L. Cornelius Bollheimer, Christiane Girlich, Ulrike Woenckhaus und Roland Büttner, Regensburg
Zielwerte für die glykämische Kontrolle
Der Diabetes mellitus Typ 2 ist in Europa mit einer Prävalenz von mindestens 8 bis 10 % bei den über 40-Jährigen eine sehr häufige Erkrankung mit deletären Folgen [1]. Es besteht Konsens, dass das Ziel einer antidiabetischen Therapie bei Patienten mit normaler Lebenserwartung eine normnahe Blutzucker-Einstellung (glykämische Kontrolle) sein muss; allerdings wird diese glykämische Kontrolle in der Vielzahl der mittlerweile existierenden lokalen, nationalen und internationalen Leitlinien unterschiedlich definiert. Vor Betrachtung der einzelnen Therapieformen soll daher zunächst auf die Festlegung des Therapieziels näher eingegangen werden. Unabhängig davon muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrund bislang allerdings nur sporadisch existierender Endpunktstudien von einer besseren kardiovaskulären Prognose bei normnaher antihyperglykämischer Einstellung ausgegangen werden kann [2].
In den aktuellen nationalen Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) vom Mai 2006 (Praxis-Leitlinie DDG, [3]) wird die adäquate glykämische Kontrolle beim Diabetes mellitus Typ 2 zum einen an präprandialen oder Nüchternblutglucose-Werten von 80 bis 120 mg/dl und zum anderen an einem HbA1c-Wert von unter 6,5 % festgemacht [4]. Obwohl in der Praxis-Leitlinie nicht explizit formuliert, werden Blutzucker-Werte in der Regel durch Selbstmessung (SMBG = self monitoring of blood glucose) aus kapillärem Vollblut bestimmt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Nüchtern- und präprandiale Blutzucker-Werte im kapillären Vollblut etwa um 15 mg/dl niedriger sind als die korrespondierenden Werte aus venösem Plasma, auf das sich der geläufige diagnostische Grenzwert für eine diabetische Stoffwechsellage von 126 mg/dl bezieht [5]. Die aktuelle Version der Praxis-Leitlinie DDG [3] nimmt keinen direkten Bezug auf die postprandialen, das heißt im Intervall von zwei Stunden nach Nahrungsaufnahme gemessenen, Blutzucker-Werte. Diese werden allenfalls mittelbar berücksichtigt, da man davon ausgehen kann, dass ohne eine strikte normnahe Einstellung auch des postprandialen Blutzuckers ein HbA1c-Wert von unter 6,5 % nicht erreicht werden kann [6–8].
Neben der Praxis-Leitlinie DDG [3] als der aktuellsten Empfehlung auf nationaler Ebene existiert die Versorgungsleitlinie zum Diabetes mellitus Typ 2 aus dem Jahr 2002 (NVL T2DM 2002, [9, 10]). Ihre Überarbeitung erfolgt modulweise, die ersten beiden Module „Netzhautkomplikationen“ und „Fußkomplikationen“ wurden im Oktober und November 2006 publiziert [136]. Die Versorgungsleitlinie 2002 ist ein Konsensus, der unter der Schirmherrschaft der Bundesärztekammer (BÄK) und der Mitträgerschaft der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) von diabetologisch aktiven Fachgesellschaften (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft = AkdÄ, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin = DGIM, Deutsche Diabetes Gesellschaft = DDG, Fachkommission Diabetes Sachsen = FDS), erarbeitet worden ist [9, 10]. In den darin niedergelegten umfassenden Empfehlungen zur Behandlung eines Diabetes mellitus Typ 2 werden einerseits ein präprandialer oder Nüchternglucose-Wert von 80 bis 100 mg/dl im kapillären Vollblut, andererseits ein HbA1c-Wert von unter 6,5 % sowie ein postprandialer Blutzucker-Wert zwischen 80 und 135 mg/dl (beim postprandialen Blutzucker-Wert gibt es im Gegensatz zum Nüchternblutzucker-Spiegel keine relevanten Unterschiede zwischen kapillärem Vollblut und venösem Plasma) als Ziele definiert. Die Empfehlung für den postprandialen Blutzucker-Spiegel mit ihrer unteren Intervallsgrenze von 80 mg/dl erscheint ziemlich streng (und damit wenig realistisch), so dass hier die überarbeitete Version der nationalen Versorgungsleitlinie abgewartet werden sollte.
Für konkrete Empfehlungen zu postprandialen Blutzucker-Werten sei deshalb auch auf zwei international anerkannte Leitlinien, und zwar des American College of Endocrinology (ACE) aus dem Jahr 2002 [11] und der International Diabetes Federation (IDF) aus dem Jahr 2005 [12], verwiesen, in denen 140 mg/dl bzw. 145 mg/dl als Zielwerte definiert werden. Ansonsten stimmen die beiden Leitlinien in ihren Vorgaben für den kapillär gemessenen Nüchternblutzucker-Wert (< 110 mg/dl) und den HbA1c-Wert (≤ 6,5 %) mit der Praxis-Leitlinie DDG im Wesentlichen überein.
Die American Diabetes Association (ADA) schließlich als weltweit einflussreichste Diabetesfachgesellschaft hat in ihren aktuellen Empfehlungen vom Januar 2006 die Zielwertvorgaben für den HbA1c-Wert mit generell unter 7,0 % und für den postprandialen Blutzucker-Spiegel von unter 180 mg/dl weiter gefasst als die zuvor genannten Fachgesellschaften [13]. Auch beim Nüchtern- oder präprandialen Blutzucker-Wert (Intervall zwischen 90 und 130 mg/dl) ist die ADA liberaler als die vorgenannten Gremien.
Allgemeines Therapieschema des Diabetes mellitus Typ 2
Nach der Erstdiagnose eines Diabetes mellitus Typ 2 ist – ausgehend von der Pathophysiologie der Erkrankung – die grundlegende Umstellung der Lebensweise (detailliert zusammengefasst [14–16]) das erste therapeutische Ziel. Falls nach drei Monaten trotz des Versuchs der Gewichtsreduktion und der Erhöhung der körperlichen Aktivität der HbA1c-Wert noch immer über 7 % liegt, sehen die aktuellen Leitlinien der DDG (modifiziert dargestellt in Abb. 1) eine Hinzunahme von oralen Antidiabetika zunächst in Mono-, dann in Kombinationstherapie und zuletzt die Insulin-Therapie vor [4]. Diese Therapieschritte werden im Folgenden vorgestellt.
Orale antidiabetische Therapie
Die derzeit in dieser Indikation zugelassenen Präparate wirken generell über drei Grundprinzipien, nämlich durch
- Steigerung der Insulin-Sensitivität (Wirkungsprinzip 1): Biguanide (Metformin), Thiazolidindione (Glitazone)
- Steigerung der Insulin-Ausschüttung (Wirkungsprinzip 2): Sulfonylharnstoffe, Glinide
- Hemmung der Glucose-Resorption im Darm (Wirkungsprinzip 3): Acarbose, Miglitol
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft gibt in ihren oben genannten Leitlinien detaillierte Vorschläge zur sequenziellen Differenzialtherapie mit diesen Medikamenten (Abb. 1).
Basierend auf dieser Systematik werden im Folgenden die wichtigsten Daten zur Pharmakologie und klinischen Anwendung dieser Stoffgruppen dargestellt (zusammengefasst in Tab. 1); zusätzlich wird ein Ausblick über neue Antidiabetika, die sich in der Zulassung oder in der klinischen Entwicklung befinden oder gerade zugelassen wurden, gegeben.
Wirkungsprinzip 1 – Steigerung der Insulin-Sensitivität: Biguanide (Metformin)
Schon seit dem Mittelalter ist der Einsatz von Guanid-enthaltenden Bockshornkraut-Zubereitungen (Galega officinalis) in der Therapie des Diabetes mellitus bekannt [17]. Nachdem die lipophilen Guanide Phenformin und Buformin aufgrund der vergleichsweise hohen Gefahr einer Laktazidose bereits Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts vom Markt genommen worden sind, ist das hydrophilere Biguanid Metformin (z. B. Glucophage®) die einzige noch pharmakotherapeutisch verwendete Substanz aus dieser Klasse.
Wirkungsmechanismus
Metformin wirkt über eine Steigerung der zellulären Insulin-Sensitivität in den wichtigsten stoffwechselaktiven Geweben, das heißt Leber, Muskel und Fettgewebe. Als Mechanismen werden hier sowohl eine direkte Verbesserung der intrazellulären Insulin-Signaltransduktion als auch eine Aktivierung eines wichtigen Energiesensors der Zelle, nämlich der AMP-aktivierten Kinase, diskutiert [18]. Dies führt zu einer vermehrten mitochondrialen Oxidation energiereicher Substrate und damit zu einer konsekutiv gesteigerten ATP-Produktion. Insgesamt beruht die antidiabetische Wirkung auf der resultierenden Abnahme der hepatischen Glucose-Produktion und der Lipogenese sowie einer geringen Zunahme der Glucose-Aufnahme in den Skelettmuskel. Als Folge der gesteigerten Insulin-Sensitivität nehmen die körpereigenen Proinsulin- und Insulin-Spiegel ab.
Klinische Effekte, Wirksamkeit
Mit den oben skizzierten Wirkungsmechanismen bietet sich Metformin als Grundlage der Therapie des Typ-2-Diabetes-mellitus bei Übergewicht/Adipositas an. Klinisch fällt nach Beginn einer Metformin-Therapie eine Verbesserung der Nüchternglucose-Werte und zumindest eine Erleichterung gewichtsreduzierender Maßnahmen auf [19]. Unter einer ausdosierten Metformin-Monotherapie kann nach drei Monaten eine Verbesserung der Nüchternglucose-Werte um etwa 35 bis 70 mg/dl und eine Senkung des HbA1c-Werts um 1 bis 2 Prozentpunkte erwartet werden [20].
Die Langzeitanwendung von Metformin wurde in der UKPD-Studie (UKPDS, United Kingdom prospective diabetes study) evaluiert [21]: Hier konnte bei übergewichtigen Patienten während einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von knapp elf Jahren eine relative Senkung der diabetesbezogenen Sterblichkeit um 42 % im Vergleich zu nur diätetisch behandelten Patienten erreicht werden; die entsprechende Number needed to treat (NNT, siehe Kasten) lag bei etwa 20. Weiter nahm die Inzidenz diabetesbezogener makro- und mikrovaskulärer Komplikationen relativ um 32 % ab (entsprechend einer NNT über den gesamten Beobachtungszeitraum von etwa 10). Übereinstimmend hierzu wurde in verschiedenen Studien auch von positiven Auswirkungen der Metformin-Therapie auf Surrogatparameter des kardiovaskulären Risikos, wie C-reaktives Protein oder Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1, berichtet [22–24]. Die Wirkung von Metformin auf das Lipidprofil ist gering: Der LDL-Cholesterol-Wert nimmt etwas ab, der HDL-Cholesterol-Wert etwas zu [25, 26].
Zusammengenommen liegen für kein anderes orales Antidiabetikum ähnlich überzeugende Endpunktdaten vor, so dass Metformin weiterhin als erste medikamentöse Therapie für übergewichtige/adipöse Typ-2-Diabetiker gelten muss.
Studien, in denen der klinische Einsatz von Metformin speziell bei schlanken Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 überprüft wird, sind bisher noch nicht durchgeführt worden. Soweit aus einzelnen Subgruppenanalysen und klinisch-experimentellen Untersuchungen ableitbar (z. B. [27]), ist aber prinzipiell auch in dieser Gruppe mit einem vergleichbaren Effekt von Metformin auf das Blutzucker-Profil zu rechnen.
Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Nachdem der Einsatz der lipophilen Guanide Phenformin und Buformin mit einer erhöhten Inzidenz von Laktazidosen einherging, wurde auch für Metformin ein grundsätzlich ähnliches Nebenwirkungspotenzial postuliert. Therapiestudien haben allerdings bisher keinen Hinweis auf eine erhöhte Rate dieser potenziell tödlichen Komplikation unter Metformin gezeigt [28, 29]. In der letzten Zeit wird die Laktazidosegefahr unter Metformin deshalb eher relativiert [30]. Noch müssen aber vor und während des Einsatzes von Metformin folgende Kontraindikationen beachtet werden:
- Niereninsuffizienz ab einer Creatininclearance von unter 60 ml/min: Nach den Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft ist Metformin bei einem Serumcreatinin-Wert von über 1,2 mg/dl kontraindiziert; aufgrund der bekannten Limitationen dieses Parameters empfehlen wir aber die Verwendung der Creatininclearance, beispielsweise errechnet nach der so genannten MDRD-Formel (MDRD = Modification of diet in renal disease study [31]).
- Alle Situationen mit der Gefahr der zentralen oder peripheren Hypoxie oder des Substratmangels, z. B.:
- Herzinsuffizienz: Das Ausmaß der myokardialen Kontraktionseinschränkung ist hier allerdings nicht präzise definiert. Ausgehend von der Vorstellung einer erhöhten Laktazidosegefahr bei peripherer Hypoxie setzen wir Metformin ab einer Herzinsuffizienz NYHA-Grad III nicht (mehr) ein.
- Respiratorische Insuffizienz
- Schwere Infekte
- Perioperativ (ab Tag –2)
- Fortgeschrittene Malignome
- (geplante) Abmagerungskuren
- Störungen des Lactat-Stoffwechsels:
- Eingeschränkte Leberfunktion, da die Leber eine zentrale Stellung im Lactatmetabolismus einnimmt. Das Ausmaß der Leberfunktionseinschränkung, ab dem eine relevante Laktazidosegefahr beginnt, ist nicht bekannt. Aus Sicherheitsgründen setzen wir Metformin bei jeglicher Form der Leberzirrhose ab.
- Alkoholabusus, da Ethanol selbst den Lactatabbau hemmt.
- Geplante intravenöse Kontrastmittelgabe (Tag –2 bis +2)
- Schwangerschaft und Stillzeit
An sonstigen Nebenwirkungen stehen insbesondere bei zu schneller Aufdosierung gastrointestinale Beschwerden, wie Völlegefühl, Inappetenz, Übelkeit, Durchfall oder metallischer Geschmack, im Vordergrund, was sich limitierend auf die anfängliche Compliance der Patienten auswirken kann [32].
Praktische Anwendung
Die Metformin-Therapie wird nach Ausschluss der Kontraindikationen im Allgemeinen mit einer einmaligen Gabe von 500 mg abends begonnen. Um gastrointestinale Nebenwirkungen zu minimieren, wird in frühestens zweiwöchentlichen Abständen um jeweils 500 mg bis zur Enddosis von zweimal 1 000 mg erhöht. Eine Steigerung auf dreimal 850 mg ist möglich, bringt aber wahrscheinlich keinen zusätzlichen Therapievorteil [20]. Regelmäßige diabetologische Verlaufskontrollen – beispielsweise in dreimonatlichen Abständen – gewährleisten zum einen die Therapieeffizienz durch Kontrollen der Blutzucker-Werte und des HbA1c-Werts und zum anderen die Therapiesicherheit durch den klinischen und laborchemischen Ausschluss von neu aufgetretenen Kontraindikationen. Bei ungenügendem Therapieerfolg wird nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (Abb. 1) ein zweites orales Antidiabetikum hinzugenommen. Die UKPD-Studie hat allerdings Hinweise auf eine Übersterblichkeit von Patienten bei der gleichzeitigen Therapie mit Metformin und Sulfonylharnstoffen ergeben, so dass diese Kombination zumindest bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen eher vermieden werden sollte [33].
Wirkungsprinzip 1 – Steigerung der Insulin-Sensitivität: Thiazolidindione (Glitazone)
Die Thiazolidindione oder auch Glitazone wurden im Rahmen der Entwicklung eines neuen Lipidsenkers aus der älteren Stoffgruppe der Fibrate synthetisiert. Der erste klinisch eingesetzte Vertreter der Gruppe, das Troglitazon, musste im Jahr 2000 wegen teils tödlicher hepatotoxischer Nebenwirkungen vom Markt genommen werden [34–37]. Als Nachfolger sind heute zwei Präparate zugelassen, Pioglitazon (Actos®) und Rosiglitazon (Avandia®).
Wirkungsmechanismus
Während Fibrate pharmakologisch über den so genannten PPAR-α (Peroxisome-proliferator-activated receptor alpha) wirken, aktivieren die Thiazolidindione die Unterform PPAR-γ. Dieses im Zellkern lokalisierte pleiotrope Protein wird hauptsächlich im Fettgewebe, aber auch in anderen Geweben, wie der pankreatischen Beta-Zelle und geringer ausgeprägt in Leber und Muskel, exprimiert [38]. Es führt als wichtiger transkriptioneller Regulator verschiedener metabolischer Vorgänge im Fettgewebe zu einer erhöhten Fettsäureaufnahme und Fettsynthese sowie einer gesteigerten Glucose-Aufnahme. Die Adiponectin-Synthese nimmt zu, die 11-b-Hydroxylase-Expression und damit die lokale Cortisol-Produktion sinken. Insgesamt kommt es zu einer vermehrten Adipogenese im Bereich des subkutanen Fettgewebes, die wahrscheinlich die Fettspeicherung in anderen stoffwechselaktiven Organen reduziert und so die Insulin-Empfindlichkeit verbessert. Dies zeigt sich in der Leber an einer verminderten Gluconeogenese und im Muskel an einer vermehrten Glucose-Aufnahme. Zusätzlich scheint eine PPAR-γ-Aktivierung am Gefäßendothel, beispielsweise durch die Reduktion der Expression der induzierbaren NO-Synthase, von Adhäsionsmolekülen oder von proinflammatorischen Enzymen, eine antiatherogene Wirkung zu haben [39].
Klinische Effekte, Wirksamkeit
Aus den beschriebenen molekularen Wirkungen resultieren verschiedene Effekte auf den gestörten Stoffwechsel bei Diabetes mellitus Typ 2. Pioglitazon und Rosiglitazon reduzieren nach mehrmonatiger Einnahme in der Maximaldosis (Pioglitazon 30–45 mg, Rosiglitazon 8 mg) den HbA1c-Wert um 1 bis 1,5 Prozentpunkte. Dies trifft sowohl für die Monotherapie [40–42] als (additiv) für Kombinationstherapien mit Metformin [43], Sulfonylharnstoffen [44] oder Insulin [45] zu, wobei letztere Kombination zumindest in Deutschland nicht zugelassen ist [46, 47]. Die Hypoglykämie-Gefahr ist bei einer Thiazolidindion-Monotherapie außerordentlich gering [48].
Aufgrund der erst seit wenigen Jahren bestehenden Zulassung der Thiazolidindione liegen größere Langzeitbeobachtungen zur blutzuckersenkenden Wirkung noch nicht vor; die günstigen Effekte auf die glykämische Kontrolle scheinen aber über mindestens einige Jahre zu persistieren [49]. In der erst kürzlich veröffentlichten ADOPT-Studie (A diabetes outcome progression trial) wurde gezeigt, dass bei Patienten (n = 4360) mit nichtvorbehandeltem Diabetes mellitus Typ 2 Therapieversagen bei der Monotherapie mit Rosiglitazon signifikant seltener auftrat als bei der Monotherapie mit Metformin oder Gliburid [50]. Das Therapieversagen war definiert als ein bestätigter Nüchternblutzucker-Spiegel von > 180 mg/dl nach mindestens sechs Wochen Therapie mit der maximal tolerierten Tagesdosis des jeweiligen oralen Antidiabetikums: Es trat nach fünf Jahren bei 15 % der Patienten in der Rosiglitazon-Gruppe sowie bei 21 % und 32 % der Patienten, die mit Metformin oder Gliburid behandelt wurden, auf (p < 0,001, jeweils für den Vergleich mit Rosiglitazon). Weiterhin wurde die Insulin-Sensitivität im Vergleich zur Therapie mit den beiden anderen oralen Antidiabetika deutlich gesteigert und der Verlust der Beta-Zellfunktion verlangsamt.
Für Pioglitazon ist eine allenfalls minimale Abnahme des LDL-Cholesterol-Serumwerts und eine mäßige Reduktion des Triglycerid-Serumwerts um 15 bis 25 % sowie eine Zunahme des HDL-Cholesterol-Serumspiegels um 10 bis 15 % beschrieben worden; Rosiglitazon führte in mehreren Studien zu einem geringen Anstieg des LDL-Cholesterol-Werts von 10 bis 15 % [51]. Die klinische Relevanz dieser Veränderungen ist im Kontext mit dem oben erwähnten postulierten antiatherogenen Effekt der PPAR-γ-Aktivierung Gegenstand aktueller Untersuchungen.
In der PROactive-Studie (Prospective pioglitazone clinical trial in macrovascular events) wurde bei über 5 200 Probanden mit Diabetes mellitus Typ 2 überprüft, ob eine Hinzunahme von Pioglitazon (30–45 mg/Tag) zur bestehenden antidiabetischen Therapie einen Einfluss auf die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse hatte [52]. Im kombinierten primären Endpunkt (Gesamtsterblichkeit, nichttödlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall, akutes Koronarsyndrom, vaskuläre Intervention/Operation, Amputation) konnte kein signifikanter Effekt von Pioglitazon gesehen werden; ein sekundärer Endpunkt (Gesamtsterblichkeit, nichttödlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall) trat signifikant seltener auf (relative Risikoreduktion: 16 %). Die NNT wurde diesbezüglich mit 48 (über einen Zeitraum von drei Jahren) angegeben. In der Pioglitazon-Gruppe kam es allerdings auch häufiger zur Ödembildung und zu einer nichttödlichen Herzinsuffizienz, was den klinischen Gewinn durch die Hinzunahme der Substanz zumindest deutlich einschränkt.
Kardiovaskuläre Effekte von Rosiglitazon in der Kombinationstherapie mit anderen Antidiabetika werden derzeit in der bis 2009 angelegten RECORD-Studie (Rosiglitazone evaluated for cardiac outcomes and regulation of glycaemia in diabetes) überprüft [53].
Unseres Erachtens kann anhand der aktuellen Studienlage der postulierte kardiovaskuläre Nutzen einer Thiazolidindion-Therapie (noch) nicht valide eingeschätzt werden. In Anbetracht einer im Vergleich zu Metformin vergleichbaren blutzuckersenkenden Wirkung bei allerdings deutlich höheren Kosten dieser Präparate gibt es deshalb – entgegen anderweitigen Stellungnahmen [54] – auch keinen Grund zur Änderung der aktuellen Therapiealgorithmen, die den Einsatz der Thiazolidindione erst in der zweiten Stufe der oralen antidiabetischen Therapie vorschlagen [4].
Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Nachdem Troglitazon wegen einer idiosynkratischen Hepatotoxizität mit mehreren Fällen von letalem Leberversagen vom Markt genommen wurde, wird das Auftreten von Leberschäden bei einer Therapie mit Pioglitazon oder Rosiglitazon sehr aufmerksam beobachtet [34–37]. Ein hepatotoxischer Klasseneffekt scheint nicht vorzuliegen, da während der Anwendung von Pioglitazon oder Rosiglitazon eine Transaminasen-Erhöhung über das Dreifache der oberen Norm nur selten (in 0,26 bzw. 0,17 % der Fälle) und über das Zehnfache der Norm nur in Einzelfällen beobachtet worden ist [55, 56]. In den wenigen publizierten Fällen einer schweren Leberschädigung war die Hepatotoxizität nach Absetzen des jeweiligen Präparats reversibel; Todesfälle ließen sich bisher nicht eindeutig auf die aktuell zugelassenen Thiazolidindione zurückführen [55, 57–59]. Als weitere Nebenwirkung einer Thiazolidindion-Therapie ist die bereits schon oben erwähnte Gewichtszunahme (im Mittel 2–4 kg) zu nennen, die sowohl durch eine vermehrte Flüssigkeitsretention als auch eine Vergrößerung des subkutanen Fettgewebes bedingt ist. Kardiale Dekompensationen können hierdurch mittelbar ausgelöst werden [60, 61]. Weitere – in der Regel reversible – häufige Nebenwirkungen umfassen unter anderem Blutbildveränderungen, Parästhesien und gastrointestinale Beschwerden. Kontraindikationen, die sich aus dem Nebenwirkungsprofil erschließen, sind dementsprechend:
- Vorbestehende Leberschädigung: Dies schließt jede signifikante, klinisch oder laborchemisch manifeste Leberfunktionsstörung ein. So stellt eine Erhöhung der Alaninaminotransferase (ALT bzw. GPT) über das 2,5fache der oberen Normgrenze eine absolute Kontraindikation dar. Ob diese Kontraindikation in der Zukunft bei adipösen Patienten mit einer nichtalkoholischen Steatosis hepatis, die wahrscheinlich von einer Thiazolidindion-Therapie profitieren, eingeschränkt wird, ist momentan noch offen [62].
- Jegliche Herzinsuffizienz, dies schließt – im Gegensatz zu Metformin – die gesamten NYHA-Grade I bis IV ein.
- Jegliche Insulin-Therapie: In einigen angelsächsischen Ländern werden Thiazolidindione und Insulin seit längerem ohne klinisch relevant erhöhte Nebenwirkungsrate kombiniert; hierzulande gilt die Kombination wegen einer befürchteten Zunahme der Herzinsuffizienzrate jedoch als kontraindiziert [46, 47].
Praktische Anwendung
Nach Ausschluss der oben genannten Kontraindikationen wird die Thiazolidindion-Therapie mit 15 bis 30 mg/Tag Pioglitazon oder 4 mg/Tag Rosiglitazon begonnen und frühestens nach acht Wochen gegebenenfalls bis auf 45 mg Pioglitazon als Einmalgabe oder zweimal 4 mg Rosiglitazon pro Tag gesteigert. Während der Therapie soll laut Fachinformation „nach klinischer Einschätzung“ eine Kontrolle der Serum-Transaminasen erfolgen, bei Anstieg auf mehr als das Dreifache der oberen Grenze wird eine Kontrolle sobald als möglich und bei persistierender Erhöhung ein sofortiges Absetzen des Thiazolidindion-Präparats empfohlen. Da die in der Literatur beschriebenen Fälle einer schwereren Hepatotoxizität zwei Wochen bis sieben Monate nach Beginn der Thiazolidindion-Einnahme auftraten, scheint uns eine häufigere Kontrollfrequenz (z. B. klinische Kontrolle inklusive Leberwerte und Blutbild nach 1, 2, 4, 8 und 12 Wochen, dann im weiteren Verlauf vierteljährlich) sinnvoll. Bei klinischen Zeichen einer Leberfunktionsstörung muss natürlich sofort eine Abklärung erfolgen.
Wirkungsprinzip 2: Steigerung der Insulin-Ausschüttung
Die Gruppe der Insulin-Sekretagoga teilt sich auf in die große Subgruppe der Sulfonylharnstoffe und in die kleinere Subgruppe der Glinide. Die fünf gängigsten Vertreter der Sulfonylharnstoffe sind
- Glibenclamid (z. B. Euglucon®),
- Glibornurid (z. B. Gliborid®),
- Gliclazid (Diamicron Uno®),
- Glimepirid (z. B. Amaryl®) sowie
- Gliquidon (Glurenorm®).
Tolbutamid als einer der ersten Sulfonylharnstoffe wird heute kaum noch eingesetzt. Bei den Gliniden stehen das Carbamoylbenzoesäurederivat Nateglinid (Starlix®, das in Deutschland auch weiterhin nur in Form einer Kombinationstherapie mit Metformin zugelassen ist) und das Phenylalaninderivat Repaglinid (NovoNorm®) zur Verfügung.
Wirkungsmechanismus
Sowohl die Sulfonylharnstoffe als auch die Glinide binden an (zum Teil verschiedene) Domänen des so genannten Sulfonylharnstoffrezeptors SUR1 der pankreatischen Beta-Zelle und bewirken dadurch einen Verschluss der ATP-abhängigen Kaliumkanäle mit konsekutiver Depolarisation der Beta-Zelle. Durch das nachfolgende Öffnen spannungsabhängiger Calciumkanäle mit zytosolischer Calciumsteigerung kommt es dann mittelbar zur Ausschüttung von Insulin [63, 64]. Im kinetischen Vergleich ist die Bindung der Glinide an den SUR1-Rezeptor rascher und kürzer als bei den Sulfonylharnstoffen, worauf unter anderem die geringere Hypoglykämie-Gefahr der Glinide im Vergleich zu den Sulfonylharnstoffen zurückgeführt wird [65, 66]. Auch variiert die Bindungsaffinität der einzelnen Substanzklassenvertreter an dem Sulfonylharnstoffrezeptor kardialer Myozyten erheblich [67], was für potenzielle Nebenwirkungen kardiovaskulärer Art von erheblicher Bedeutung sein könnte.
Klinische Effekte, Wirksamkeit
Die antihyperglykämische Wirksamkeit ist abhängig von der Beta-Zellreserve und führt im Anfangsstadium des Diabetes mellitus Typ 2 sowohl bei den Sulfonylharnstoffen als auch bei den Gliniden zu einer Senkung des HbA1c-Werts um 1 bis 2 Prozentpunkte [33, 65, 68]. Da sich in der UKPD-Studie zwar ein Nutzen hinsichtlich mikrovaskulärer Komplikationen für Diabetiker mit besserer Glucose-Kontrolle nachweisen ließ, die makrovaskulären Komplikationen bei der Therapie mit Sulfonylharnstoffen (im Gegensatz zu Metformin) jedoch nicht signifikant vermindert wurden, muss die Indikationsstellung der Insulin-Sekretagoga – insbesondere als First-Line-Therapie – differenziert betrachtet werden [33, 69].
Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Wichtig für das Hypoglykämie-Risiko als gefürchtetste Nebenwirkung ist die hohe Eiweißbindung der Sulfonylharnstoffe. Hier muss vor allem bei Begleitmedikation mit ebenfalls hoher Eiweißbindung mit einer signifikanten Verstärkung der Wirksamkeit der Sulfonylharnstoffe gerechnet werden. Das Hypoglykämie-Risiko besteht insbesondere bei straff eingestellten Diabetikern oder unregelmäßiger Nahrungszufuhr und wird durch Alkoholkonsum oder Niereninsuffizienz verstärkt.
Da bei einer Sulfonylharnstoff-Therapie mit einer Körpergewichtszunahme von 1 bis 4 kg innerhalb der ersten sechs Monate zu rechnen ist, sind die Sulfonylharnstoffe laut aktueller Praxis-Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft nur bei Normalgewicht (d. h. bei einem Body-Mass-Index < 25 kg/m2) Therapeutika der ersten Wahl [4]. Doch selbst diese eingeschränkte Empfehlung bleibt auf dem Boden aktueller retrospektiver Untersuchungen zur kardiovaskulären Sterblichkeit bei der Therapie mit Sulfonylharnstoffen weiter diskussionswürdig [70–72].
Über die Frage, inwieweit Insulin-Sekretagoga – möglicherweise in Abhängigkeit von ihrer Bindungsaffinitiät an ATP-abhängige Kaliumkanäle des Herzens und der Gefäße nachteilige Effekte auf die kardiovaskuläre Sterblichkeit und Morbidität entfalten, besteht auch auf dem Boden der aktuellen Literatur noch immer Unklarheit ([73] vs. [70, 72]). Hier könnten allerdings neben den Nachteilen hinsichtlich der kardialen Ischämietoleranz auch direkte arrhythmogene Effekte bei Hypoglykämie oder die Toxizität erhöhter Insulin-Spiegel eine Rolle spielen. Zu einer validen Beurteilung der klinischen Relevanz dieser pharmakodynamischen Parameter sind prospektive Endpunktstudien zu fordern, da sich auf dem Boden der bisher vorliegenden retrospektiven Beobachtungen keine sichere Empfehlung geben lässt.
Praktische Anwendung
In jedem Fall sollte eine Sulfonylharnstoff-Therapie mit einer möglichst niedrigen Dosis begonnen werden und je nach Blutzucker-Werten nur alle zwei bis vier Wochen weiter gesteigert werden. Da die Sulfonylharnstoffe mehr als 75 % ihrer blutzuckersenkenden Wirkung bereits bei etwa 50 % der Maximaldosis erreichen, sollte unseres Erachtens die Dosis eines Sulfonylharnstoffs nicht bis zur vom Hersteller empfohlenen Maximaldosis eskaliert werden, sondern bei nicht ausreichender submaximaler Dosierung eine Kombinationstherapie erwogen werden (cave: Metformin, s. o.).
Auch bei den Gliniden sollte mit einer niedrigen Dosis zu jeder Hauptmahlzeit begonnen (0,5 mg Repaglinid oder 60 mg Nateglinid) und nur langsam eine Dosissteigerung vorgenommen werden. Dabei bieten die Glinide gegenüber den Sulfonylharnstoffen theoretisch zwar einige Vorteile, die in der klinischen Praxis jedoch – ähnlich wie bei der Debatte um die kurz wirksamen Insulinanaloga und herkömmliches Altinsulin – häufig geringer ausgeprägt erscheinen und nur unzureichend durch Langzeitdaten tatsächlich untermauert sind.
Wirkungsprinzip 3: Hemmung der Glucose-Resorption im Darm
Die in Deutschland zugelassenen Vertreter dieser Substanzklasse sind Acarbose (Glucobay®, mit deutlich umfangreicherer Studienevidenz) und Miglitol (Diastabol®).
Wirkungsmechanismus
Angriffspunkt der Alpha-Glucosidasehemmer ist die Verzögerung der Resorption komplexer Kohlenhydrate (keine Resorptionsverzögerung von Monosacchariden!) durch die kompetitive Bindung an die Alpha-Glucosidase im Dünndarm.
Klinische Effekte, Wirksamkeit
Durch die Ergebnisse der STOP-NIDDM (Study to prevent NIDDM) haben die Alpha-Glucosidasehemmer aufgrund der hier gezeigten Progressionsverzögerung von einer pathologischen Glucose-Toleranz zu einem manifesten Diabetes mellitus eine Neubewertung erfahren [74, 75]. In dieser Diabetes-Präventionsstudie konnte auch gezeigt werden, dass Acarbose das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und arterielle Hypertonie signifikant vermindert, wobei anzumerken ist, dass die Änderung des Lebensstils (Diät, körperliche Aktivität) sich noch effektiver als jegliche medikamentöse Behandlung erwies. Die STOP-NIDDM hatte allerdings nicht die Behandlung, sondern die Prophylaxe des Diabetes mellitus Typ 2 zum Gegenstand.
Zum therapeutischen Einsatz von Alpha-Glucosidasehemmern bei bereits eingetretenem Diabetes mellitus Typ 2 existiert eine aktuelle Metaanalyse, die auf 41 Einzelstudien beruht [76]. Demnach wird durch Alpha-Glucosidasehemmer der postprandiale Glucose-Anstieg um etwa 50 mg/dl gesenkt, aber auch der Nüchternblutzucker-Spiegel sinkt um etwa 20 mg/dl. Damit wird verglichen zu Plazebo durch Acarbose eine nicht dosisabhängige Senkung des HbA1c-Werts um 0,8 Prozentpunkte und durch Miglitol eine eher dosisabhängige Senkung des HbA1c-Werts um 0,7 Prozentpunkte erreicht, wodurch die Alpha-Glucosidasehemmer in ihrer antihyperglykämischen Wirkung den übrigen oralen Antidiabetika unterlegen erscheinen. Für das Lipidprofil zeigen sich in der metaanalytischen Auswertung keine klinisch relevanten Veränderungen – insbesondere ließ sich der in manchen Einzelstudien postulierte positive Effekt auf den Triglycerid-Spiegel nicht bestätigen. Das Körpergewicht der Diabetiker bleibt bei einer Therapie mit Alpha-Glucosidasehemmern unverändert. Weiter ist auch eine Beeinflussung der Sterblichkeit oder diabetesspezifischer Sekundärkomplikationen bei einer Alpha-Glucosidasehemmer-Therapie metaanalytisch nicht nachweisbar, wobei die Laufzeit der in die Metaanalyse eingeschlossenen Studien selten über einem Jahr lag [76].
Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Die Nebenwirkungen gastrointestinaler Art in Form von Übelkeit, Blähungen, Abdominalschmerzen und Diarrhö sind häufig und limitieren den Einsatz. Sie treten vor allem auf, wenn die Patienten zu wenige komplexe Kohlenhydrate mit der Nahrung zuführen.
Praktische Anwendung
Da die Nebenwirkungen eine starke Dosisabhängigkeit zeigen, ist es ratsam, die Alpha-Glucosidasehemmer einschleichend zu dosieren (z. B. Beginn mit 25 mg Acarbose abends, Steigerung um 25–50 mg/Woche bis zu einer Maximaldosis von 3-mal 100 mg/Tag).
Neue Ansätze in der oralen antidiabetischen Therapie
In den letzten Jahren wurden ausgehend von neuen Erkenntnissen zur Physiologie der Beta-Zellsekretion und der Insulin-Resistenz einige interessante Therapieansätze für den Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt (Tab. 2). In Anbetracht der kurzen Erprobungsphase stehen für die genannten Substanzen Endpunktdaten zu diabetesassoziierten Komplikationen, kardiovaskulären Erkrankungen oder Sterblichkeit, die zu einer umfassenden Beurteilung notwendig wären, zum größeren Teil noch aus. Auf Neuentwicklungen in der medikamentösen Adipositas-Therapie, die wie beispielsweise Rimonabant (Acomplia®) positiv auf den Glucose-Stoffwechsel wirken können, kann hier nicht eingegangen werden.
Inkretin-Mimetika
Eine orale Glucose-Zufuhr stimuliert in der intestinalen Mukosa die Ausschüttung von so genannten Inkretinen. Diese Peptidhormone bewirken unabhängig vom Glucose-Serumspiegel eine beta-zelluläre Insulin-Ausschüttung, die in vivo wahrscheinlich für 50 bis 70 % des postprandialen Insulin-Anstiegs verantwortlich ist [77]. Dieser Mechanismus wird für verschiedene pharmakologische Ansätze genutzt.
Exenatid (Byetta®)
Ein synthetisches Analogon von Exendin-4, einem Protein aus dem Speichel des nordamerikanischen Gila-Monsters (Abb. 2), das dem humanen Inkretin GLP-1 (Glucagon-like-peptide 1) strukturell ähnelt und am humanen GLP-1-Rezeptor wirkt, wurde im Frühjahr 2005 in den USA zur Kombinationstherapie mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen; die europaweite Zulassung erfolgte im November 2006. Seit 1. April 2007 ist es in Deutschland verfügbar.
Exenatid reduziert nach den bisher vorliegenden Daten in der Dosis von zweimal 10 µg/Tag s. c. den HbA1c-Wert im Mittel um knapp 1 Prozentpunkt; zusätzlich kommt es bei den meisten Patienten zu einer Gewichtsreduktion von einigen Kilogramm [78]. An Nebenwirkungen wurden bislang hauptsächlich gastrointestinale Beschwerden, wie Übelkeit, genannt, die Hypoglykämie-Gefahr ist gering. Langzeitdaten liegen noch nicht vor.
Liraglutid
Synthetische GLP-1-Analoga werden derzeit entwickelt. Die meisten Daten hierfür liegen bislang für Liraglutid vor. Liraglutid, das ebenfalls subkutan appliziert werden muss, scheint ein ähnliches Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil wie Exenatid zu besitzen [54] und wird weiter in Phase-III-Studien erprobt.
Gliptine
Inhibitoren des Enzyms Dipeptidylpeptidase IV, das GLP-1 im Blut in der Regel innerhalb von einigen Minuten abbaut, sind in klinischer Erprobung. So konnte beispielsweise das oral applizierbare Vildagliptin (Abb. 3) in Kombination mit Metformin in einer 52-Wochen-Studie den HbA1c-Wert um 0,5 Prozentpunkte senken und die beta-zelluläre Insulin-Antwort verbessern; im Wesentlichen kam es nur zu leichten gastrointestinalen Nebenwirkungen [79]. Sitagliptin (Abb. 3) und Saxagliptin verfolgen das gleiche Wirkungsprinzip und scheinen im kurzfristigen Einsatz Verbesserungen der Glucose-Toleranz zu bewirken [80]; Beobachtungsstudien über einen längeren Zeitraum sind hier noch nicht publiziert.
Amylin-Analoga
Amylin wird wie Insulin von der Beta-Zelle sezerniert und senkt den postprandialen Blutzucker-Anstieg durch eine Hemmung der Glukagon-Sekretion und der Magenentleerung. Zusätzlich wirkt es appetithemmend [81]. Das Amylin-Analog Pramlintid ist Anfang 2005 in den USA für Patienten, die unter intensivierter Insulin-Therapie schlecht eingestellt waren, zugelassen worden. Das Präparat muss zu jeder Mahlzeit subkutan verabreicht werden. Klinische Daten belegen eine Reduktion der postprandialen Hyperglykämie um bis zu 80 % durch den Einsatz von Pramlintid in Kombination mit Insulinlispro [82]. Daten zur längeren Anwendung zeigen nach 52 Wochen eine Reduktion des HbA1c-Werts um 0,6 Prozentpunkte, das Gewicht nahm im Mittel um 1,6 kg ab. Die wesentliche Nebenwirkung ist Übelkeit, die in einzelnen Studien bei fast einem Viertel der Probanden auftrat [83]; aus dem Wirkungsmechanismus ergibt sich zudem die Gefahr einer verstärkten Hypoglykämie-Neigung. Zur Zulassung in Europa liegen seitens des Herstellers keine Angaben vor.
PPAR-α/γ-Agonisten
Der Einsatz von PPAR-α/γ-Agonisten ist theoretisch aufgrund ihres doppelten Wirkungsmechanismus gut begründbar und im Tierexperiment erfolgreich. Allerdings scheinen die bisher verfügbaren Substanzen beim Menschen nicht sicher anwendbar zu sein: Die Entwicklung von Muraglitazar (Abb. 4) wurde eingestellt, da während der klinischen Erprobung des Präparats eine größere Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen und Herzinsuffizienz aufgefallen war [84]. Tesaglitazar wird nicht weiterentwickelt, da Hinweise auf Nephrotoxizität bestanden. Es bleibt momentan also abzuwarten, ob Neuentwicklungen mit diesem Wirkungsansatz tatsächlich den Einzug in die praktische klinische Anwendung finden werden.
Insulin-Therapie
Stellenwert der Insulin-Therapie und Zeitpunkt des Beginns
Insulin-Pflichtigkeit beim Diabetes mellitus Typ 2 ist nicht die Ausnahme, sondern früher oder später die Regel, sofern man die glykämischen Therapieziele einhalten will. Bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose besteht nämlich nicht nur eine erhöhte Insulin-Resistenz, vielmehr ist auch die beta-zelluläre Insulin-Kapazität im Vergleich zu einem gesunden Normalkollektiv bereits um die Hälfte gesunken [85]. Das Beta-Zellversagen schreitet im weiteren Verlauf fort, so dass nach etwa sechs Jahren der Erkrankung etwa die Hälfte aller Patienten Insulin zur glykämischen Kontrolle benötigen [86]. Orale Antidiabetika sind deshalb über kurz oder lang in ihrer blutzuckersenkenden Effektivität limitiert: Einerseits betrifft nämlich eine medikamentöse Steigerung der Insulin-Sensitivität mit Metformin oder Thiazolidindionen nur den Aspekt der Insulin-Resistenz und lässt das fortschreitende Beta-Zellversagen als gleichberechtigten pathogenetischen Faktor [81] außer Acht. Andererseits sind Substanzen, die die Insulin-Reserven der pankreatischen Beta-Zelle mobilisieren, wie die Sulfonylharnstoffe oder die Glinide, nur solange effektiv, wie eine natürliche Insulin-Reserve besteht. Im Zusammenhang damit steht auch der heute überholte Begriff des Sekundärversagens, der als ein Therapieversagen von Insulin-Sekretagoga trotz optimaler, das heißt die periphere Insulin-Resistenz minimierender, Lebensstilumstände (wie z. B. Normalgewicht, Einhaltung der diätetischen Vorgaben, regelmäßige körperliche Aktivität) definiert ist [87, 88].
Die nationalen Versorgungsleitlinien unter der Schirmherrschaft der Bundesärztekammer (NVL T2DM 2002, [10]) und die aktuelle Praxisleitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft aus dem Jahr 2006 [4] empfehlen den Beginn einer Insulin-Therapie beim Diabetes mellitus Typ 2, wenn trotz des Einsatzes zweier oraler Antidiabetika der HbA1c-Wert dauerhaft (das heißt über länger als drei Monate hinweg) über 7 % beträgt (Abb. 1). In ähnlicher Weise wird in den Leitlinien der International Diabetes Federation (IDF) aus dem Jahr 2005 ein Beginn der Insulin-Therapie empfohlen, wenn der HbA1c-Wert trotz Optimierung der oralen antidiabetischen Therapie und individueller Ausschöpfung der Lebensstilmodifikation 7,5 % übersteigt [12].
In der Praxis ruft die ärztliche Empfehlung zum Beginn einer Insulin-Therapie häufig eine Abwehrhaltung des Patienten hervor, die bei bis zur Hälfte aller Patienten, so stark ausgeprägt ist, dass der weitere Behandlungserfolg gefährdet ist [89]. Hauptursache ist die mit der Therapieumstellung verbundene Veränderung im individuellen Krankheitserleben („Nadelabhängigkeit“ mit Angst vor der Invasivität der Behandlung, sozialer Stigmatisierung und Überforderung), was durch überkommene Vorstellungen zu Schmerzhaftigkeit, Nebenwirkungen und Erfolgsaussichten der Insulin-Therapie zusätzlich verstärkt wird [90]. Um eine solche psychologische Insulin-Resistenz [91] zu durchbrechen, bedarf es – mehr noch als unter einer oralen Diabetes-Therapie – der kontinuierlichen Aufklärungsarbeit und Betreuung des Patienten im Sinne einer Patientenschulung mit dem zentralen Ziel der Selbstbetreuung [92, 93].
Therapieoptionen der Insulin-Therapie
Die Insulin-Therapie beim Diabetes mellitus Typ 2 unterscheidet sich von der des Diabetes mellitus Typ 1 unter anderem dadurch, dass sie nicht zwangsläufig in Form einer konventionellen (CT) oder intensiviert konventionellen (ICT) Monotherapie erfolgen muss, sondern dass zwischen reiner oraler Therapie mit Antidiabetika und reiner Insulin-Therapie eine Kombinationstherapie mit Insulin und oralen Antidiabetika zwischengeschaltet oder dauerhaft erhalten werden kann [94–96].
Basalunterstützte orale Antidiabetes-Therapie
Die am häufigsten angewandte Variante einer Kombinationstherapie mit Insulin ist die Beibehaltung der Therapie mit oralen Antidiabetika unter zusätzlicher Gabe eines Verzögerungsinsulins. Diese im deutschen Sprachraum auch als basalunterstützte orale Antidiabetes-Therapie (BOT) bezeichnete Behandlungsstrategie wurde bereits vor 15 Jahren kritischen Metaanalysen unterzogen [97, 98] und geriet danach zunächst in Vergessenheit. Wirkliche Beachtung wurde der Kombination von oralen Antidiabetika mit einem Verzögerungsinsulin dann erst in den letzten fünf Jahren mit der Einführung des lang wirksamen Analoginsulins Insulinglargin (Lantus®) zuteil [96, 99, 100]. In den hierzu veröffentlichten Studien und Analysen ging es aber zunächst weniger um Therapieeffektivität, sondern vorrangig um Sicherheitsaspekte des einmal nächtlich applizierten Insulinglargins, das dann auch in der Hypoglykämie-Häufigkeit der einmaligen Gabe eines herkömmlichen Neutral-Protamin-Hagedorn-Verzögerungsinsulins (NPH-Insulins) überlegen erschien [99, 100].
Klinische Effekte, Wirksamkeit
Zur Therapieeffektivität einer BOT zeigen Halbjahresstudien sowohl für das herkömmliche NPH-Insulin als auch für Insulinglargin die prinzipielle Erreichbarkeit der oben erwähnten Therapieziele. So konnten in der so genannten Treat-to-Target-Studie [99] Nüchternblutzucker-Spiegel um 120 mg/dl und durchschnittliche HbA1c-Werte um 7 % erreicht werden. Auch in einer Studie aus dem Jahr 2005, die eine BOT mit Insulinglargin einer konventionellen Insulin-Therapie gegenüberstellte, erzielten die mit einer BOT behandelten Probanden Nüchternblutzucker-Werte von durchschnittlich 115 mg/dl; der HbA1c-Wert lag bei der Hälfte der Patienten unter 7 % (HbA1c-Mittelwert des gesamten BOT-Kollektivs 7,15 % ± 0,90 %) [101]. Generell ist statt einer Gabe von Insulinglargin oder NPH-Insulin auch die Gabe des lang wirksamen Analoginsulins Insulindetemir (Levemir®) denkbar, allerdings ist die Literatur hierzu spärlich [102].
Praktische Anwendung
Nach Überprüfung der Zulassungskompatibilität von oralen Antidiabetika und Insulin kann entsprechend der Literatur eine BOT mit zehn Einheiten NPH-Insulin oder Insulinglargin zur Nacht begonnen werden [99, 101]. Die weitere Adjustierung der Insulin-Dosis sollte dann wöchentlich anhand des kapillär gemessenen Nüchternblutzucker-Spiegels und einem Zielwert von 100 mg/dl nach folgendem Schema erfolgen:
- Bei Nüchternblutzucker > 100 mg/dl und < 120 mg/dl ⇒ +2 Einheiten Insulin
- Bei Nüchternblutzucker ≥ 120 mg/dl und < 140 mg/dl ⇒ +4 Einheiten Insulin
- Bei Nüchternblutzucker ≥ 140 mg/dl und < 180 mg/dl ⇒ +6 Einheiten Insulin
- Bei Nüchternblutzucker ≥ 180 mg/dl ⇒ +8 Einheiten Insulin (dabei auch an nächtliche Hypoglykämien denken bzw. diese ausschließen!)
Bei einem solchen Therapieregime muss entsprechend der Literatur pro Patient und Jahr mit drei bis fünf Unterzuckerungen unter 60 mg/dl gerechnet werden, wobei allerdings schwere, das heißt fremdhilfebedürftige Hypoglykämien, die absolute Ausnahme darstellen [99, 101].
Therapie mit Mischinsulinen/konventionelle Insulin-Therapie
Gelingt es mit der basalunterstützten oralen Antidiabetes-Therapie nicht, Normwerte für Nüchternblutzucker, HbA1c und postprandialen Blutzucker zu erreichen, kann anstelle des Verzögerungsinsulins auch ein Versuch mit einer abendlich-präprandialen Gabe eines Mischinsulins, das heißt eines kurz wirksamen Insulins und NPH-Insulins in einem fixen Mischungsverhältnis von beispielsweise 30 % zu 70 % [103], unternommen werden, wobei die orale antidiabetische Begleitmedikation fortgesetzt wird [104]. Als Startdosis wird in der so genannten 1-2-3-Studie, deren Mischinsulin auf dem Analoginsulin Insulinaspart (NovoRapid®, NovoMix® = In-sulinaspart, biphasisch) basierte, die quantitative Beibehaltung der vormaligen Dosis empfohlen, das heißt statt des Verzögerungsinsulins jetzt die gleiche Menge an Mischinsulin. Nur bei einer vorherigen Dosis des Verzögerungsinsulins von ≥ 30 Einheiten sollte eine zusätzliche initiale Steigerung der Mischinsulin-Menge um 30 % erfolgen [104]. Die weitere Anpassung der Insulin-Dosis erfolgt dann alle drei bis vier Tage anhand der kapillär gemessenen Nüchternblutzucker-Spiegel mit einem Zielbereich zwischen 80 bis 110 mg/dl:
- Bei Nüchternblutzucker ≤ 80 mg/dl ⇒ –3 Einheiten Insulin
- Bei Nüchternblutzucker > 80 mg/dl und ≤ 110 mg/dl ⇒ Keine Veränderung
- Bei Nüchternblutzucker > 110 mg/dl und ≤ 140 mg/dl ⇒ +3 Einheiten Insulin
- Bei Nüchternblutzucker > 140 mg/dl und ≤ 180 mg/dl ⇒ +6 Einheiten Insulin
- Bei Nüchternblutzucker > 180 mg/dl ⇒ +9 Einheiten Insulin
Mit einem solchen Regime kann bei 20 % aller Patienten eine Senkung des HbA1c-Werts auf unter 6,5 % erzielt werden, wobei mit etwa 15 leichten Hypoglykämie-Episoden pro Patientenjahr – kaum jedoch mit schwereren Hypoglykämien – gerechnet werden muss [104].
Spätestens wenn auch dieses Therapieregime versagt (z. B. Nichterreichen eines HbA1c-Werts von unter 7 % nach 16 Wochen [104]), sollte die orale antidiabetische Begleitmedikation (bis auf eventuell Metformin [105]) abgesetzt und zusätzlich zur abendlichen Mischinsulin-Gabe auch ein Mischinsulin zum Frühstück (Startdosis 3 Einheiten, falls der Nüchternblutzucker-Wert ≤ 110 mg/dl, bzw. 6 Einheiten, falls der Nüchternblutzucker-Wert > 110 mg/dl) appliziert werden. Die weitere Adjustierung der morgendlichen Mischinsulin-Gabe erfolgt anhand des vor dem Abendessen gemessenen Blutzucker-Werts in Analogie zum oben angegebenen Algorithmus. Diese zwei- oder gar dreifache (hier zusätzlich 3 Einheiten Mischinsulin vor dem Mittagessen und weitere Anpassung bei spätabendlichen Blutzucker-Werten > 140 mg/dl [104]) Gabe von Mischinsulin scheint einer Therapie bestehend aus oralem Antidiabetikum und Verzögerungsinsulin oder oralem Antidiabetikum und einmal täglichem Mischinsulin überlegen zu sein [106, 107], wobei in 40 bis 60 % mit einer adäquaten glykämischen Kontrolle entsprechend eines HbA1c-Werts von unter 6,5 % gerechnet werden kann [104, 108].
In der oben erwähnten 1-2-3-Studie wurde ein auf dem Analogon Insulinaspart basierendes Mischinsulin verwendet [104]. Verschiedene Untersuchungen haben sich mit der Frage beschäftigt, ob die teureren Mischinsuline auf Analoginsulinbasis [103] tatsächlich Vorteile gegenüber den herkömmlichen billigeren Mischinsulinen zeigen. In der glykämischen Kontrolle und Hypoglykämie-Häufigkeit erscheinen dabei die Unterschiede jedoch eher marginal [109–112].
Supplementäre Therapie mit kurz wirksamen Insulinen oder inhalierbarem Insulin
Eine mögliche Alternative stellt auch die so genannte supplementäre Insulin-Therapie, kurz SIT, dar. Hierbei handelt es sich um die präprandiale, mahlzeiten- und blutzuckeradaptierte Gabe eines kurzwirksamen Insulins mit [113] oder ohne [114, 115] zusätzliche orale Antidiabetika. In diesem Zusammenhang ist auch die seit kurzem bestehende Möglichkeit zu erwähnen, das kurz wirksame Insulin in Form des hierzu bislang als einziger Substanz zugelassenen Exubera® zu inhalieren. Ein therapeutischer Zusatznutzen des deutlich teureren Exubera® im Vergleich zu kurzwirksamem Humaninsulin oder kurz wirksamen Analoginsulinen wird dabei allerdings vom Institut für Qualität und Wissenschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) entsprechend einer Stellungnahme aus dem Jahr 2006 nicht gesehen [116].
Generell ist die Datenlage zur SIT dünn. Die Ergebnisse einer der wenigen Studien, die sich in jüngerer Zeit mit dieser Form der Insulin-Therapie auseinandergesetzt haben, weisen auf eine unzureichende glykämische Kontrolle hin bei einem durchschnittlich erreichten HbA1c-Wert von 7,4 % ± 1,7 % nach 24 ± 14-monatiger Behandlungsdauer. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass in dieser Studie bei fast der Hälfte der Patienten (42 %) noch die zusätzliche Gabe eines nächtlichen Verzögerungsinsulins notwendig war [114]. Auch in einer Halbjahresstudie, in der basierend auf dem Analoginsulin Insulinlispro (Humalog®) die Therapieform der SIT mit der dreimaligen Gabe eines entsprechenden Mischinsulins verglichen wurde, wird für die SIT in einem geringerem Prozentsatz eine Senkung des HbA1c-Werts unter 7 % beschrieben (40,4 % bei SIT vs. 59,3 % bei Mischinsulin) [115]. Die Kombination einer SIT mit Metformin scheint etwas effektiver: Hier wurden in der PHAZIT-Studie (PHAZIT = Pharmakoökonomische Anwendungsbeobachtung zur supplementären Insulin-Therapie) nach einer halbjährigen Behandlung zuvor schlecht eingestellter Typ-2-Diabetiker (Ausgangs-HbA1c 8,8 % ± 1,1 %) HbA1c-Werte von 7,2 % ± 1,0 % (Normalinsulin plus Metformin) bzw. von 7,1 % ± 1,1 % (Insulinaspart plus Metformin) erzielt [113].
In einer Halbjahresstudie mit Typ-2-Diabetikern, die mit Metformin nur unzureichend eingestellt waren, wurde unter Hinzunahme von Exubera® ein etwas stärkerer Abfall des HbA1c-Werts von durchschnittlich 2,03 % erzielt [117].
Intensivierte Insulin-Therapie
Kann durch die bislang genannten Insulin-Therapieformen keine ausreichende Stoffwechselkontrolle erreicht werden, und ist der Patient ausreichend compliant, sollte eine intensivierte konventionelle Insulin-Therapie nach dem Basis-Bolus-Prinzip (ICT) eingeleitet werden. Dabei muss generell festgehalten werden, dass eine ICT bei Typ-2-Diabetikern (vereinzelt im deutschen Sprachraum auch als komplementäre intensivierte Insulin-Therapie [KIT] bezeichnet) weniger standardisierbar ist als für den Typ-1-Diabetiker [117a]. Da die ICT respektive KIT der physiologischen Insulin-Sekretion am nächsten kommt [118], gilt sie als der Goldstandard der Insulin-Applikation. In der DCC-Trial/EDIC-Study (DCCT/EDIC = Diabetes control and complications trial/Epidemiology of diabetes interventions and complications) wurde – allerdings nur für Typ-1-Diabetiker – die beste Evidenz für die generelle Überlegenheit einer ICT gegenüber der konventionellen Gabe von Mischinsulinen sowohl in der glykämischen Kontrolle als auch der Vermeidung vaskulärer Langzeitschäden geliefert [119, 120]. Dieser Sachverhalt kann im Analogschluss auch für den Typ-2-Diabetiker übernommen werden [120a], wobei hierfür auch direkte Hinweise existieren, nämlich im Rahmen der Kumamoto-Studie (Studie beschränkte sich auf normalgewichtige Typ-2-Diabetiker [121, 122]) und – mit methodischen Einschränkungen – auch im Rahmen der UKPD-Studie [123]. Eine Studie auf nationaler Ebene fand im Gegensatz dazu keinen relevanten Vorteil der ICT gegenüber einer konventionellen Mischinsulin-Therapie [124].
Generell stellt die ICT sehr hohe Anforderungen an die Mitarbeit des Patienten, denn vor der regelmäßig zu erfolgenden nahrungsabhängigen Altinsulin-Applikation sind jeweils verlässliche Blutzucker-Eigenmessungen (SMBG = self monitoring of blood glucose) unverzichtbar. Minimum sind dabei die vier täglichen Messungen vor jeder Hauptmahlzeit sowie vor dem Schlafengehen. Ein gängiges Therapiekonzept für eine ICT bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ist der Beginn mit einer Gesamtinsulin-Dosis von 0,3 Einheiten pro kg Körpergewicht, wobei 50 bis 70 % der Gesamtdosis in Form eines Altinsulins oder kurz wirksamen Analoginsulins auf die drei Hauptmahlzeiten aufgeteilt und der Rest der Gesamtdosis in Form eines humanen Verzögerungsinsulins oder lang wirksamen Analoginsulins appliziert werden. Die weitere Anpassung erfolgt dann anhand der SMBG, wobei Abweichungen der präprandialen oder Nüchternblutzucker-Werte durch Adjustierung der am nächsten zeitlich voranliegenden Insulin-Applikation um 2 bis 4 Einheiten sukzessive korrigiert werden [125]. Bei allen Vorteilen, die eine ICT für einen selbstverantwortlichen Patienten mit sich bringt, sollte nicht verkannt werden, dass gerade bei einer ICT von Typ-2-Diabetikern zur optimalen glykämischen Kontrolle nicht selten Tagesgesamtinsulin-Dosen von mehr als 100 Einheiten, das heißt etwa 1 Einheit pro kg Körpergewicht, benötigt werden und auch drastische Gewichtszunahmen um bis zu 10 kg möglich sind [126]. Auch unter einer ICT kann in Einzelfällen eine zusätzliche orale Diabetes-Therapie beibehalten werden, solange sich – entsprechend einer empirischen Faustregel – dadurch mindestens 10 Einheiten Insulin einsparen lassen. Die Beibehaltung von Metformin kann sich überdies günstig auf die Gewichtsentwicklung während der Insulin-Therapie auswirken.
Stellenwert der Analoginsuline
Neben den bis dahin vorgestellten Arten der Insulin-Therapieoptionen mit
- basalunterstützter oraler Antidiabetes-Therapie (BOT),
- ein- bis dreimaliger Gabe eines Mischinsulins im Sinne einer konventionellen Insulin-Therapie (CT),
- alleiniger oder supplementärer mahlzeitenbezogener Gabe eines Normalinsulins oder inhalativen Insulins (SIT) sowie
- Insulin-Therapie nach dem Basis-Bolus-Prinzip im Sinne einer intensivierten konventionellen Insulin-Therapie (ICT)
stellt sich differenzialtherapeutisch die Frage, inwieweit man hierfür entweder die herkömmlichen Alt- bzw. Verzögerungsinsuline oder kurz wirksame bzw. lang wirksame Analoginsuline einsetzt. Zur pharmakologischen, aber auch ökonomischen Charakterisierung dieser Insulintypen sei dabei auf zwei erst kürzlich in dieser Zeitschrift erschienene Übersichtsartikel verwiesen [103, 118]. In diesem Zusammenhang besonders aktuell ist ein für Deutschland am 18. Juli 2006 gefasster Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der beinhaltet, dass die kurzwirksamen Insulinanaloga beim Typ-2-Diabetiker in Zukunft in der Regel nur dann zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) verordnet werden dürfen, wenn sie nicht teurer als die herkömmlichen Humaninsuline sind [127]. Hintergrund ist eine im letzten Jahr vom IQWiG entsprechend verfasste kritische Stellungnahme zum Nutzen von Insulinlispro und Insulinglulisin (Apidra®) im Vergleich zu herkömmlichem Humaninsulin [128]. Die Bewertung basiert auf Studienberichten der entsprechenden Herstellerfirmen sowie auf fünf vergleichenden Studien aus der Literatur [8, 129–132] und nimmt Bezug auf größere Metaanalysen aus den Jahren 2004 und 2005 [133, 134]. Auf dem Boden dieser Primärliteratur erscheint die Schlussfolgerung des IQWiG zur Nicht-Überlegenheit der kurz wirksamen Analoginsuline zwar konsequent, sie kann aber der interindividuellen, schwer standardisierbaren Heterogenität der Diabetes-Therapie und den methodisch bislang nur unzureichend erfassten Parametern wie Lebensqualität und Patientenzufriedenheit kaum gerecht werden. Für Arzt und Patient ist es generell wünschenswert, dass weiterhin das gesamte differenzialtherapeutische Armamentarium zur Diabetes-Therapie zur Verfügung steht – dies wäre entsprechend dem Beschluss des G-BA mit einer Preisanpassung der kurzwirksamen Analoginsuline von Seiten der Hersteller einfach möglich.
Fazit
Die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 hat heutzutage hochgesteckte Ziele, zu deren Verwirklichung neben einer Umstellung der Lebensweise des Patienten in den meisten Fällen eine orale antidiabetische Therapie und/oder eine Insulin-Therapie notwendig sind/ist. In der oralen antidiabetischen Therapie steht Metformin beim in der Regel übergewichtigen Typ-2-Diabetiker am Anfang; wichtig ist die Beachtung der angegebenen Kontraindikationen, die aber in den nächsten Jahren eventuell neu definiert werden müssen. Die orale Kombinationstherapie ist mit einer Vielzahl von Präparaten möglich; die Entscheidung für den Metformin-Kombinationspartner muss dabei individuell unter Beachtung des Blutzucker-Tagesprofils (z. B. hohe postprandiale Werte Kombination mit Glinid oder Acarbose, persistierend hoher Nüchternblutzucker-Wert Kombination mit einem Thiazolidindion) und der Komorbiditäten gefällt werden.
Für die Sulfonylharnstoffe und Glinide wären prospektive Langzeitstudien dringend erforderlich, welche über die antihyperglykämische Wirksamkeit der einzelnen Insulin-Sekretagoga hinaus eine genauere Bewertung kardiovaskulärer Nebenwirkungen erlaubten.
In den nächsten Jahren werden neue Medikamente mit theoretisch überzeugenden Wirkungsprinzipien zugelassen werden; inwieweit sich dies aber in einen fassbaren Gewinn für den Patienten übersetzt, bleibt abzuwarten.
Trotz des breiten differenzialtherapeutischen Spektrums an oralen Antidiabetika ist bei etwa der Hälfte aller Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 bereits nach einer kurzen Laufzeit die Gabe von Insulin zur adäquaten glykämischen Kontrolle unvermeidlich. Hier kann neben den klassischen Formen der Insulin-Monotherapie (konventioneller Insulin-Therapie bzw. intensiviert konventioneller Insulin-Therapie) zunächst auch eine Kombinationstherapie bestehend aus oralen Antidiabetika und Verzögerungs- und/oder kurzwirksamen Insulin erfolgreich sein. Die Studienlage zur Effizienz und Effektivität der einzelnen Insulin-Therapieformen bei Diabetes mellitus Typ 2 ist (bis auf die intensiviert konventionelle Insulin-Therapie) derzeit noch unübersichtlich, so dass klare differenzialtherapeutische Empfehlungen nicht gegeben werden können.
Hinweis
Nach Fertigstellung des Manuskripts wurden Daten aus der ADOPT-Studie bekannt, die auf ein etwa 2fach erhöhtes Frakturrisiko für Frauen unter einer Rosiglitazon-Therapie hinwiesen. Eine aktuelle Warnung der amerikanischen Regulationsbehörde (FDA) unterstreicht, dass wahrscheinlich von einem Klasseneffekt der Thiazolidindione auszugehen ist. Entsprechende Rote-Hand-Briefe der Hersteller Takeda und Glaxo-Smith-Kline wurden im März 2007 verschickt.
Literatur
Das Literaturverzeichnis als PDF
Priv.-Doz. Dr. med. Cornelius Bollheimer, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I
(Direktor: Prof. Dr. J. Schölmerich), Universität Regensburg, 93042 Regensburg, E-Mail: cornelius.bollheimer@klinik.uni-regensburg.de
Dr. med. Christiane Girlich, Dr. med. Ulrike Woenckhaus, Priv.-Doz. Dr. med. Roland Büttner, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universität Regensburg, 93042 Regensburg

Abb. 1. Therapiealgorithmus des Diabetes mellitus Typ 2. Die Darstellung folgt im Wesentlichen der aktuellen DDG-Therapieleitlinie [4], wobei diese allerdings keine dreimonatige Beobachtungsphase bei der basal unterstützten oralen Therapie vor Beginn einer konventionellen oder intensivierten Insulin-Therapie vorschreibt.
Cave: Das schematisierte Vorgehen kann nur bei klinisch stabilen Patienten mit mäßiger Hyperglykämie empfohlen werden, bei Entgleisungen kann eine Insulin-Therapie auf jeder Stufe notwendig werden.
* Eine Kombination aus Sulfonylharnstoffen und Metformin wird nicht empfohlen
BMI = Body-Mass-Index
Tab. 1. Orale Antidiabetika (Die Dosisempfehlungen entsprechen den Angaben der jeweiligen Fachinformation)
Orales Antidiabetikum |
Standarddosierung |
Dosierung bei Niereninsuffizienz |
Kombination mit Insulin |
Biguanide: |
|
|
|
Sulfonylharnstoffe: |
|
|
|
Thiazolidindione: |
|
|
|
Glinide: |
|
|
|
Alpha-Glucosidashemmer: |
|
|
|
Number needed to treat (NNT)
Die NNT ist der reziproke Wert der absoluten Risikoreduktion, sie gibt an, wie viele Patienten behandelt werden müssen, um bei einem Patienten ein definiertes Behandlungsziel zu erreichen.
Die absolute Risikoreduktion durch die Behandlung ist die Risikodifferenz zwischen Plazebo- und Verum-Gruppe.
Tab. 2. Wirkungsprinzipien neuer Antidiabetika [mod. Darstellung nach 135]
GLP-1- |
DPP-IV- |
Amylin- |
|
Steigerung der Insulin-Sekretion |
+ |
+ |
– |
Hemmung der Glukagon-Sekretion |
+ |
+ |
+ |
Hemmung der Magenentleerung |
+ |
– |
+ |
Steigerung von Sättigungsgefühl, Gewichtsabnahme |
+ |
– |
+ |
GLP-1 = Glucagon-like-peptide 1; DPP IV = Dipeptidylpeptidase IV

Abb. 2. Die nordamerikanische Krustenechse Heloderma suspectum; ihr Speichel enthält Exendin-4, Vorbild für das synthetische Inkretin-Mimetikum Exenatid [Foto: Lilly/Roetz]

Abb. 3. Vildagliptin (Novartis) und Sitagliptin (MSD Sharp & Dohme) – oral applizierbare Hemmstoffe der Dipeptidylpeptidase IV, die sich in Phase III der klinischen Prüfung befinden (Sitagliptin wurde Ende März 2007 in Europa zugelassen [Januvia®; Kombination mit Metformin oder Thiazolidindionen, wenn die Gabe von Metformin oder einem Thiazolidindion plus Lebensstilumstellung zur Blutzucker-Kontrolle nicht ausreichend war], in Mexiko und in den USA wurde es bereits zuvor zugelassen [Januvia®; Monotherapie oder Kombination mit Metformin oder Thiazolidindionen] bei Patienten, bei denen mit einer Lebenststiländerung keine ausreichende Blutzucker-Kontrolle erreicht werden konnte)

Abb. 4. Muraglitazar und Tesaglitazar: Dual wirkende PPAR-Agonisten sind aufgrund ihres doppelten Wirkungsmechanismus, wodurch insbesondere die Insulin-Resistenz verringert wird und zusätzlich Parameter des Fettstoffwechsels verbessert werden, theoretisch besonders interessante neue Substanzen zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 2; allerdings wird die Entwicklung beider Verbindungen derzeit nicht weiter verfolgt, da Toxizitätsprobleme auftraten (Kardiotoxizität, Nephrotoxizität)
Antiglycemic therapy of type 2 diabetes mellitus
The antihyperglycemic therapy of type 2 diabetes mellitus is complex and can be difficult. The actual German guidelines propose an HbA1c value of less than 6.5 % without frequent hypoglycemias as therapeutic goal. For this, oral antidiabetics and insulin are used alone or in combination. This review summarizes the mode of action, the efficacy and the adverse effects of the therapeutic agents employed nowadays, and new pharmacologic approaches are also introduced.
Keywords: Oral antidiabetic therapy, insulin therapy, type 2 diabetes mellitus
Arzneimitteltherapie 2007; 25(05)