Andrea Warpakowski, Itzstedt
Sunitinib (Sutent®) hemmt das Wachstum von Tumoren, indem es mehrere verschiedene Rezeptor-Tyrosinkinasen inhibiert. Als Folge wird die Signalweiterleitung verschiedener Wachstumsfaktor-Rezeptoren blockiert, die für das Tumorwachstum und die Angiogenese wichtig sind: VEGF(vascular endothelial growth factor)-Rezeptor, PDGF(platelet derived growth factor)-Rezeptor, Stem-cell-factor-Rezeptor (c-KIT) und die FMS-like Tyrosinkinase (FLT3). Dieses Prinzip des „Multi-Targeting“ beeinflusst gleichzeitig die Proliferation, Migration sowie das Überleben von Krebszellen und wirkt bei verschiedenen Tumorarten. Ein Therapiezyklus mit Sunitinib dauert insgesamt sechs Wochen: vier Wochen lang einmal täglich eine Hartkapsel mit der empfohlenen Dosis 50 mg gefolgt von zwei Wochen Pause.
Zweitlinientherapie bei metastasiertem Nierenzellkarzinom
Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 13 000 Menschen an einem Nierenzellkarzinom. Bei einem lokalisierten Nierenzellkarzinom ist die einzige kurative Therapie die Entfernung des Tumorgewebes, denn Chemo- und Radiotherapie wirken beim Nierenzellkarzinom nicht: Die 5-Jahres-Überlebensrate nach der Operation beträgt 90 %. Etwa 4 000 Patienten haben jedoch ein metastasiertes Nierenzellkarzinom, bei dem eine Heilung nicht möglich ist. Bestehen bereits Fernmetastasen, beträgt die
1-Jahres-Überlebensrate nur 20 %. Für die bisherige Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms mit Zytokinen sind Datenlage und Zulassungsstatus international uneinheitlich. Am besten belegt ist eine Therapie mit Interferon alfa, die das Überleben um 3,8 Monate verlängert.
Sunitinib zeigt beim metastasierten Nierenzellkarzinom dagegen eine ungewöhnlich hohe Antitumoraktivität und ein langes Ansprechen. Der Grund: Beim klarzelligen Nierenzellkarzinom, das 80 % aller Nierenzellkarzinom ausmacht, ist die Konzentration der Wachstumsfaktoren VEGF und PDGF erhöht und Sunitinib hemmt beide Signalwege.
So sprachen in den beiden Phase-II-Studien 42 % von 168 Patienten auf die Zweitlinientherapie mit Sunitinib objektiv an und bei 24 % stabilisierte sich die Erkrankung für mindestens drei Monate, bewertet nach den RECIST-Kriterien (Response evaluation criteria in solid tumors). Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 8,2 Monate, bei Patienten mit objektivem Ansprechen sogar 14,8 Monate (Tab. 1). Sunitinib wurde zur Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms in Europa auf Grundlage der beiden Phase-II-Studien unter besonderen Bedingungen erteilt, da noch weitere Nachweise für den Nutzen und das Risiko der Substanz erwartet werden.
Zweitlinientherapie bei GIST
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) sind selten: In Deutschland erkranken pro Jahr 1 200 bis 1 600 Personen. Zirka drei Viertel der Tumoren sind im Magen und Dünndarm lokalisiert, eine Metastasierung erfolgt vor allem in der Leber (60 %) und im Peritoneum (20 %). Die mediane Überlebenszeit bei fortgeschrittener Erkrankung beträgt 1 bis 1,5 Jahre. Bei fast allen (95 %) GIST können eine oder mehrere aktivierende Mutationen im KIT-Gen nachgewiesen werden, die zu einer Liganden-unabhängigen Daueraktivierung der entsprechenden Tyrosinkinase führen. Bei 5 bis 7 % der Tumoren besteht eine aktivierende Mutation im Gen des PDGF-Rezeptors. Standard in der Erstlinientherapie ist die Behandlung mit dem Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib. Allerdings lässt die Wirkung dieser Substanz nach durchschnittlich zwei Jahren nach und die Erkrankung schreitet voran. Bis zur Zulassung von Sunitinib gab es für die Patienten in diesem Fall keine weitere Therapieoption. Basis der Zulassung von Sunitinib ist eine doppelblinde Phase-III-Studie, in der 312 mit Imatinib vorbehandelte Patienten randomisiert im Verhältnis 2 : 1 Sunitinib oder Plazebo erhielten. Im Mittel hatten die Patienten vorher 800 mg Imatinib als Tagesdosis erhalten. Nach der ersten geplanten Zwischenanalyse wurde der Plazebo-Arm abgebrochen, denn bei 70 % der Patienten schritt die Erkrankung bei der Gabe von Plazebo fort. Die Patienten konnten mit Sunitinib weiter behandelt werden. Im Vergleich zu Plazebo verlängerte Sunitinib die Zeit bis zur Progression von im Median 5,1 auf 28,9 Wochen (Abb. 1). Das Gesamtüberleben war bei der Therapie mit Sunitinib signifikant länger (Hazard-Ratio 0,49) und es verstarben weniger Patienten (25 % vs. 14 %).
Die häufigsten Nebenwirkungen von Sunitinib sind Müdigkeit, gastrointestinale Störungen sowie eine reversible Hautverfärbung. Derzeit wird die Substanz bei weiteren Krebsarten wie Brust-, Lungen-, Darm- und Hautkrebs geprüft.
Quelle
Prof. Dr. Axel Ullrich, Martinsried, Priv.-Doz. Dr. Peter Reichardt, Berlin, Prof. Dr. Jan Roigas, Berlin. Pressekonferenz „Multi-Targeting: Eine Idee wird zum Medikament“, Hamburg, 19. September 2006, veranstaltet von Pfizer.
Tab. 1. Nierenzellkarzinom: Ansprechraten in der Zweitlinientherapie [nach Hudes GR, ECCO 13, Paris 2005, Abstract 797]
Tumoransprechraten |
2 Studien |
Progressionsfreies |
Gesamtansprechrate |
42 %* |
14,8 Monate |
Komplettes Ansprechen |
1 % |
|
Partielles Ansprechen |
42 % |
|
Stabile Erkrankung ≥ 3 Monate |
24 % |
7,9 Monate |
Progression, stabile Erkrankung < 3 Monate oder nicht auswertbar |
34 % |
*entspricht 71 von 168 Patienten mit komplettem/partiellem Ansprechen in beiden Studien zusammen

Abb. 1. GIST: Zeit bis zur Progression durch die Gabe von Sunitinib signifikant länger (der Plazebo-Arm wurde frühzeitig abgebrochen, um allen Patienten die Behandlung mit Sunitinib zu ermöglichen) [nach Demetri GD, et al. ASCO 2005, Orlando, Abstract 4000]
Arzneimitteltherapie 2007; 25(02)