®), Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin®) und nichtsteroidalen Antirheumatika.
Die Vorgehensweise im Einzelfall orientiert sich zum einen am vorliegenden Risiko für ein thromboembolisches Ereignis (Tab. 1), zum anderen am Risiko des Eingriffs (Tab. 2).
Bei Patienten mit einem hohen Prozedurenrisiko und einem hohen thromboembolischen Risiko sollte bei einer oralen Antikoagulation das Cumarin-Präparat drei bis fünf Tage vor der Intervention abgesetzt und die Antikoagulation mit einem Heparin-Präparat fortgeführt werden, sobald der INR-Wert unter den therapeutischen Zielwert gesunken ist.
Bei hohem Prozedurenrisiko und einem niedrigen Thromboembolie-Risiko ist nach Absetzen des Cumarin-Präparats eine Heparin-Gabe nicht erforderlich. Stattdessen sollte die Antikoagulation nach der Intervention sofort wieder aufgenommen werden.
Bei niedrigem Prozedurenrisiko ist unabhängig vom thromboembolischen Risiko des Patienten eine Veränderung der Antikoagulation nicht erforderlich. Wenn der INR-Wert jedoch oberhalb des therapeutischen Bereichs liegt, sollte der Eingriff, soweit möglich, verschoben werden.
Bei bestehender Antikoagulation mit einem niedermolekularen Heparin empfiehlt es sich, bei einem hohen Prozedurenrisiko mindestens 8 Stunden vor dem Eingriff keine Injektion mehr zu verabreichen. Bei niedrigem Prozedurenrisiko ist diese Vorsichtsmaßnahme nicht erforderlich.
Für Patienten, die einen Thrombozytenfunktionshemmer einnehmen, empfehlen die Leitlinien ein differenziertes Vorgehen. Wie in einer weiteren Leitlinie ausgeführt, können bei Patienten, die Acetylsalicylsäure oder andere nichtsteroidale Antirheumatika einnehmen, bei nicht präexistenten Blutgerinnungsstörungen alle endoskopischen Eingriffe, also auch solche mit einem hohen Prozedurenrisiko, durchgeführt werden. In der vorliegenden Leitlinie wird interessanterweise empfohlen, Clopidogrel (z. B. Plavix®) oder Ticlopidin (z. B. Tiklyd®) mindestens eine Woche vor dem geplanten Eingriff abzusetzen, falls der Eingriff mit einem hohen Blutungsrisiko assoziiert ist. Bei niedrigem Blutungsrisiko kann der Eingriff unter fortlaufender Clopidogrel- oder Ticlopidin-Therapie durchgeführt werden.
Quellen
Prof. Christian Ell, Wiesbaden, Vortrag „Endoskopie und Antikoagulation“ im Rahmen des Gastro-Update 2006, Wiesbaden, 11. März 2006.
Zuckerman MJ, et al. ASGE guideline: the management of low-molecular-weight heparin and nonaspirin antiplatelet agents for endoskopic procedures. Gastrointest Endosc 2005;61:189–94.
Tab. 1. Risikofaktoren für ein thromboembolisches Ereignis im Rahmen eines endoskopischen Eingriffs
Hohes Risiko |
– Vorhofflimmern bei Herzklappenerkrankungen |
Niedriges Risiko |
– Tiefe Venenthrombose |
Tab. 2. Risiken endoskopischer Eingriffe
Hohes Blutungsrisiko |
– Polypektomie |
Niedriges Blutungsrisiko |
– Diagnostische Endoskopie |
Arzneimitteltherapie 2006; 24(10)