Koronare Herzerkrankung

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bei depressiven Patienten wirksam?


Dr. med. Anneke Vonend, Bochum

Depressive Episoden bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) können mit dem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Citalopram nebenwirkungsarm behandelt werden, so das Ergebnis der CREATE-Studie, einer randomisierten, kontrollierten Studie aus Kanada.

Bis zu 27 % der wegen einer koronaren Herzerkrankung im Krankenhaus behandelten Patienten leiden an einer Depression, die zu einer etwa 3fach erhöhten kardialen Letalität beiträgt. Bislang existieren einige Studien zur Sicherheit und Effektivität von SSRI bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung. So konnte in der SADHART-Untersuchung (SADHART = Sertralin antidepressant heart attack randomized trial) gezeigt werden, dass Sertralin (z. B. Gladem®) keine unerwünschten kardiovaskulären Effekte hat und bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung wirksam ist.

Im Rahmen einer anderen Studie (CREATE = The Canadian cardiac randomized evaluation of antidepressant and psychotherapy efficacy trial) wurde nun die Effektivität sowohl einer pharmakologischen als auch einer psychotherapeutischen Behandlung der Depression bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung untersucht. Eingeschlossen wurden 284 Patienten mit Herzinfarkt oder kardialer Revaskularisierung in der Vorgeschichte oder mehr als 50%igem Verschluss mindestens eines größeren Herzkranzgefäßes, die seit mindestens vier Wochen an einer mittelgradigen bis schweren Depression litten. Diese Patienten erhielten im Rahmen eines randomisierten doppelblinden Studiendesigns entweder den SSRI Citalopram (z. B. Cipramil®, bis zu 40 mg/d) oder Plazebo. Außerdem nahm – ebenfalls randomisiert – die Hälfte der Patienten an einer interpersonellen Kurzzeitpsychotherapie (IPT) teil. Wöchentlich wurde zusätzlich mit allen Studienteilnehmern ein 20- bis 25-minütiges Gespräch zu aktuellen Beschwerden, Gebrauch und Nebenwirkungen der Medikation geführt. Zu Beginn der Studie sowie nach sechs und zwölf Wochen fragten in Bezug auf die Therapieform verblindete Psychologen die Schwere der depressiven Symptome ab. Nach Auswertung der Daten zeigte sich, dass die IPT nicht wirksamer als die regulären klinischen Verlaufsgespräche war. Citalopram hingegen war Plazebo in der Reduktion der depressiven Symptome deutlich überlegen (Tab. 1 und 2). Von der Citalopram-Einnahme profitierten allerdings vor allem Patienten, die bereits eine depressive Episode in der Vorgeschichte hatten, bei Patienten in der ersten Depression zeigte es kaum Wirkung – dies deckte sich mit den Ergebnissen der Sertralin-Studie. Auch Citalopram verursachte keine Blutdruck- und EKG-Veränderungen, allerdings traten Schwindel, Somnolenz, Durchfall, Schweißausbrüche, Herzklopfen und verminderte Libido häufiger als bei Plazebo-Einnahme auf. Die aufgrund der antithrombozytären Eigenschaften der SSRI zu erwartende gesteigerte Blutungsneigung trat bei keinem der mit einem der beiden Medikamente behandelten Patienten auf. Im Gegenteil scheint die Therapie einer Depression mit SSRI die kardiale Letalität zu verringern. Leider war bislang keine Studie so konzipiert, dass hierzu verlässliche Aussagen gemacht werden konnten.

Fazit

Die Autoren empfehlen, bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung stets an eine mögliche Depression zu denken und diese aufgrund der guten Verträglichkeit und der geringen Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Medikamenteninteraktionen frühzeitig mit den SSRI Citalopram oder Sertralin zu therapieren.

Quellen

Lespérance F, et al. Effects of citalopram and interpersonal psychotherapy on depression in patients with coronary artery disease. JAMA 2007;297:367–79.

Glassman A, et al. Antidepressants in coronary heart disease. JAMA 2007;297:411–2.

Tab. 1. Primärer Endpunkt: Reduktion auf der Hamilton Depression Rating Scale (HAM-D, 24 Items) nach 12 Wochen Therapie gegenüber der Ausgangssituation (angegeben sind Mittelwert ± Standard-abweichung, adjustierte Werte); die Patienten mit mäßig bis schwer ausgeprägter Depression erhielten zusätzlich zu einer Basisbetreuung (Clinical management [CM] = wöchentliches Gespräch u. a. zur Erfassung von aktuellen Beschwerden) randomisiert Citalopram oder Plazebo sowie ebenfalls randomisiert zusätzlich eine interpersonelle Kurzzeitpsychotherapie (IPT)

IPT vs. CM

Citalopram vs. Plazebo

IPT (n = 142)

CM (n = 142)

p-Wert

Citalopram (n = 142)

Plazebo (n = 142)

p-Wert

HAM-D, Ausgangswert

29,5 ± 6,42

30,0 ± 7,01

29,3 ± 6,40

30,2 ± 7,00

Primärer Endpunkt: HAM-D-Reduktion nach 12 Wochen

12,1 ± 9,97

14,4 ± 9,97

0,06

14,9 ± 9,99

11,6 ± 9,99

0,005

Unterschied zwischen den Gruppen (96,7%-KI)

–2,26 (–4,78 bis 0,27)

3,33 (0,80 bis 5,85)

96,7%-KI = 96,7%-Konfidenzintervall

Tab. 2. Remissions- und Ansprechraten nach 12 Wochen: Die Patienten mit mäßig bis schwer ausgeprägter Depression erhielten zusätzlich zu einer Basisbetreuung (Clinical management [CM] = wöchentliches Gespräch u. a. zur Erfassung von aktuellen Beschwerden) randomisiert Citalopram oder Plazebo sowie ebenfalls randomisiert zusätzlich eine interpersonelle Kurzzeitpsychotherapie (IPT)
Remission: Reduktion auf einen Wert von maximal 8 auf der Hamilton Depression Rating Scale (HAM-D, 24 Items) nach 12 Wochen; Ansprechen: Reduktion des HAM-D-Werts um mindestens 50 % nach 12 Wochen gegenüber der Ausgangssituation (angegeben sind Mittelwert ± Standardabweichung, adjustierte Werte)

IPT vs. CM

Citalopram vs. Plazebo

IPT (n = 142)

CM (n = 142)

p-Wert

Citalopram (n = 142)

Plazebo (n = 142)

p-Wert

Remission [%]

40 ± 28,2

43 ± 30,3

0,70

51 ± 35,9

32 ± 22,5

0,01

Odds-Ratio für die Differenz zwischen den Gruppen (95%-KI)

0,90 (0,54–1,51)

1,93 (1,14–3,25)

Ansprechen [%]

61 ± 43,0

71 ± 50,0

0,24

75 ± 52,8

57 ± 40,1

0,03

Odds-Ratio für die Differenz zwischen den Gruppen (95%-KI)

0,75 (0,47–1,20)

1,67 (1,04–2,67)

95%-KI = 95%-Konfidenzintervall

Arzneimitteltherapie 2007; 25(11)