Neue Impfempfehlungen der STIKO

Pneumokokken-Impfung jetzt für alle Kinder


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Susanne Heinzl, Stuttgart

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut hat ihre Impfempfehlungen Anfang August deutlich ausgeweitet. Die Impfung gegen Pneumokokken wird für alle Kinder ab dem zweiten Lebensmonat bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr empfohlen, die Impfung gegen Meningokokken für alle Kinder im zweiten Lebensjahr. Wichtigstes Ziel der Impfung ist es, invasive Erkrankungen (wie Meningitis und Sepsis) mit ihren Folgeschäden zu vermeiden. Erfreulicher Zusatzeffekt: Aufgrund der Herdenimmunität erkranken in geimpften Populationen auch ältere Menschen seltener.

Der grampositive Erreger Streptococcus pneumoniae ist von einer Polysaccharidkapsel umgeben, wobei derzeit rund 90 verschiedene Kapselpolysaccharid-Typen bekannt sind. Diese Kapselpolysaccharide induzieren eine weitgehend typenspezifische Immunität. Nur etwa 10 bis 20 der 90 Serotypen sind für den überwiegenden Anteil der Infektionen beim Menschen verantwortlich. Deutliche Unterschiede in der Serotypen-Verteilung bestehen zum einen zwischen Kindern und Erwachsenen, zum anderen auch zwischen unterschiedlichen geographischen Regionen. Die Kapsel schützt die Erreger vor Phagozytose.

Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) ist der häufigste Erreger der außerhalb des Krankenhauses erworbenen Pneumonie sowie der bakteriellen Meningitis. Neben älteren Menschen sind besonders Kinder in den ersten fünf Lebensjahren von diesen Infektionskrankheiten betroffen. Von den durch Pneumokokken verursachten Erkrankungen verläuft vor allem die Meningitis oft schwer: Etwa 8 % der erkrankten Kinder sterben, über 20 % werden durch Taubheit oder schwere Gehirnschäden dauerhaft zu Pflegefällen.

Für Personen ab 60 Jahren wird die Pneumokokken-Impfung schon seit mehreren Jahren als Standardimpfung empfohlen. Sie erhalten einen Polysaccharid-Impfstoff mit 23 Serotypen (Pneumovax® 23), der auch für Kinder ab zwei Jahren eingesetzt werden kann.

Für kleinere Kinder ab zwei Monaten steht der 7-valente Konjugat-Impfstoff Prevenar® zur Verfügung. Der Impfstoff für Säuglinge muss an ein Eiweißmolekül konjugiert sein, nur dann können Säuglinge, deren körpereigenes Immunsystem noch nicht vollständig ausgereift ist, einen dauerhaften Impfschutz durch Bildung von Antikörpern entwickeln. Der 7-valente Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff enthält die sieben Kapselpolysaccharide 6B, 9V, 14, 18C, 19F und 23F und deckt damit etwa 80 % der am häufigsten vorkommenden Serotypen in Deutschland ab. Die Impfung kann zeitgleich mit dem derzeit auf dem Markt befindlichen hexavalenten Impfstoff, anderen Tdap-Kombinations-Impfstoffen, dem MMR-Impfstoff sowie dem Varizellen-Impfstoff im Rahmen der üblichen Vorsorgeuntersuchungen vorgenommen werden.

Die doppelblind und multizentrisch durchgeführte Kaiser-Permanente-Studie mit fast 40 000 Säuglingen belegte die Wirksamkeit des 7-valenten Konjugat-Impfstoffs. Bei Kinder, die alle vier Impfdosen erhalten hatten, sank das Risiko für eine invasive Pneumokokken-Erkrankung um 94,7 %.

In den USA ist die generelle Impfung von unter Zweijährigen bereits seit dem Jahr 2000 empfohlen. Schon zwei Jahre später war die Rate von Kleinkindern in diesem Alter mit invasiven Infekten um 69 % von 188 auf 59 Fälle pro 100 000 gesunken. Die Reduktion war deutlich stärker, als man nach den Impfdosen erwartet hatte.

Zusätzlich wirkte sich aus, dass durch die Impfung auch das Trägertum und damit eine weitere Verbreitung des Erregers verhindert wurde. Aufgrund des Phänonems der Herdenimmunität sank auch die Häufigkeit invasiver Pneumokokken-Erkrankungen bei älteren Menschen – der Großvater wurde durch die Impfung des Enkels ebenfalls geschützt! Geimpfte Kinder benötigen zudem weniger Antibiotika und weniger Besuche beim Kinderarzt.

Wie Abbildung 1 zeigt, sank in den USA seit der Einführung der Pneumokokken-Standardimpfung die Antibiotika-Resistenz der Pneumokokken wieder.

In Deutschland kann bei einer Durchimpfungsrate von etwa 68 % mit Einsparungen gerechnet werden, die deutlich über den Investitionskosten für die Impfung liegen. Derzeit ist allerdings die Kostenübernahme durch die Krankenkassen noch nicht bundeseinheitlich geregelt. Um die gewünschten Effekte möglichst schnell zu erzielen, kommt es vor allem auf die konsequente Impfung aller Kinder unter zwei Jahren an.

Quelle

Prof. Dr. Ralf René Reinert, Aachen, Dr. Christoph Straub, Hamburg, Dr. Jörn Voigt, Groß-Umbach, Presse-Konferenz „Schutz vor Pneumokokken-Infektionen für alle Säuglinge und Kleinkinder“, Berlin, 9. August 2006, veranstaltet von Wyeth Pharma GmbH, Münster.

Abb. 1. Penicillin-Resistenz bei Pneumokokken in den USA von 1991 bis 2003

Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt Arzneimitteltherapie express bei. Wir bitten unsere Leser um Beachtung.

Arzneimitteltherapie 2006; 24(11)