Bettina Schmitt-Hönl, Furtwangen
In der multizentrischen, randomisierten, Plazebo-kontrollierten WHI(Women’s health initiative)-Studie wurden Nutzen und Risiken einer Hormonersatztherapie bei postmenopausalen Frauen in Hinblick auf koronare Herzerkrankungen (KHK), Schlaganfälle, Osteoporose und Brustkrebs untersucht.
Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da vermehrt Schlaganfälle auftraten und das Risiko für koronare Herzkrankheit nicht, wie erwartet, gesenkt werden konnte. Frauen ohne vorangegangene Hysterektomie, die zum Schutz vor einer Hyperplasie der Gebärmutterschleimhaut eine Estrogen/Gestagen-Kombination erhielten, mussten zudem einen signifikanten Anstieg des Brustkrebsrisikos hinnehmen.
Bei 10 739 zuvor hysterektomierten Frauen, die nur mit 0,625 mg konjugierten equinen Estrogenen oral (z. B. Presomen 0,6) behandelt wurden, zeigte sich überraschenderweise ein gegenüber Plazebo reduziertes Krebsrisiko.
Die Studienteilnehmerinnen waren zu Studienbeginn zwischen 50 und 79 Jahre alt. Bei 41 % der Frauen waren neben der Gebärmutter auch die Eierstöcke entfernt worden. Verum- und Plazebo-Gruppe waren in Bezug auf ihre Anamnese vergleichbar, insbesondere bezüglich des individuellen und familiären Brustkrebsrisikos. Die Probandinnen erhielten die Medikation für durchschnittlich 7,1 Jahre.
Im Durchschnitt sank das Risiko, während der Studiendauer an invasivem Brustkrebs zu erkranken, bei der Gabe von konjugierten equinen Estrogenen im Vergleich zur Gabe von Plazebo nicht signifikant auf 0,80 (= Hazard Ratio [HR]; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,62–1,04; p = 0,09).
Einen schützenden Effekt hatte die Estrogen-Gabe vor allem bei Frauen, die ohnehin ein niedriges individuelles und familiäres Krebsrisiko hatten und nie zuvor an einer gutartigen Veränderung der Brust erkrankt waren.
Kein Nutzen für Risikopatientinnen
Ein durch konjugierte equine Estrogene erhöhtes Risiko hatten Frauen mit familiärer Vorbelastung (HR=1,75; 95%-KI 0,95–3,22), hohem individuellen Brustkrebsrisiko (HR = 1,28; 95%-KI 0,83–1,97) und wiederholter Biopsie in der Vorgeschichte (HR = 2,54; 95%-KI 0,73–8,86), die Risikoerhöhungen sind allerdings nicht signifikant.
Bei Frauen, die zuvor noch keine Hormone in der Postmenopause eingenommen hatten, wurde eine schützende Wirkung durch die Hormon-Gabe beobachtet. Bei vorbehandelten Frauen blieb das Risiko auch mit der erneuten Hormon-Gabe auf dem – gegenüber Plazebo – niedrigeren Niveau konstant.
Tumorgröße abhängig von Hormon-Therapie?
Bei Frauen mit Hormon-Therapie waren die Tumoren im Durchschnitt größer als bei der Gabe von Plazebo (1,8 cm vs. 1,5 cm; p = 0,03) und es waren häufiger bereits Lymphknoten betroffen (35,5 % vs. 23,3 %; p = 0,07).
Seltener Estrogen-Rezeptor-positive Tumoren unter Hormon-Therapie?
Das Risiko, an einem Estrogen-Rezeptor-positiven (ER+) Tumor zu erkranken, war unter der Estrogen-Gabe stärker reduziert (HR = 0,78; 95%-KI 0,57–1,06) als das für einen Rezeptor-negativen Tumor (HR = 0,92; 95%-KI 0,49–1,72). Dieser Befund widerspricht der gängigen Vorstellung, dass ER+-Tumoren durch Estrogen-Gaben stimuliert werden.
Häufiger auffällige Mammographie-Befunde?
Nach dem ersten Behandlungsjahr und in allen folgenden Jahren gab es unter der Hormon-Therapie häufiger auffällige Mammographie-Befunde als unter Plazebo. Deutlich häufiger wurde vom untersuchenden Arzt eine kurzfristige Kontrolluntersuchung empfohlen. 198 zusätzliche Biopsien ohne Krebsdiagnose erfolgten in der Verum-Gruppe gegenüber der Plazebo-Gruppe (747 vs. 549).
Fazit und Kommentar
Anders als eine Estrogen/Gestagen-Kombination bietet die Behandlung mit konjugierten Estrogenen alleine für einige hysterektomierte Frauen in der Postmenopause möglicherweise einen Schutz vor Brustkrebs. In Anbetracht der Unterschiede zwischen den Untergruppen der Studie und wegen des individuellen Thromboembolie-Risikos, muss die Substitution im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden.
Quelle
Stefanick ML, et al. Effects of conjugated equine estrogens on breast cancer and mammography screening in postmenopausal women with hysterectomy. JAMA 2006;295:1647–57.
Arzneimitteltherapie 2006; 24(10)